Die bereits im Altertum bekannten, hervorragenden Heißkleber-Eigenschaften des Harzes dürften es nicht sein. Die botanische Einordnung von Boswellia in die Balsambaumgewächse (Burseraceae) verrät es: Weihrauch liefert einen Balsam.
Balsame1 sind definiert als hochviskose pflanzliche Ausscheidungen. Die harzreichen, wasserfreien Flüssigkeiten wie etwa Weihrauch, Benzoe, Myrrhe und Perubalsam enthalten
- etherische Öle,
- freie Säuren,
- aromatische Ester der Zimt- und Benzoesäure und aromatische Aldehyde.
Als Balsame bezeichnet man heute vielfach auch Salben, Oleogele und Cremes. Damit möchte man meist ein angenehm riechendes und beruhigendes Pflegeprodukt kennzeichnen. Das Anwendungsspektrum des Weihrauchharzes ist allerdings wesentlich breiter und umfasst
- Dermatologie und Hautpflege,
- chronisch-entzündliche Darmerkrankungen,
- rheumatische Erkrankungen,
- Luftwegserkrankungen,
- Tumore.
Dementsprechend verarbeitet man Boswellia in Salben (topisch, rektal), Cremes (topisch), Kapseln (peroral), Tabletten (peroral) und Zäpfchen (rektal). Der indische Weihrauch wurde als Monographie in das Europäische Arzneibuch (Ph. Eur.) aufgenommen. Der pharmazeutische Name lautet Olibanum. Allerdings gibt es trotz zahlreicher In-vitro- und In-vivo-Studien bis heute kein in der EU offiziell zugelassenes konventionelles Fertigarzneimittel auf Weihrauchbasis.2 Aufgrund der oben genannten Monographie werden jedoch in den Apotheken individuelle Rezepturarzneimittel angefertigt.Speziell in Rezepturarzneimitteln und in der Hautpflege dienen Boswelliaharz-Extrakte der Behandlung und unterstützenden Prävention von Hautstörungen sowie der adjuvanten Korneotherapie3, und zwar bei
- entzündlichen Hautreaktionen,
- Sonnenerythem,
- Bestrahlungen,
- Akne,
- Rosacea,
- perioraler Dermatitis,
- atopischer Haut und Barrierestörungen,
- aktinischer Keratose,
- Psoriasis.
Spätestens hier stellt sich die Frage nach den Inhaltsstoffen, ihren Wirkungen, in welchen Weihrauchqualitäten sie besonders vertreten sind und wie diese verarbeitet werden. Die Haupt-Weihrauchsorten sind:
- Boswellia serrata ("Indischer Weihrauch") kommt aus Indien und ist ein Bestandteil der ayurvedischen Volksmedizin.
- Boswellia sacra ("Arabischer Weihrauch") stammt vor allem aus Ägypten, Somalia, Oman und Jemen. Beim Verbrennen ("Räuchern") entsteht der charakteristisch riechende Rauch, der in verschiedenen Religionsgemeinschaften genutzt wird und den Namen "Weihrauch" geprägt hat.
- Boswellia carteri ist mit Boswellia sacra identisch.
Der Harzanteil beträgt bei Boswellia sacra bzw. carteri etwa 66%, während er bei Boswellia serrata bei etwa 56% liegt.4 Die Harze weisen eine Vielzahl von Komponenten auf, deren Gehalte je nach Provenienz und Alter der Bäume variieren. Es ist daher zuweilen schwierig, die veröffentlichten medizinischen und biochemischen Untersuchungsergebnisse miteinander zu vergleichen - zumal sich auch die Applikationen unterscheiden:
- Verwendung der naturbelassenen Harze
- Einsatz von Harzextrakten, die unterschiedlich hergestellt und weiterverarbeitet werden
- Durchführung von In-vitro- oder In-vivo-Studien
Harz als Wirkstoff
Es nicht ungewöhnlich, dass bei der Verfolgung der Wirkungen eines Naturproduktes - in diesem Fall der Harze - über Auszüge (Extrakte und Fraktionen) bis hin zu den isolierten Einzelsubstanzen Effekte und Synergien verloren gehen. Auch Dosis-Wirkungsbeziehungen müssen nicht unbedingt eine eindeutige Richtung haben. Weitgehende Einigkeit besteht darin, dass die folgenden Harzsäuren Wirkstoffcharakter besitzen:
- α- und β-Boswelliasäuren sowie deren in 3-Stellung acetylierten Derivate
- 3-Acetyl-11-hydroxy-β-boswelliasäure
- 11-Keto-β-boswelliasäure (KBA)
- 3-Acetyl-11-keto-β-boswelliasäure (AKBA)
Der Anteil von AKBA ist mit etwa 4% im Harz von Boswellia sacra am höchsten.4 Ein nicht saure Begleitkomponente ist das Incensol. Sein Acetat, das nur in Boswellia papyrifera5 vorkommt, zeigt in vitro antiinflammatorische Eigenschaften. In der Hautpflege verarbeitete Boswellia-Extrakte sind häufig standardisiert und enthalten zu etwa 75% organische Säuren. Darin enthalten sind 40% β-Boswelliasäure und 25% 3-Acetyl-11-keto-β-boswelliasäure. Diese Extrakte sind weitgehend frei von den ätherischen Ölen und Schleimstoffen der ursprünglichen Harze und erinnern daher nur wenig oder gar nicht an den originären, balsamisch riechenden Weihrauch. Während die Harze - wie oben erwähnt - ausgesprochenen Klebstoffcharakter aufweisen, sind die Extrakte aufgrund der hochmolekularen pentacyclischen Triterpen-Gerüste der Boswelliasäuren zwar häufig pulverförmig, aber ebenso schwerlöslich. Beides sind denkbar schlechte Voraussetzungen, um haptisch akzeptable Hautpflegepräparate mit wirksamer Dosierung herzustellen. Daher bedient man sich der Nanotechnologie:
- Bei festen Nanopartikeln6 7 werden die pulvrigen Trockenextrakte durch Mahl- und/oder Homogenisierungsverfahren zerkleinert und durch Hilfsstoffe in wässrigen Medien dispergiert und stabilisiert. Abhängig von der Zusammensetzung der Hilfsstoffe sind die Nanopartikel und ihre Dispersionen biologisch abbaubar oder nicht.
- Flüssige Nanopartikel8 werden durch Hochdruckhomogenisation aus standardisierten Extrakten und Phosphatidylcholin (PC), dem Hauptbestandteil biologischer Plasmamembranen, hergestellt. Sie sind biologisch abbaubar und fusionieren mit den Bilayern der Hautbarriere, aus der die Einzelbestandteile langsam kontrolliert freigesetzt werden.
Die Kombination mit Phospholipiden erhöht die orale Verfügbarkeit der Extrakte.9 Da PC bei Verhornungsstörungen wirksam ist, können die Nanodispersionen auch bei diesen Indikationen verwendet werden. Die Nanodispersionen lassen sich pur oder zusammen mit lamellaren, ebenfalls PC-haltigen Basiscremes auf die Haut auftragen.
Entzündungshemmende Substanzen
In dermalen Präparaten entfalten 11-Keto-β-boswelliasäure (KBA) und 3-Acetyl-11-keto-β-boswelliasäure (AKBA) entzündungshemmende Wirkungen, die unter anderem auf die in vitro gemessene Hemmung der 5-Lipoxygenase zurückgeführt werden.10 Das Enzym ist für die Bildung der entzündungsauslösenden Leukotriene verantwortlich. Auch über die Beeinflussung der Prostaglandin E2-Synthese wurde berichtet. Die Hemmung der Cyclooxygenase-1 (COX-1), mit der aus Arachidonsäure unter anderem Prostaglandine wie das PGE2 entstehen, kann eine der Ursachen sein. Prostaglandin E2 (PGE2) verändert lokal die Permeabilität von Gefäßen und löst so z. B. Hautrötungen aus. Allerdings kristallisiert sich mehr und mehr die Erkenntnis heraus, dass die entscheidende entzündungshemmende Aktivität der Boswellia-Extrakte aus der Hemmung verschiedener Proteasen resultiert. Dies erklärt vor allem die entzündungshemmende Wirksamkeit bei Rosacea, Psoriasis und bei Lichtschäden wie Sonnenbrand und aktinischer Keratose. Schäden durch Bestrahlung in der Krebstherapie gehören sinngemäß dazu, wenn die Haut das Durchgangsorgan ist. Vertreter dieser Proteasen sind vor allem das Catepsin G und die Leukozytenelastase. Catepsin G, eine Serinprotease, kann beispielsweise Matrixproteine wie Elastin und Kollagen abbauen. Das Catepsin G wird insbesondere von β-Boswelliasäure und von 3-Acetyl-β-boswelliasäure gehemmt.11 Die Hemmung der Proteasen erklärt die Effektivität von Boswellia-Nanodispersionen in der Pflege der zu Rosacea neigenden Haut.12 Bei Rosacea bauen Serinproteasen die natürlichen, antimikrobiell wirksamen Cathelicidine weitgehend ab - trotz ihrer höheren Expression. Der antimikrobielle Schutz reicht dann nicht mehr aus und es entstehen Entzündungen durch fakultativ pathogene Mikroorganismen der Hautflora und Keime exogener Provenienz. Bei der Neurodermitis sind es unter anderem die strukturbildenden Filaggrine, die entweder durch die pathogene, hohe Aktivität von Proteasen abgebaut oder aufgrund von Gendefekten nicht ausreichend gebildet werden.13 Auch bei Lichtschäden werden Proteasen aktiviert, die Collagen abbauen. Daher sind auch dort Präparate mit Boswellia wirksam.14 Eine weitere interessante Deutung der antientzündlichen Wirkung der Boswellia-Harzsäuren ist die Feststellung, dass der NFκB-Signalweg gehemmt wird.15 NFκB ist ein Transkriptionsfaktor, der bei Entzündungen aktiviert wird und für die Immunantwort zuständig ist - und somit auch bei Autoimmunkrankheiten von Bedeutung ist.
Fazit
Boswelliaharz-Extrakte besitzen eine Vielzahl antiinflammatorischer Wirkungen, die bis ins Detail noch nicht alle aufgeklärt sind. Die biochemische Relevanz der einzelnen Mechanismen wird zum Teil noch kontrovers diskutiert. Fest steht, dass die indikationsbezogene Hautpflege mit geeigneten Präparaten in der Praxis zu signifikanten Ergebnissen führt.
Die aus den Harzen durch Wasserdampf-Destillation gewonnen etherischen Öle, die für den charakteristischen Geruch der Harze verantwortlich sind, tragen zwar zum Wohlbefinden bei, leisten aber nach heutiger Erkenntnis keinen Beitrag zu pharmakologisch relevanten Wirkungen. Sie werden zu Duftölen oder Aromaessenzen verarbeitet, die in Kosmetika und zur Aromatherapie verwendet werden. Dabei ist die Provenienz des Harzes für die Duftnote entscheidend. Bei den Inhaltsstoffen handelt es sich hauptsächlich um niedermolekulare Terpene16 und wie eingangs erwähnt auch um aromatische Ester und Aldehyde.
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Dr. Hans Lautenschläger |