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Wissenschaft: Hautreinigung

 

Früher war die Hautreinigung – speziell des Gesichtes – ein ziemlich einfacher Vorgang: Wasser und gegebenenfalls ein Stück Seife waren nötig. Daraus entstand eine "Wissenschaft", die ohne Kenntnisse in Chemie, Physik und Mikrobiologie fast nicht mehr verständlich ist.

 

Bei der Hautreinigung geht es längst nicht mehr allein um die Entfernung von Fremdstoffen auf der Haut, sondern um Kombinationsbehandlungen, die unter anderem die Desinfektion, die Konditionierung für Folgebehandlungen und die Ingangsetzung von Regenerationsvorgängen einschließen. Die Liste der Stoffe, die tagtäglich auf die (Gesichts-)Haut gelangen, ist lang:

  • Körperliche Stoffe: Hautbarriere-Bestandteile, Hautzellen, Krusten, Drüsensekrete (Sebum, Schweiß, Ohrenschmalz, Tränenflüssigkeit und Speichel). Kurioserweise gehören sie größtenteils zum Selbstreinigungsprogramm der Haut.
  • Natürliche Umweltstoffe: Mineralienstäube (zum Beispiel Tonerde, Kieselsäure, Salze), pflanzliche Stoffe (zum Beispiel Kohlenwasserstoffe, Fette, Wachse, Pollen), peroxidierte Kohlenwasserstoffe (zum Beispiel Peroxyacetylnitrat (PAN)).
  • Reaktionsprodukte von Hautbestandteilen mit Gasen wie Sauerstoff, Ozon, Stickstoffoxiden, Schwefeldioxid und Chlor.
  • Anthropogene Stoffe: Stäube und Aerosole (Haus-, Straßen und Industriestaub inklusive Rußpartikel und polycyclischer aromatischer Kohlenwasserstoffe), Arbeitsstoffe, Haushaltschemikalien und Modeschmuckbestandteile (Silber- und Nickelverbindungen).
  • Ingredienzien aus Körperpflegeprodukten: Fettstoffe, Wirkstoffe, Pigmente (aus Lippenstift, Make-up, Camouflage, Pudern und mineralischem Sonnenschutz), Farbstoffe (Wimperntusche, Kajalstifte) und Hilfsstoffe aller Art.
  • Mikroorganismen und deren Abfall- und Stoffwechselprodukte inklusive Enzymen und Fettsäuren.

Applikationsformen

Diese Stoffe können wasser-, öl- bzw. fettlöslich, völlig unlöslich oder fest anhaftend sein. An diesen Eigenschaften orientieren sich die angewandten Reinigungsmittel:

  • Tenside in Form von Stückseifen, Reinigungsgelen oder Öl-in-Wasser-Emulsionen besitzen ein hohes Schmutztragevermögen und sind im Normalfall am besten geeignet, um alle Stoffe zu entfernen.
  • Mizellenwasser ist eine leichte Reinigungslotion, die ebenfalls aus Wasser und geringen Konzentrationen an Tensiden besteht. Sie ist vergleichbar mit dem Tropfen Spülmittel und viel Wasser.
  • Mikroemulsionen sind ein technischer Begriff für hochkonzentrierte, tensidhaltige Formulierungen, in denen Tenside und Wasser eine homogene Phase bilden. Sie sind häufig die Basis für Shampoos.
  • Bei fest anhaftenden kosmetischen Produkten (Make-up, Camouflage) werden auch kurzkettige Öle (Triglyceride, synthetische Ester) verwendet, die wiederum mit wässrigen Tensiden entfernt werden. Alternativ kann man mit wasserfreien tensidhaltigen Ölen arbeiten, die nachfolgend mit Wasser auf der Haut Emulsionen bilden und auf diese Weise leicht entfernt werden können (2-in-1-Produkte).
  • Bei sehr empfindlicher Haut und bei Kleinkindern kommen auch native Öle allein oder als Emulsionen mit hohem Ölgehalt (Reinigungsmilch) zum Einsatz. Letztere eignen sich, wenn sie mit einem hydrierten Phosphatidylcholin lamellar aufgebaut sind, sogar zur Pflege (2-in-1-Produkte, siehe unten). Reinigungsmilch lässt sich auch zum Abschminken einsetzen.

Tenside & Emulgatoren

Tenside sind wie Emulgatoren oberflächenaktive Substanzen – nicht selten mit gleicher chemischer Struktur, sodass die Bezeichnungen praktisch synonym sind. Bei Reinigungspräparaten spricht man eher von Tensiden, bei Pflegeprodukten von Emulgatoren. Beide erzeugen einen Auswascheffekt – der bei Reinigungsprodukten unvermeidlich, aber naturgemäß bei Pflegeprodukten unerwünscht ist. Ein qualitatives Unterscheidungsmerkmal ist die kritische Mizellbildungskonzentration (CMC), ein physikalischer Wert, der die Konzentration angibt, bei der sich die oberflächenaktiven Stoffe in Wasser zu Assoziaten (Mizellen) zusammenlagern.

Modell einer Mizelle
Modell einer Mizelle; hydrophile Köpfe der Tenside sind zur Wasserphase, lipophile Reste in den Innenraum gerichtet

Tenside haben tendenziell eine höhere CMC. Mit steigender CMC wächst das Irritationspotenzial. Daher sollen Reinigungsprodukte nur kurz auf der Haut verbleiben und danach sofort abgespült werden ("Rinse-off"-Präparate). Diesbezüglich ist Sodium Lauryl Sulfate (INCI) als besonders aggressiv bekannt; es wird sogar in Hautverträglichkeitstests von Reinigungsprodukten zu Vergleichszwecken als Standard-Irritans verwendet.
Werbetechnisch nimmt man es bei der sachlichen Differenzierung der Reinigungsprodukte nicht immer so genau. Es kursieren viele unterschiedliche Bezeichnungen. Um Produkte mit phantasievollen Namen beim Kauf einzuordnen, ist es empfehlenswert, sich die INCI-Codierungen einzelner Komponenten einzuprägen und auf ihre Reihenfolge (≥ 1% nach abnehmender Konzentration, < 1% keine bindende Reihenfolge) auf den Etiketten zu achten. Mit etwas Übung kann man dann die Eignung und Effektivität der Produkte sehr gut beurteilen.

Behandlungsabläufe

Die beschriebenen Reinigungsmittel werden als solche eingesetzt oder in komplexere Behandlungsabläufe der Kosmetikinstitute und Kliniken integriert. Darin stellen sie gewissermaßen die Vorreinigung dar, der eine weitere, meist intensivere (Tiefen-)Reinigung, eine spezielle Konditionierung oder ein regenerationsförderndes Verfahren folgt.
Die Behandlungen richten sich nach dem individuellen Zustand der (Problem-)Haut und gegebenenfalls den damit verbundenen Kunden- und Patientenwünschen. Wenn allerdings nachfolgende Behandlungen vorgesehen sind, dürfen in den initialen Reinigungsmitteln z. B. keine nachfettenden Substanzen wie anhaftende Siloxane oder oberflächenaktive Stoffe mit dominierenden Lipidanteilen enthalten sein, die den späteren Ablauf stören.
So schließt sich der Reinigung häufig die Behandlung von Mitessern und Komedonen ("Ausreinigung") an, die unter Zuhilfenahme von Bedampfern (Vapozon) und/oder desinfizierenden, alkoholischen Lotionen durchgeführt wird. Die Desinfektion nach der Reinigung ist auch wichtig zur Vorbereitung des mittlerweile populären Dermal Needlings, unabhängig davon, ob man mit kurzen (Kosmetik) oder langen Nadeln (Dermatologie) arbeitet. Als Desinfektionsmittel haben sich unter anderem wässrige Polyhexamethylenbiguanid-Lösungen (PHMB) bewährt. PHMB ist eine Substanz, die Bakterien und Viren analog den körpereigenen antimikrobiellen Peptiden (AMP) mit seiner kationischen Struktur angreift. Man spricht hier auch von einem AMP-Booster. Andere nicht sensibilisierende Desinfektionsmittel sind 70-prozentiger (V/V) Alkohol und Isopropanol (mit ähnlichem Wasseranteil).

Peelings

Auch die Peelingverfahren, bei denen nicht nur lose Hautschuppen, sondern Teile des Stratum corneums abgetragen werden, bauen auf der Hautreinigung auf. Die wichtigsten Verfahren sind:

  • Mechanische Peelings mit wasserunlöslichen Reibekörpern – möglichst aus abbaubaren Wachskügelchen; synthetische Polymere (PE, PP, PUR) sind aufgrund der Mikroplastik-Diskussion auf dem Rückzug. (Meer-)Salzpeelings werden zusammen mit pflanzlichen Ölen durchgeführt; sie haben den Vorteil, dass sich das Salz nach dem Peeling mit Wasser von der Haut entfernen lässt.
  • Enzympeelings enthalten Proteasen, meist Bromelain und Papain, die Peptidbindungen des oberflächlichen Keratins lösen (Keratolyse). Auch Lipasen, die Fettsäureester spalten, sind im Gebrauch.
  • Chemische Peelings, deren keratolytische Wirkung auf Alpha-Hydroxysäuren (AHA) wie Glykolsäure und Milchsäure (Kosmetik) oder Trichloressigsäure und phenolischen Verbindungen (Dermatologie) beruht. Denselben Effekt haben Kräuterpeelings, deren analoge Chemie aus Naturextrakten, beispielsweise der Weidenrinde, stammt. Zuweilen werden AHA-Säuren bereits den Reinigungsgelen zugesetzt.
  • Mikrodermabrasion ist ein apparatives, mechanisches Peeling, bei dem Kleinstpartikel aus Quarz, Aluminiumoxid o. ä. mittels einer Düse auf die Haut geblasen werden ("Sandstrahlen").
  • Dermabrasion mittels wässriger Flüssigkeiten, die unter Hochdruck aus einer Düse gepresst werden ("Wasserstrahlen").

Mit Peelings ist die Vorstellung verbunden, dass darauffolgend eine intensive Regeneration angeregt wird, die dem "Anti-Aging" dient. Langzeitbeobachtungen insbesondere bei sehr heller Hautfarbe, weisen allerdings auf eine Erhöhung der Empfänglichkeit der Haut für Rosacea und periorale Dermatitis hin, wenn lange und wiederholt intensive chemische Peelings mit Fruchtsäuren durchgeführt wurden. Wie so oft wirken sich Übertreibungen (Überpflegung) kontraproduktiv aus.
Leichte Peelings erreicht man auch durch Heilerde-Masken. Generell werden Masken dazu genutzt, die Reinigung zu optimieren ("Reinigungsmasken"). Neben Heilerde sind Kaolin, Zeolithe und sogar Aktivkohle im Gebrauch, um Stoffe aus der Haut zu adsorbieren.

Nebenwirkungen

Jede Reinigungsoperation hinterlässt Spuren in der Hautbarriere und der Hautflora. Ohne darauffolgende Pflegepräparate wird die Haut tendenziell trockener, da sich der TEWL erhöht und natürliche Feuchthaltesubstanzen entfernt wurden. Auch die Anfälligkeit gegenüber externen Stoffen (Umwelt, Arbeit, Haushalt) und Sonnenstrahlung erhöht sich. Je tiefer gereinigt wird und je mehr mit Konservierungsstoffen und Desinfektionsmitteln gearbeitet wird, umso mehr leidet zwangsläufig auch die Hautflora alias Mikrobiom. Dementsprechend werden der Säuremantel geschwächt und Infektionen erleichtert. Diese Vorgänge muss man bei der Auswahl der Reinigungsmittel und in der Frequenz ihrer Anwendung immer im Auge haben.
Die pH-Werte der Reinigungsmittel können neutral bis schwach sauer sein. Wenn Puffersubstanzen (zum Beispiel Phosphate, Citrate) in höherer Dosierung enthalten sind, ist ein pH von 5,5 anzustreben. Sind nur kleine Mengen oder gar keine Puffersubstanzen enthalten, spielt der pH der Präparate keine große Rolle, da die Pufferkapazität der Haut innerhalb kürzester Zeit den physiologischen pH wieder einstellt. Basische Reinigungsmittel stellen durch die Entfernung des Säuremantels einen Reiz dar, dem die Haut mit der verstärkten Bildung von Barriere-Bestandteilen begegnet. Bei geringer Regenerationsfähigkeit wie etwa atopischer Haut sind sie nicht geeignet.

Literatur:

Lautenschläger H, Die Haut und ihre Pflege – Physiologie und Chemie im Einklang? Chemie in unserer Zeit 2021, 55 (5), 306-319; Copyright © 2021 Wiley-VCH GmbH; Reproduced with permission.

Lautenschläger H, Gesichtsreinigung – Inhaltsstoffe & Geräte, medical Beauty Forum 2018 (1), 14-17

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Beauty Forum
2022 (11), 62-64

 
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