Membranen sind in der Natur außerordentlich häufig anzutreffen. Sie bieten Schutz und stellen gleichzeitig ein Regulativ für den Stoffaustausch zwischen innen und außen dar. Verglichen mit modernen Stoffgeweben sind sie der Goretex der Natur. Der wichtigste Bestandteil der natürlichen Zellmembranen ist das Phosphatidylcholin, ein Stoff der chemisch gebundene Fettsäuren, Glycerin, Phosphorsäure und Cholin enthält. Die Fettsäuren können sich je nach Zelltyp unterscheiden. In Pflanzen sind es vorzugsweise ungesättigte, meist essenzielle Säuren wie Linolsäure, alpha-Linolensäure sowie die Palmitinsäure.
Abbildung 1: Ausschnitt aus einer Zellmembran (nach B. Alberts et al.: Molekularbiologie der Zelle, VCH-Verlagsgesellschaft)
Phosphatidylcholin wird seit langem in Form von Lecithin, in dem es zu ca. 20% enthalten ist, als Nahrungsergänzungsmittel verwendet. Auch das enthaltene Cholin ist für den Menschen essenziell. Es hat vielfältige Schutzfunktionen, unter anderem in der Leber gegenüber Zellgiften wie z. B. Alkohol. Für die Arbeit des Gehirns ist es unersetzlich. Mit hochauflösenden Elektronenmikroskopen und der Gefrierbruchtechnologie konnte gezeigt werden, dass sich Phosphatidylcholin auch außerhalb lebender Organismen immer gleich verhält: Es bildet in Wasser spontan zellförmige Körper aus, die unter dem Namen "Liposomen" bekannt wurden.
Liposomen: geballte Power
Für Kosmetik und Dermatologie haben Liposomen eine Reihe interessanter Eigenschaften:
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Sie besitzen eine Membranstruktur wie die Barriereschichten der Haut.
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Ihre Membranen lassen sich leicht in die Barriereschichten der Haut integrieren und verändern deren physikalische Struktur nicht.
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Sie führen der Haut essenzielle Fettsäuren und Cholin in gebundener Form zu. Die Einzelstoffe werden enzymatisch freigesetzt; Linolsäure fördert die Neubildung von Ceramid I, Cholin trägt zum Hautschutz bei.
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Da sie ihre Phosphocholingruppe auf Ceramide übertragen können, greifen sie in die Homöostase (Gleichgewicht) der Haut ein und können Verhornungsstörungen beeinflussen. Leichte Akneformen können mit guten Resultaten behandelt werden. In dieser Beziehung wirkt sich auch der Linolsäuregehalt positiv aus.
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Liposomen sind kleine Hohlkugeln (Vesikel), deren Hülle aus einer oder mehreren Phosphatidylcholin-Lipid-Doppelschichten bestehen. In den liposomalen Zellkörpern können andere kosmetische, meist wasserlösliche Wirkstoffe eingekapselt, geschützt und in die Haut transportiert werden.
Je nach Herstellung sind die Membranen der Liposomen kleiner oder größer (meist 100 - 300 Nanometer im Durchmesser; 1 Nanometer = 0,0000001 cm), ihre Hülle ist ein- oder mehrschalig (zwiebelartig) aufgebaut, wobei die Anzahl der Schalen nach heutigen Erkenntnissen die Speicher- und Transporteigenschaften wenig beeinflusst. In dieser Hinsicht ist nur der absolute Gehalt an Phosphatidylcholin in einem Liposomen-Präparat maßgebend.
Abbildung 2: Einschaliges Liposom (Modell)
Die Membranen der Liposomen verhalten sich gegenüber oberflächenaktiven Stoffen, zu denen Tenside (in Reinigungsmitteln) und Emulgatoren (in kosmetischen Cremes) gehören, wie die membranartigen Schichten der Hautbarriere. Sie werden konzentrationsabhängig zerstört. Daher sind Kombinationen konventioneller, emulgatorhaltiger Cremes mit Liposomen nicht sinnvoll. Liposomen sollten daher möglichst nur als Seren lokal angewandt werden oder mit anderen membranhaltigen Formulierungen (siehe unten) kombiniert werden.
Liposomen: So funktionieren sie
Liposomen fusionieren mit den Barriereschichten der Haut und entladen dort auch eingekapselte Wirkstoffe. Dabei erhöht sich lokal die Durchlässigkeit der Barriereschicht- Membranen und die Wirkstoffe können passieren. Umgekehrt erhöht sich vorübergehend der transepidermale Wasserverlust (TEWL), die Hautfeuchte wird erniedrigt. Langfristig unterstützt aber die im Liposomengrundstoff enthaltene Linolsäure die Ceramid I-Bildung und führt so zu einer Zunahme der Hautfeuchte. Bei Liposomen, die sich z. B. in einer Creme-Matrix befinden, müssen die Eigenschaften der betreffenden Creme hinzu addiert werden.
Nanopartikel: "fetter" Kern
Durch Zusatz von Ölen und Einsatz von Hochdruckhomogenisatoren kann man aus Liposomen die Bildung so genannter Nanopartikel (Nanoparts) erzwingen. Dabei handelt es sich um Partikel etwa gleicher Größenordnung wie Liposomen, die aber in ihrem Inneren keine Wasserphase, sondern eine Ölphase besitzen.
Abbildung 3: Nanopartikel (Modell)
In diesen Partikeln, die nur noch Einfachmembranen haben, können im Gegensatz zu den Liposomen fettlösliche Wirkstoffe verkapselt werden. Beispiele sind Vitamin A, Vitamin E, fettlösliche Derivate des Vitamin C, Nachtkerzenöl. Nanopartikel-Dispersionen haben eine wässrige Konsistenz, eignen sich daher hervorragend nicht nur für lokale Behandlungen, sondern auch als Lotionen, die frei von spreitenden Substanzen (Kriechöle) sind und eine außerordentlich hohe Fettung erzeugen. Dabei werden die fettenden Komponenten nicht an der Oberfläche abgelagert, sondern ziehen in die Barriereschichten ein. Ein großer Vorteil der Nanopartikel ist, dass sie frei von Emulgatoren sind. Dadurch werden die Fettbestandteile bei Kontakt der Haut mit Wasser nicht wieder ausgewaschen. Lotionen auf Nanopartikelbasis kommen mit einem Minimum an Hilfsstoffen aus, was insbesondere sensibler Haut sehr entgegen kommt.
Derma Membran Struktur
Ebenfalls emulgatorfrei und membranhaltig sind DMS (Derma Membran Struktur)-Cremes, die unter der mikroskopischen Vergrößerung nicht die bekannten tröpfchenförmigen Strukturen der emulgatorhaltigen Cremes zeigen, sondern durch schichtartig angeordnete Doppelmembranen gekennzeichnet sind. Neben dem membranbildenden Phosphatidylcholin - das in diesem Fall chemisch gebunden Palmitin- und Stearinsäure enthält - bestehen DMS-Cremes aus natürlichen Fetten, z. B. Sheabutter, Neutralölen (aus Palm- oder Kokosöl) und Olivenöl, Squalan, Ceramiden und Feuchthaltesubstanzen.
Abbildung 4: Emulgatorfreie DMS-Creme unter dem Elektronenmikroskop
Mehr Feuchtigkeit
Charakteristisch für DMS-Cremes sind z. B. Erhöhungen der Hautfeuchte, der Hautglättung, die auch nach mehreren Tagen noch messbar sind. Emulgatorhaltige Cremes zeigen dagegen nach dem Absetzen oft bereits nach einem Tag keinen oder sogar gegenteilige Effekte. Die langanhaltende Effizienz der DMS-Cremes ist wie bei Nanopartikeln auf den fehlenden Auswascheffekt zurückzuführen (siehe oben).
Abbildung 5: Konventionelle emulgatorhaltige Creme (Emulsion) unter dem Mikroskop
Während Liposomen und Nanopartikel mehr dem Wirkstofftransport dienen, haben DMS-Cremes ausgeprägte Hautschutzeigenschaften, die vor allem Personen mit Barrierestörungen zugute kommen. D. h. trockene und sensible sowie atopische Haut können mit sehr gutem Erfolg gepflegt werden. Für die kosmetische Behandlung ist es wichtig zu wissen, dass die Haut mit Liposomen und Nanopartikeln für die Passage der Wirkstoffe geöffnet, und mit DMS wieder geschlossen werden kann. So können Problemstellen lokal mit liposomalen Wirkstoffkonzentraten behandelt werden und nachfolgend mit DMS wieder geschützt werden.
Effektive Membranfamilie
Durch Kombination der Mitglieder der Membranfamilie lassen sich unterschiedlichste Hauttypen behandeln. Es bestehen inzwischen umfangreiche Rezeptursammlungen, die nicht nur in der Kosmetik, sondern auch in der Dermatologie Anwendung finden. Das resultierende "Baukastensystem" ermöglicht Instituten, mit wenigen Produkten auszukommen, die eigene Erfahrung einzubringen und die Behandlung individuell anpassen zu können. Bei gleichzeitiger Verwendung anderer Produkte sind einige Regeln zu beachten:
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Wirkstoffkonzentrate und Extrakte werden in Verbindung mit Liposomen stärker wirksam. Dies gilt z. B. für den grünen Tee-Extrakt.
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Konservierungsmittel und andere Kosmetikinhaltsstoffe mit allergenem Potenzial gelangen in Gegenwart von Liposomen ebenfalls leichter in tiefere Hautschichten. Diese Kombinationen sind daher zu vermeiden.
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Duftstoffe sollten in Gegenwart von Liposomen und Nanopartikeln möglichst nicht eingesetzt werden, da auch hier ein höheres Risiko der Sensibilisierung bei entsprechend veranlagter Haut besteht.
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Im Übrigen sind Hilfsstoffe auf ein Minimum zu begrenzen, da sie die Haut nur unnötig belasten.
Interessant sind die unterschiedlichen Einflüsse der einzelnen Vertreter der Membranfamilie auf den relativen Hautfeuchteverlauf. Die starke Zunahme der Hautfeuchte direkt nach der Applikation resultiert aus dem Wasseranteil der Präparate. Mit der Verdunstung des Wassers sinkt naturgemäß auch die Hautfeuchte. Reine Liposomen führen aufgrund der erhöhten Durchlässigkeit der Hautbarriere sogar vorübergehend zu vergleichsweise niedrigen Werten, während dieser Effekt bei Nanopartikeln durch den zusätzlichen Ölgehalt ausgeglichen wird. Bei DMS macht sich die hautschützende Eigenschaft durch eine signifikant höhere Hautfeuchte bemerkbar. Oleogele, also ölhaltige Gele mit einer DMS-ähnlichen, aber wasserfreien Zusammensetzung, zeigen dagegen eine kontinuierliche Zunahme der Hautfeuchte. Wegen ihres Gehaltes an Phosphatidylcholin ziehen sie sehr gut ein und eignen sich wie wasserhaltige DMS-Cremes auch zur Pflege neurodermitischer Haut. Die Anwendungen der Membranfamilie sind sehr vielfältig und unterstützen aufgrund ihres physiologischen Konzeptes nachhaltig die Pflege der sensiblen Haut und der Problemhaut.
Dr. Hans Lautenschläger |