Peptide sind in der Natur als Bestandteile des Bindegewebes, der Nägel und Haare sowie als Botenstoffe und Hormone weit verbreitet. Man hat versucht, ihre Wirkungen in der Hautpflege zu nutzen, indem man Stutenmilch, protein- und antikörperreiche Vormilch (Kolostrum) sowie andere Milchprodukte als Ingredienzien in die Pflegepräparate eingebaut hat. Peptide aus Thymus, Epiphyse, Knorpel, Leber, Prostata, Herz und Hirn wurden synthetisch nachgestellt und in kosmetischen Cremes eingesetzt - in der Hoffnung, die Stoffwechselleistung in der reifen und atrophischen Haut zu verbessern, die Immunabwehr zu verstärken und das Altern der Haut aufzuhalten. Die Erfolge hielten sich in Grenzen und beschränkten sich im Wesentlichen auf die Erhöhung der Hautfeuchte, die oberflächliche Hautglättung und antioxidative Wirkungen1. Später wurden synthetische Peptide gefunden, die die Kollagensynthese stimulieren; sie sind als Matrikine bekannt geworden. Andere Oligopeptide, d. h. kleine Peptide mit niedriger Molmasse, beeinflussen die Synapsen der Muskeln mimischer Fältchen und lassen sich zur Faltenreduzierung verwenden.
Wirkung wie Hormone
Von großem Interesse sind körpereigene Peptide, die in kleinsten Mengen hormonartig wirken. Sie werden als Wachstumsfaktoren bezeichnet. Es werden immer wieder neue entdeckt und die Erkenntnisse über ihre Funktionen wachsen exponentiell. Wachstumsfaktoren werden durch unterschiedliche Reize gebildet, stimuliert oder ausgeschüttet. Die Wechselwirkungen mit ihren korrespondierenden Rezeptoren lösen in und an Zellen Signalkaskaden aus, die selektiv die Tätigkeit von Genen hoch-, herunterregulieren oder ganz desaktivieren. Der folgende Überblick zeigt beispielhaft einzelne hautrelevante Vertreter - eine Momentaufnahme aus einem spannenden Thema.
Fibroblast Growth Factor (FGF; Fibroblasten-Wachstumsfaktor) Beim FGF handelt es sich nicht um einen einzelnen sondern gleich um eine ganze Familie, die mittlerweile mehr als 20 Wachstumsfaktoren umfasst. Die Rezeptoren der FGFs befinden sich oberflächlich an den äußeren Zellmembranen und leiten nach dem Andocken der FGFs Signale in das Zellinnere weiter. Rezeptoren dieser Art nennt man auch Transmembranrezeptoren; die Zellen werden zur Teilung, Differenzierung oder auch zu Wanderung veranlasst. FGF-1 ist der prominenteste Vertreter dieser Familie. Er wirkt nicht nur auf die Vermehrung der Fibroblasten (Bindegewebszellen), die unter anderem für die Kollagensynthese zuständig sind, sondern auch auf die Endothelzellen, die die innere Oberfläche von Blutgefäßen auskleiden. Dadurch wird die Gefäßneubildung (Angiogenese) entscheidend beeinflusst. Die Wundheilung ist ein anderer wichtiger Aspekt für die Haut. Der Keratinocyte Growth Factor (KGF) ist synonym mit FGF-7. Dieser Faktor steuert die Epithelisation bei der Wundheilung, indem Keratinozyten die Wunde bedecken und das Epithel bilden - im Falle der Haut die Epidermis, ein Plattenepithel. Der Keratinocyte Growth Factor 2 ist identisch mit FGF-10.
Epidermal Growth Factor (EGF; Epidermaler Wachstumsfaktor) EGF stimuliert über seine Rezeptoren die Zellteilung und das Zellwachstum. Er unterbindet die Apoptose, d. h. den programmierten Zelltod. Dadurch kann er aber auch das Wachstum und die Metastasierung von Tumoren fördern.
Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF; Gefäßendothel-Wachstumsfaktor) VEGF löst während der embryonalen Entwicklung Gefäßneubildungen (Angiogenese) aus, indem er die Endothelbildung veranlasst. Er wirkt aber auch auf andere Zelltypen.
Transforming Growth Factor (TGF; Transformierender Wachstumsfaktor) TGF gehört zu den Zytokinen. Zytokine regulieren ebenfalls die Zellfunktionen und regen sie zu Differenzierung, Wachstum und Immunreaktionen an. Der TGF besteht wiederum aus mehreren Unterfamilien. TGF-α beispielsweise wird von Tumorzellen produziert, während TGF-β an der Wundheilung mitwirkt. Andere Wachstumsfaktoren vom Zytokin-Typ sind die Interleukine (IL). IL-1 entfernt beschädigte Zellen aus dem Bindegewebe, indem er Entzündungsprozesse verstärkt. Auch diese Gruppe zeichnet sich durch eine hohe Multifunktionalität aus. IL-1α stimuliert die Kollagensynthese in der Haut2.
Insulin-like Growth Factor (IGF; insulinähnliche Wachstumsfaktoren) IGF-1 ist ein Vertreter dieser Gruppe, der in die Krebsentwicklung, Zellproliferation und die Inhibition der Apoptose (programmierter Zelltod) eingebunden ist.
Melanocyte Stimulating Hormone (MSH) MSHs sind Signalmoleküle, die unterschiedliche biologische Vorgänge steuern. Das α-Melanozyten stimulierende Hormon (α-MSH) induziert beispielsweise die Bildung von Pigmenten3.
Platelet Derived Growth Factor (PDGF; aus Blutplättchen freigesetzter Wachstumsfaktor) PDGF unterteilt sich in mehrere Faktoren, die von den Blutplättchen freigesetzt werden und in die Wundheilung und Zellteilung von Fibroblasten eingreifen. Sie sind insbesondere in der embryonalen Phase anzutreffen.
Hepatocyte Growth Factor (HGF) HGF steigert unter anderem die Synthese von Kollagen durch Fibroblasten und beschleunigt die Zellteilung bei der Wundheilung.
Granulocyte Macrophage Colony-Stimulating Factor (GM-CSF) GM-CSF stimuliert wie die auch zu dieser Gruppe gehörenden Faktoren G-CSF und M-CSF die Entwicklung neutrophiler Granulozyten und Makrophagen, die beide zu den Phagozyten ("Fresszellen") zählen.
In vitro und in vivo...
Die aus biochemischen Beobachtungen resultierenden Folgerungen für kosmetische und dermatologische Anwendungen vernachlässigen in der Regel die komplexe Vernetzung der hormonell und signaltechnisch gesteuerten Abläufe untereinander. Die Stimulation oder Blockierung eines Faktors löst naturgemäß sekundäre Reaktionen aus, die im Einzelfall nicht gleichgerichtet sein müssen, sondern (an anderer Stelle) ausgleichend oder sogar kontraproduktiv sein können. Unkontrolliert eingesetzt können einzelne Faktoren sogar karzinogen wirken. Darüber hinaus ist die Multifunktionalität hormonartig wirkender Peptide zu berücksichtigen. Ähnlich, wie man es von den schon länger bekannten Prostaglandinen (hormonähnliche Fettsäuren) kennt, werden zum Teil unterschiedliche Wirkungen an den lokalen Zielrezeptoren ausgelöst. Die anhand von Zellkulturen ("in vitro") oder isolierten Geweben festgestellten Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung lassen nur bedingt Schlüsse auf den Gesamtorganismus ("in vivo") zu. Daher gibt es nur wenige, belastbare Aussagen darüber, was bei der äußerlichen Applikation eines kosmetischen Präparats mit Wachstumsfaktoren "in vivo" wirklich passiert und wie hoch die Signifikanz zu vergleichbaren Placebo-Produkten ist. Das Interesse beim Einsatz von Wachstumsfaktoren in Kosmetika konzentriert sich auf den Anti-Aging-Sektor und die Wundheilung4. Die Isolierung einzelner Faktoren erfolgt beispielsweise aus Stammzellen oder Zellkulturen. Andere werden synthetisch hergestellt.
Grenzen der Wirksamkeit
Von den in Kolostrum oder Stammzellenextrakten besonders hoch konzentrierten Wachstumsfaktoren, die für die Entwicklung tierischer und pflanzlicher Organismen wichtig sind, wird erhofft, dass sie bei der Behandlung von Erwachsenen zur "Langzeit-Rejuvenation" beitragen. Unbeantwortet bleibt, ob die in diesen Vielstoffsystemen identifizierten Wachstumsfaktoren überhaupt dorthin gelangen, wo sie benötigt werden. Bei den üblicherweise eingesetzten kosmetischen Emulsionen muss dies bezweifelt werden. Selbstverständlich zeigen Peptide als Substanzgruppe in Milchprodukten oder als Bestandteil pflanzlicher Stammzellenextrakte strukturell bedingte gute Pflegeeffekte5, insbesondere auch durch die Präsenz vieler anderer Komponenten wie Aminosäuren, Vitaminen, Isoflavonen, Kohlenhydraten und essenziellen Fettsäuren. Die Resultate lassen sich durch begleitende physikalische Effekte wie Radiofrequenzbehandlungen, Elektrostimulationen, mechanische Reize (Schockwellen, Ultraschall, Mikrodermabrasion etc.) sozusagen im Zeitraffer verstärken - was den Vorstellungen der Kunden an kosmetologischen und dermatologischen Behandlungen entgegenkommt. Die Frage bleibt offen, welchen Beitrag extern applizierte Wachstumsfaktoren dabei liefern.
Konventionelle Aktivierung
Bei den heute in "Cosmeceuticals" eingesetzten Wachstumsfaktoren wird eine Penetration über die geschädigte Hautbarriere, die Schweißdrüsen und die Haarfollikel vermutet6, da die Passage der intakten Hautbarriere aufgrund der hochmolekularen Peptidstrukturen praktisch unmöglich ist - es sei denn, man setzt Penetrationsverstärker wie etwa Liposomen ein. Im Zusammenhang mit dem schwierigen Transport exogener Wachstumsfaktoren und der zweifelhaften Ankunft am Zielort ist es von Interesse, wie man endogene Wachstumsfaktoren von außen stimulieren kann. Um einige Beispiele zu nennen:
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Sodium Ascorbyl Phosphate oder Ascorbyl Palmitate passieren in Liposomen- bzw. Nanodispersionen die Hautbarriere und regen das Kollagenwachstum an.
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Vitamin A (Retinol) stößt Zellwachstum und Kollagensynthese an. In Verbindung mit penetrationsfördernden Nanodispersionen sind regenerierende Vitamin-A-Säure-Effekte zu beobachten.
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Die Repigmentierung bei Vitiligo wird von Vitamin-D-Analoga und UV-Licht beschrieben.
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D-Panthenol regt bei Verletzungen die Zellproliferation an.
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Sonnenhut- und Mäusedornextrakte stabilisieren kapillare Blutgefäße.
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Fruchtsäurebehandlungen und Mikrodermabrasion setzen regenerative Mechanismen in Gang.
In all diesen Fällen werden endogene Wachstumsfaktoren aktiviert. Wie und welche - dürfte bis ins letzte Detail oft ungeklärt sein. Fest steht aber, dass es für diese "Aktivatoren" viel einfacher ist, die Hautbarriere zu überwinden, während der Transport hochmolekularer Peptide außerordentlich schwierig ist. Die Anregung endogener Wachstumsfaktoren und deren störungsfreies Funktionieren setzt allerdings die Präsenz essenzieller physiologischer Komponenten voraus, was bei Problemhäuten manchmal nicht der Fall ist. So kann es etwa an Vitaminen, speziellen Fett- und Aminosäuren sowie Spurenelementen mangeln. Dies ist primär bei der Wahl der Inhaltsstoffe kosmetischer Präparate zu berücksichtigen. Die wiederholte "harte" Beanspruchung regenerativen Wachstums mittels Fruchtsäuren oder anderen Formen des chemischen Peelings kann erfahrungsgemäß kontraproduktiv sein und zu irreparablen Schäden in der Haut führen. So scheint es zwischen häufigen Fruchtsäurepeelings und der späteren Ausprägung einer Rosacea einen Zusammenhang zu geben. Die physikalische Parallele sind wiederholte Strahlenschäden durch das Sonnenlicht, die zu vorzeitiger Hautalterung führen. Moderate Verfahren wie Massagen (mechanischer Reiz), Radiofrequenz- und Infrarottherapie sowie Wärme- und Kältebehandlungen sind die sanften Alternativen, mit denen sich nachweislich endogene Wachstumsfaktoren stimulieren lassen.
Man darf auf weitere Forschungsergebnisse gespannt sein, sollte aber bei aller Euphorie die Rahmenbedingungen des Hautorgans nicht außer Acht lassen. Wunder sind wünschenswert aber selten.
Literatur
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H. Lautenschläger, Peptide - mehr als Botenstoffe und Hormone, Kosmetik International 2007(9), 14-17
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Pomytkin I, Interleukin-1 Alpha, ein für die Hauterneuerung zentrales epidermales Zytokin, SÖFW-Journal 135 (9), 41-46 (2009)
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Böhm M, Luger TA, α-Melanocyten stimulierendes Hormon, Der Hautarzt 2010 (6), 497-504
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R. C. Mehta, R. E. Fitzpatrick, Cosmeceutical Science in Clinical Practice, New York 2010, Informa Healthcare, Chapter 4: Growth Factors, p 26-31
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H. Lautenschläger, Spezielle Wirkstoffe und Grundlagen in der Korneotherapie, Kosmetische Medizin 2004 (2), 72-74
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R. C. Mehta, R. E. Fitzpatrick, Endogenous growth factors as cosmeceuticals, Dermatologic Therapy 2007 (20), 350-359
Dr. Hans Lautenschläger |