Man sieht es der wachsartigen weißen und den beiden festen, roten und schwarzen Modifikationen nicht an, dass Phosphor (P) eng mit dem reaktionsträgen, gasförmigen Stickstoff verwandt ist. Das Element kommt in der Natur nicht frei vor. Weißer Phosphor entzündet sich leicht an der Luft und verbrennt unter starker Wärmeentwicklung. Das dabei entstehende Oxid bildet in Gegenwart von Wasser Phosphorsäure. Roter Phosphor ist Bestandteil der Reibfläche von Streichhölzern.
Knochen und Zähne
Von den Phosphaten, den Salzen der Phosphorsäure, die bergmännisch abgebaut werden, sind die Apatite erwähnenswert. Der Hydroxylapatit, ein Calciumphosphat, ist der Grundstoff von Knochen und Zähnen. Er entsteht aus den wasserlöslichen Phosphaten, die wir mit der Nahrung aufnehmen. Am Anfang der Nahrungskette stehen Mikroorganismen und Pflanzen, die mittels ihrer Wurzeln die mineralischen Phosphate in den Böden aufschließen.
Energiespeicher
Eine besondere Eigenschaft der Phosphorsäure (H3PO4) besteht darin, unter Wasseraustritt und Energieaufnahme Diphosphorsäure (H4P2O7) und Triphosphorsäure (H5P3O10) zu bilden. Dieses Prinzip ermöglicht es den Organismen, Energie zu speichern, zu transportieren und an anderer Stelle unter Aufnahme von Wasser und Bildung monomerer Phosphorsäure wieder abzugeben. Die Energiespeicher liefern die Aktivierungsenergie für enzymatische Prozesse, d. h. für Stoffwechselleistungen aller Art. Eine Optimierung stellt dabei die Kopplung der Phosphorsäuren an die Zuckerreste (Ribose) der Nukleoside Adenosin (A), Guanosin (G), Uridin (U) und Cytidin (C) dar. Der Hauptenergielieferant, das Nukleotid Adenosintriphosphat (ATP) wird in den Energie-erzeugenden Mitochondrien der Zellen gebildet. An diesem Prozess ist das in der Kosmetik bekannte Coenzym Q10 beteiligt. Die Energie wird wieder freigesetzt, indem sukzessive Phosphorsäuremoleküle enzymatisch abgespalten werden. Aus ATP entstehen dabei das Adenosindiphosphat (ADP) und das Adenosinmonophosphat (AMP). Ähnlich verhalten sich die anderen Nukleotide: Guanosintriphosphat (GTP), Uridintriphosphat (UTP) und Cytidintriphosphat (CTP). Phosphorsäure kann sich auch cyclisch mit der Ribose des Nukleotids verbinden; das cyclische Adenosinmonophosphat (cAMP) ist ein Second Messenger (Botenstoff), der ankommende Signale zur Aktivierung von Zellreaktionen weiterleitet.
Nukleinsäuren
Nukleotide sind die Bausteine der Ribonukleinsäuren (RNA), in denen die Phosphorsäure jeweils das verbindende Glied zwischen den Zuckerresten darstellt.

RNA-Prinzip (Wikipedia Commons, https://de.wikipedia.org/wiki/Ribonukleins%C3%A4ure)
Im Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid (NAD), das sowohl als Oxidations- als auch als Reduktionsmittel in den Zellen fungiert, verbindet Diphosphorsäure die beiden Ribosereste. Ähnlich verhält es sich mit dem Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid-Phosphat (NADP), in dem noch ein weiterer Phosphatrest an die Ribosegruppe gekoppelt ist.
pH-Stabilisierung
Aus der Teilneutralisierung der Phosphorsäure resultieren Dihydrogen- und Hydrogenphosphate, die als physiologische Natrium- oder Kaliumsalze der pH-Stabilisierung von Kosmetika dienen. Systeme dieser Art bezeichnet man als Puffer. Sie fangen („puffern“) die eventuell während der Lagerung von Kosmetika entstehenden Säuren ab, die zum Brechen einer Emulsion führen können. Darüber hinaus werden durch Phosphate Kontaminationen von Schwermetall-Ionen wie Eisen inaktiviert, die Oxidationen und Radikalbildungen katalysieren. Ansonsten kommen Phosphate in Makeup-Präparaten als Violett- (CI 77 742; Manganammoniumdiphosphat) und Rot-Pigment (CI 77 745; Manganphosphat) vor.
Phospholipide
Große Bedeutung hat Phosphorsäure, wenn sie mit dem dreiwertigen Alkohol Glycerin und organischen Basen wie dem Cholin (Trimethylaminoethanol) verestert ist. Diese als Phospholipide bezeichneten Verbindungen – sie enthalten am Glycerin noch langkettige Fettsäuren – sind an praktisch allen Membranstrukturen der Zellen beteiligt. Man findet sie dort als Matrixelemente, an denen chemische Reaktionen ablaufen, und in den Zellmembranen, wo es um den kontrollierten, physikalischen Stoffaustausch zwischen innen und außen geht. In der dermatologischen Kosmetik kommen sie in lamellaren, dem Aufbau der Hautbarriere ähnelnden Cremes vor und sind die Voraussetzung für die Transportfunktionen von Liposomen und Nanodispersionen. Wichtigste Vertreter sind das Phosphatidylcholin (PC) aus Soja mit eingebauten essenziellen ω-6- und ω-3-Fettsäuren und die hydrierte, ebenfalls physiologische Version mit gesättigten Fettsäuren wie Stearin- und Palmitinsäure. PC wird unter anderem mit Erfolg in der indikationsbegleitenden Pflege bei Akne und zur Behandlung des trockenen Auges eingesetzt. Physiologisch bedeutsam sind auch die verwandten intrazellulären Sphingomyeline, in denen das Glycerin durch Sphingosin ersetzt ist. Während der Apoptose der Hautzellen werden aus ihnen die Barriere-stabilisierenden Ceramide gebildet.
Anionische Emulgatoren
Phosphorsäureester befinden sich auch unter den synthetischen Emulgatoren. Entsprechend typische, langkettige Alkohol-Komponenten sind z. B. Hexadecanol (C16) und Octadecanol (C18). Saure Ester wie das Hexadecylphosphat alias Cetylphosphat gehören zu den anionischen Emulgatoren, die durch Neutralisation mit Natrium- oder Kaliumhydroxid aktiviert werden.
Phosphonsäuren
Neben den Phosphorsäureestern mit Kohlenstoff-Sauerstoff-Phosphor-Bindungen (C-O-P) gibt es auch direkte Kohlenstoff-Phosphor-Verknüpfungen (C-P). Sie heißen Phosphonsäuren und können Bestandteil pflanzlicher und tierischer Organismen sein. Eine synthetische Variante ist die Etidronsäure alias 1-Hydroxyethan-(1,1-diphosphonsäure), die in Haarpflegemitteln und Seifen zur Wasserenthärtung und zum Abfang von Schwermetallspuren verwendet wird. Mit Diphosphonaten werden Osteoporose-Patienten behandelt. Eine Phosphonsäure ist auch das Herbizid Glyphosat, in dem die Phosphonsäure an die Aminosäure Glycin gebunden ist [N-(Phosphonomethyl)glycin].
Mundpflege Salze der Fluorphosphorsäure werden in der Mundpflege und dort speziell in Zahnpasta zur Kariesprophylaxe verwendet. Beispiele sind Ammonium-, Natrium-, Kalium- und Calcium-Monofluorphosphat. Dabei darf der Fluorgehalt 0,15% im Präparat nicht überschreiten. Weitere Einschränkungen gelten für Kinder unter 6 Jahren.
Kampfstoffe1
Zu den phosphorhaltigen Substanzen zählen viele tödliche Kampfstoffe, die über die Haut, die Atemwege oder oral aufgenommen werden. Die Nervengifte wirken bereits im µg-Bereich – wie die kürzlich wieder in die Schlagzeilen gekommenen Vertreter der Nowitschok-Gruppe. Charakteristisch für diese Substanzen sind Stickstoff-Phosphor- (N-P) und Fluor-Phosphor-Bindungen (F-P) oder Schwefel-Phosphor-Bindungen (S-P) wie bei dem VX-Kampfstoff des zweiten Weltkriegs. Dem Stickstoff-Lost, einem Kampfstoff des ersten Weltkriegs, strukturell ähnlich ist das aus dem Pharmabereich stammende, alkylierende Zytostatikum Cyclophosphamid.
1) blau: Nicht in der Publikation enthalten
Dr. Hans Lautenschläger |