Wirkstoffe sind das wichtigste Thema in der Hautpflege. Besonders hohe Dosierungen sind dabei ein häufiges Verkaufsargument. Die Realität zeigt jedoch, dass ein guter Wirkstoff und die hohe Dosierung nicht hinreichend sind für eine optimale Wirkung. Wenn der Transport an die Stellen, wo der Wirkstoff tatsächlich benötigt wird, nicht gewährleistet ist, verpufft die Wirkung an der Oberfläche. Beispiele gibt es viele, wo mit der äußerlichen Applikation eines hautidentischen oder ähnlichen Stoffes ein entsprechendes Defizit in der Haut ausgeglichen werden soll und somit mit einer entsprechenden Tiefenwirkung argumentiert wird. Heute steht zweifelsfrei fest, dass viele der Wirkstoffe auf der Hautoberfläche liegen bleiben. Der gewünschte Transport von Wirkstoffen von außen nach innen ist ein außerordentlich komplexer Vorgang. Die wichtigsten Faktoren werden nachfolgend erläutert. Kleinste Partikel Im Zusammenhang mit dem Transport von Wirkstoffen spielt seit geraumer Zeit die Diskussion um die Partikel-Größe eine dominierende Rolle. Begonnen hat dies bereits bei den Tröpfchengrößen der Emulsionen, die meist zwischen 20 - 1 μm, also 0,020 - 0,001 mm liegen. Durch Erhöhung der Emulgator-Konzentrationen kann man die Tröpfchengröße verringern, bis man schließlich zu Mikroemulsionen gelangt, in denen die Teilchengröße so klein wird, dass sie nicht mehr bestimmbar ist. Dabei handelt es sich im Extremfall um transparente Formulierungen, die zwar einen guten Transport von Wirkstoffen gewährleisten, jedoch in der Regel die Hautbarrierestruktur zerstören. Daher haben sich diese Präparate mit Ausnahme von nur kurzzeitig auf der Haut verbleibenden Reinigungsprodukten nicht durchgesetzt. Eine andere Strategie war der Einsatz der Nanotechnologie, d. h. die Verwendung von Teilchen in der Größenordnung von mehreren Nanometern (1 Nanometer = 1 nm = 0,000001 mm). Feste Nanopartikel aus Eisenoxid können z. B. in der Medizin selektiv in Tumorgewebe transportiert und dort von außen durch magnetische Wechselfelder erhitzt werden. Dadurch wird nur das Tumorgewebe geschädigt. Injektionen von Eisenoxid- Nanopartikeln sind jedoch nicht ganz nebenwirkungsfrei. Dies veranlasste das Nachrichtenmagazin Focus im Jahre 2004 zu einem Bericht, indem unter anderem spekuliert wurde, dass auch eine Gefahr von ultrafeinen (mikronisierten) mineralischen UV-Filter wie Titandioxid (Sonnenschutzmittel) ausgehen könnte. Während diese Annahme für pulverförmige lungengängige Stoffe nicht unbegründet ist, ist sie für flüssige und halbfeste Hautpflegemittel völlig aus der Luft gegriffen. Unlösliche Feststoffe, seien sie noch so klein, können die intakte Hautbarriere nicht durchdringen. Dies gilt im Übrigen auch für feste kosmetische Solid-Nanopartikel, die auf der Hautoberfläche verbleiben. Sie können mit Wirkstoffen beladen werden, die langsam freigesetzt werden. Die geringe Teilchengröße suggeriert auch hier, dass ein Transport der Partikel zwischen den abgestorbenen Korneocyten der Hornschicht vorbei und durch die Hautbarriereschichten hindurch stattfindet. Dies ist jedoch nicht der Fall. Solid-Nanopartikel bilden auf der Hautoberfläche einen Film, erzeugen dadurch eine gewisse Okklusivität und setzen gleichsam aus einem Depot Wirkstoffe in molekularer Form langsam frei. Die Okklusivität ist auch für die Erhöhung der Hautfeuchte verantwortlich. Da die Matrix der Solid-Nanopartikel nicht physiologische Stoffe wie mineralische Wachse und/oder Polymere enthält, werden die Trägerstoffe von der Haut nicht aufgenommen und liefern selbst keinen substanziellen Beitrag zur Hautpflege. Bei der Diskussion um Partikelgrößen ist die Feststellung nicht ganz unwichtig, dass die kleinsten relevanten Partikel Moleküle sind. D. h. in gelöster Form, z. B. in einer wässrigen Lösung, hat ein Wirkstoff die kleinste überhaupt mögliche Partikelgröße - nämlich das Molekül. Verglichen mit einem kosmetischen Nanopartikel von 100 nm ist es etwa 100 bis 1000-mal kleiner. Warum also nicht bei einer wässrigen oder vielleicht auch öligen Lösung bleiben? Undurchdringliche Hautbarriere Die Erfahrung zeigt, dass auch Bestandteile von Lösungen nur unzureichend durch das Stratum corneum penetrieren. Warum dies so ist, kann anhand der Struktur des Stratum corneums erklärt werden. Es besteht neben den abgestorbenen Hornzellen aus flächigen Barriereschichten, die eine typische Doppelschicht-Struktur aufweisen. Außen hydrophil, innen lipophil. Solche Schichten werden Bilayer genannt und sind auch typisch für Zellmembranen. In der Hornschicht bestehen sie in der Hauptsache aus Ceramiden, Cholesterin und Palmitinsäure im molekularen Verhältnis 1:1:1. Diese Schichten bilden – vorausgesetzt sie sind unversehrt - auch eine sehr schwer zu überwindende Barriere für Stoffe in Molekülgröße. Um die Barriereschichten mit Wirkstoffen zu durchdringen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine wurde oben im Zusammenhang mit Mikroemulsionen bereits genannt: Emulgatoren verändern die Struktur der Barriere durch ihre Oberflächenaktivität. Die Barriere wird durchlässig, in der Regel aber auch strukturell zerstört. Dies ist natürlich keine physiologisch praktikable Lösung, da die Barriere nach der Passage der Wirkstoffe wieder geschlossen sein muss, um ihre ursprüngliche Funktion aufzunehmen. Okklusive Filme machen die Barriereschichten ebenfalls durchlässiger. Soweit die Okklusivität durch Masken, die nur eine beschränkte Zeit auf der Haut verbleiben, bewerkstelligt wird, ist dagegen nichts einzuwenden. In anderen Fällen, wo hohe Konzentrationen von Petrolatum oder Mineralölen lange die Hautoberfläche versiegeln, kommt es durch die damit verbundene permanente Quellung des Stratum corneums zu Barrierestörungen und zu einer verzögerten Regeneration der Haut ("trockene Haut"). Barrierestörungen werden ebenfalls durch hochprozentig alkoholische Präparate erzeugt: Sie stören das osmolytische Gleichgewicht der Haut empfindlich. Gleiches mit Gleichem verträgt sich am besten Eine interessante Alternative sind Stoffe, die gleiche Strukturen wie die Barriereschichten aufbauen und sich mit Ihnen aufgrund der gleichen physikalischen Struktur verbinden. Zu Ihnen gehört der Baustoff der Zellmembranen, das native Phosphatidylcholin. Es fusioniert in Form von Liposomen, die den gleichen Aufbau wie Zellmembranen haben, spontan mit den Barriereschichten, ohne deren physikalische Struktur zu verändern. Die Barriereschichten werden "verflüssigt". Dadurch wird es den Wirkstoffmolekülen ermöglicht, durch die Barriere zu schlüpfen. Aufgelöst in den Barriereschichten entlassen Liposomen eingekapselte Wirkstoffe in tiefere Hautschichten. Dementsprechend sollten Liposomenprodukte weder Konservierungsmittel, Duftstoffe oder andere potenzielle Allergie-Auslöser enthalten. Selbstverständlich kann man durch Mikrodermabrasion und Peeling die Haut durchlässiger machen, da dadurch die Anzahl der Barriereschichten reduziert wird. Diese Verfahren haben allerdings den Nachteil, dass die regulierende Funktion des Hornschicht-Depots beeinträchtigt wird. Das heißt: Wirkstoffe fluten kurz und in hoher Konzentration an. Im Vergleich dazu werden Wirkstoffe aus durch Liposomen konditionierten (fluidisierten) Barriereschichten gleichmäßig über einen längeren Zeitraum entlassen. Neben den Liposomen kommen in der Kosmetik flüssige Nanopartikel zum Einsatz, die neben nativem Phosphatidylcholin noch Öl- oder Fettkomponenten enthalten. Sie werden für fettlösliche Wirkstoffe und vor allem auch bei trockener Haut genutzt. Im Gegensatz zu den festen Solid-Nanopartikeln enthalten sie in der Regel nur physiologisch verwertbare Bestandteile. Auch flüssige Nanopartikel werden anstandslos von den Barriereschichten aufgenommen. Die Effektivität lässt sich noch erhöhen Zum Schluss noch eine Bemerkung zu den Wirkstoff-Konzentrationen. Konzentration ist nicht alles. Wenn die Wirkstoffe gezielt an Ihren Wirkort transportiert werden, kann mit sehr kleinen Dosierungen gearbeitet werden. Die Effektivität kann noch erhöht werden, wenn die Wirkstoffe an Ort und Stelle aus einem "Prodrug" enzymatisch freigesetzt werden oder auf körpereigene Enzyme wirken, die ihrerseits eine Art Verstärkereffekt ausüben. Dr. Hans Lautenschläger Blau: unveröffentlichte Ergänzung |