dermaviduals® DMS
  MenuMenü Publikationen >> Inhaltsstoffe Impressum Sitemap English
 

Stickstoff – eine treibende Kraft

 

Stickstoff ist mit einem Anteil von 78 Prozent das wichtigste Element der Luft. Viele seiner Verbindungen finden sich in der Hautpflege wieder.

 

Der größte Teil unserer Atmosphäre, etwa 78 Volumenprozente, besteht aus farb- und geruchlosem Stickstoff (N). Mit einer Beteiligung von nur 0,03% an der Erdhülle ist Stickstoff jedoch ein eher seltenes Element auf unserem Planeten. Anders als den Sauerstoff atmen wir das zweiatomige Gas (N2) als Bestandteil der Luft zwar ein, aber unverändert wieder aus. Und doch besteht unser Körper zu einem großen Teil aus den Verbindungen des Stickstoffes mit anderen Elementen. Wie es dazu kommt, ist ein spannendes Kapitel in der Erdgeschichte und der Evolution des Lebens.

Stunde Null

Ursprünglich bestanden die Atmosphäre und Oberfläche der Erde aus Gasen und anorganischen Flüssigkeiten und Mineralien, die in Form von chemischen Reaktionen und physikalischen Effekten miteinander wechselwirkten. Dabei spielten Strahlung und elektrische Entladungen eine entscheidende Rolle, denn sie aktivierten den reaktionsträgen Stickstoff dazu, sich mit anderen Elementen zu verbinden. So entstanden nach dem Zufallsprinzip unter anderem die ersten Aminosäuren, also Moleküle aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff.

Autokatalyse

Auch die neuen Moleküle gingen untereinander chemische Umsetzungen ein. Die Aminosäuren verknüpften sich zu Peptiden (Familie der Amide). Eine Besonderheit der Oligopeptide – bestehend aus wenigen Aminosäurebausteinen – und mehr noch der Polypeptide – mit ihren vielen Aminosäure-Untereinheiten – ist es, chemische Reaktionen beschleunigen zu können. Mit anderen Worten: Peptidstrukturen wirken katalytisch. Im Falle der Reaktion von Aminosäuren zu immer komplexeren Peptiden nennt man diesen Vorgang auch Autokatalyse.

Hand in Hand

Die Peptide konnten chemische Reaktionen katalysieren und sich selbst duplizieren. Damit waren die Vorläufer der Enzyme geboren. Die erfolgreichsten unter ihnen produzierten Stoffe, die wiederum von anderen Enzymen verändert, ab- oder weiter aufgebaut wurden. Sie stellten sich also aufeinander ein und arbeiteten gemäß dem Massenwirkungsgesetz zunehmend Hand in Hand. Mit wachsendem Organisationsgrad bildeten sich arbeitsteilige Strukturen, die sich selbst reproduzieren konnten. Sie gelten als die Vorstufen des Lebens. Heute sind unsere Gene nichts anderes als der Organisationschlüssel für sämtliche, später in unserem Körper gebildeten Enzyme und deren miteinander abgestimmte Aktivitäten.

Synergien

Deshalb ist unser Organismus auf die Nahrungsaufnahme stickstoffhaltiger Aminosäuren, Peptide – inklusive spezifischer Proteine – und Vitamine angewiesen. Wir stehen am Ende der Nahrungskette, die mit Bakterien beginnt, die im Wasser, im Boden oder zusammen mit Pflanzen leben und es gelernt haben, im Lauf von Jahrmillionen mit Enzymen den Stickstoff aus der Luft zu fixieren. Mehr noch: Ohne die Synergien unseres Organismus mit den Mikroorganismen des Magen-Darm-Traktes und der Haut läuft nichts. Alle arbeiten mit den gleichen Werkzeugen, den für sie essentiellen Stickstoffverbindungen.

Hautpflege

Anfang des 20. Jahrhundert ist es dann auch der chemischen Industrie gelungen, den Luftstickstoff katalytisch zu binden und in der Folge unzählige seiner Verbindungen synthetisch herzustellen. Und so finden sich heute viele dieser Stoffe in der Hautpflege wieder. Und es wundert nicht, dass es sich meist um die gleichen handelt, die schon in der Evolution eine Rolle gespielt haben.

Aminosäuren

Aminosäuren sind Hauptbestandteile des NMF (Natural Moisturizing Factor) und effektive Radikalfänger, indem sie unter anderem Stickstoffoxid-Radikale der Luft abfangen und in harmlosem atmosphärischen Stickstoff umwandeln. Der intakte NMF ist eine Grundvoraussetzung für das osmotische Gleichgewicht und eine problemlos funktionierende Hautbarriere.
Ectoin ist eine wasserbindende cyclische Aminosäure und kommt in Bakterien vor, die noch in Salzseen unter hohem osmotischem Druck lebensfähig sind. Ectoin erhöht die Irritationsschwelle der Haut und wird – vielfach liposomal – in Präparaten für die empfindliche Haut eingesetzt.

Amide

Amide haften mit ihren Wasserstoffbrückenbindungen gut an der Hautoberfläche. Manche Amide wie die Ceramide sind sogar barriereaktiv. Damit verbunden ist häufig eine juckreizstillende Wirkung, die bei Harnstoff, Allantoin und Fettsäurealkanolamiden wie etwa dem Palmitinsäureethanolamid stärker ausgeprägt ist. Hohe Konzentrationen von Harnstoff führen zu einer keratolytische Wirkung und einer Penetrationsverstärkung von anderen Stoffen.
Ceramide verhindern das Austrocknen der Haut und das Eindringen von Fremdstoffen. Klassische Anwendungen sind die trockene Haut und der Hautschutz. In der Haarpflege werden Ceramide in die Haarzwischenräume eingebaut.
Die Amide Capsaicin (Chili) und Spilanthol (Parakresse) gehören zu den Schärfestoffen. Ihre lokalanästhesierende Wirkung reduziert die Muskelkontraktion der Mimikfalten und bewirkt eine effektive Faltenglättung. Die mit den Polysacchariden verwandten Hyaluronsäuren verfügen über eine hohe Wasserbindungskapazität und hautglättende Wirkung.

Peptide

Unterschiedliche, kurzkettige Peptide finden als Kollagenbooster (Matrikine) und Botox-ähnliche Faltenglätter Verwendung. Enzympeelings spalten Peptide und Proteine und regen die Hauterneuerung an. Kollagen- und Weizenproteinhydrolysate und deren Kondensate glätten die Haut ähnlich wie die Hyaluronsäure, indem sie Wasserstoffbrücken zum Keratin ausbilden. Wachstumsfaktoren sind körpereigene Peptide, die man beispielsweise mit dem Vitamin A stimulieren kann.

Vitamine

Vitamin B1 (Thiamin), Vitamin B2 (Riboflavin), Vitamin B3 (Niacin), Vitamin B5 (Pantothensäure), Vitamin B6 (Pyridoxin), Vitamin B7 (Biotin), Vitamin B9 (Folsäure) und Vitamin B12 (Cyanocobalamin) enthalten durchweg Stickstoffatome in Form von Aminen und Amiden. Das Provitamin B5 (D-Panthenol) hat eine antiinflammatorische Wirkung und ist ein Penetrationsverstärker, der in Gesichtstonics und vor Maskenbehandlungen verwendet wird.

Weitere Stickstoffverbindungen (Auswahl)

  • Dimethylaminoethanol (DMAE) werden faltenreduzierende und feuchtigkeitsspendende Wirkungen nachgesagt. Die Substanz tritt unter anderem als Metabolit des im Phosphatidylcholin gebundenen Cholin auf.
  • Phosphatidylcholin (PC) ist ein Phospholipid mit einem vielfältigen Wirkungsspektrum und gehört neben den Sphingomyelinen und Ceramiden zu den wichtigsten membranbildenden Naturstoffen.
  • Alkaloide sind eine heterogene stickstoffhaltige Substanzgruppe, zu der neben Nikotin und Morphin z. B. das in Kosmetika eingesetzte Coffein sowie das entzündungshemmende Berberin gehören.
  • Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) entstehen durch elektrische Entladungen und bei Verbrennungsvorgängen. Stickstoffmonoxid wird im Körper unter kontrollierten Bedingungen als Neurotransmitter freigesetzt. Lachgas (N2O) ist ebenfalls ein Stickoxid, aber kein Radikal. Es hat anästhesierende Wirkung. Nitrosamine sind das Reaktionsprodukt sekundärer Amine mit Stickstoffoxiden. Sie sind durchweg krebsauslösend.


Dr. Hans Lautenschläger

 


Nutzen Sie zum Lesen unserer Seiten auch die Reader-Ansicht für mobile Endgeräte.
Für Fragen stehen wir über koko@dermaviduals.de gern zur Verfügung.
Dies gilt auch für Druck- und sachliche Fehler.
© Copyright Kosmetik Konzept KOKO GmbH & Co. KG, Leichlingen, www.dermaviduals.de
Revision: 26.05.2021
 
  pdf
Download
 

veröffentlicht in
Beauty Forum medical
2021 (2), 22-23

 
Inhaltsstoffe - weitere Literatur
Nüsse und nussähnliche Früchte
Natrium und Kalium
Ist Titandioxid alternativlos?
Gold und Silber
Titandioxid – der Weißmacher
Regional und nachhaltig – Hanf, Nachtkerze, Ringelblume & Co.
Calcium und Magnesium – die steinigen Elemente
Phosphor – geballte Energie
Silicium – in Ketten gelegt
Schwefel für die schöne Haut
Wasser ist nicht nur nass
Stickstoff – eine treibende Kraft
Portrait Sauerstoff – ein Element der Sonderklasse
Sauerstoff – viel mehr als heiße Luft
Warmes Wässerchen – Überblick Thermalwasser
Klein aber gemein – Kunststoffe und Mikroplastik in der Kosmetik
Sauer macht lustig – pH-Wert von Haut und Kosmetika
CO2 – Nicht nur ein Treibhausgas
Komplexbildner & Co - ambivalente Ingredienzien in der Kosmetik
Aluminium-Update
Ressourcen der Natur - Pflanzliche Öle im Rahmen der Hautpflege
Versteckte Schadstoffe in Kosmetika
Endokrine Disruptoren - Schaden fürs Hormonsystem
Glykole in Hautpflegemitteln und Dermatika
Keimfrei verpackt - Produkte & Methoden
Triclosan - teils verboten, weit verbreitet
Aluminium - ein viel diskutiertes Element1
Wachse - eine unverzichtbare Stoffklasse
Übersicht: Freisetzung und Bioverfügbarkeit
Huckepack - Übersicht Trägersysteme
Ohne Träger wenig Wirkung - was können Trägerkörper in Kosmetikprodukten?
Silizium - Global Player der Kosmetik
Emotionsauslöser - Streifzug durch die Welt der Duftstoffe
Mini-Kuppler - Von der Seife zum Hightech-Emulgator
Säuren und Basen von A bis Z
Wie Sand am Meer - Silizium und seine Verbindungen
Riechprobe? Aldehyde und Ketone
Vielfältig im Einsatz - Alkohole in Hautpflegemitteln
Echt gallig! - Reinen Alkohol einschenken
Vergällungsmittel in Kosmetika - Gesundheit ist zweitrangig
(Poly)Saccharide in Kosmetika - Von A wie Alginat bis Z wie Zuckertensid
Polyethylenglykole & Co - Von Wirkungen und Nebenwirkungen
Pflanzenöle
Fette und Öle - Kohlenwasserstoffe in Kosmetika
Haltbarkeit von Kosmetika - Was macht Kosmetika empfindlich?
Pflanzliche Öle und Extrakte - Essentielle Komponenten
Vielseitig - Neue Öle und Extrakte
Naturwirkstoffe unter der Lupe: Quo vadis?
Wasser ist nicht gleich Wasser - Wasserqualitäten
Konservierungsstoffe
Lipophil - Öle und Fette in der Kosmetik
Mindesthaltbarkeit und Konservierung
Emulgatoren - "Wir machen Mischen möglich!"
Inhaltsstoffe - objektive Infos erwünscht
Konservierungsstoffe - Keime & Co fest im Griff
Hilfsstoffe in Kosmetika
Fettstoffe - Die Basis der Hautpflege
Pflegende Wirkstoffe - Vitamine, Öle & Co
Pflegende Wirkstoffe - Die Haut glätten und rundum schützen
INCI - Die Deklaration gibt Auskunft
Frei von Konservierungsmitteln 
Emulsionen - Mikroemulsionen - Nanoemulsionen
Emulgatoren - Alternativen gesucht 
Ceramide - Lipide mit vielfältigen Aufgaben