Stoffwechsel, Funktionen und Entwicklung unseres Körpers werden durch Enzyme und Botenstoffe gesteuert. Unter den Botenstoffen spielen neben endogenen Neurotransmittern und Hormonen inklusive Wachstumsfaktoren in geringerem Umfang auch exogene Pheromone und Phytohormone eine Rolle. Die Phytohormone stehen schon seit längerer Zeit im Fokus der Anti-Aging-Hautpflege.
Hormone
Bei Hormonen unterscheidet man die lokal wirksamen, die sich wie etwa die Prostaglandine aus den Metaboliten essenzieller Fettsäuren ableiten, dann Stoffe wie das Acetylcholin, das aus Aminosäuren stammt, sowie Hormone mit Peptid- und Steroidgerüst. Zu den Steroidhormonen gehören unter anderem:
- Progesteron (Gelbkörperhormon), dessen Vorstufe das Cholesterin ist,
- Östradiol alias Estradiol,
- Testosteron und sein Abbauprodukt, das Androstenon – eine typische Komponente des männlichen Schweißgeruchs.
Vom Kleinkind über die Pubertät und Menopause bis hin ins hohe Alter verändern sich die Anteile der vom Körper produzierten Hormone. So steigt die Produktion des Östradiols bei Frauen zusammen mit anderen Östrogenen vor und während der Pubertät an und geht im Klimakterium auf einen Bruchteil zurück. Um die mit dem Klimakterium verbundenen Auswirkungen wie Kopfschmerzen, Hitzewallungen und Reizbarkeit zu mildern, wurde unter anderem die Hormonersatztherapie entwickelt. In diesem Zusammenhang stellte man fest, dass asiatische Frauen viel weniger als ihre europäischen Artgenossinnen unter den Wechseljahren leiden. Beim näheren Hinsehen ließ sich eine der Ursachen ausmachen, nämlich die Ernährung auf Basis von Sojaprodukten, die polyphenolische Bestandteile enthält.
Polyphenole
Polyphenole sind in der Regel farbige, in Früchten vorkommende Verbindungen mit antimikrobiellen und antioxidativen Eigenschaften, die wie das Quercetin als natürliche Lebensmittelfarbstoffe verwendet werden. Das Resveratrol des Rotweins gehört auch in diese Gruppe. Eine Besonderheit des Soja, aber unter anderem auch des bei uns bekannten Rotklees, ist sein Gehalt an Flavonoiden. Das sind Polyphenole, die räumlich gesehen aus drei Ringen bestehen, aus deren unterschiedlicher Verknüpfung Flavone und Isoflavone resultieren.
Isoflavone
Die Isoflavone haben eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Estradiol, wenn man sie wie im Fall des Genestein nebeneinander legt:
Oestradiol Genestein (Isoflavon)
Wie andere Signalstoffe benötigen die Hormone für die Ausübung ihrer Regulierungsfunktionen Andockstellen (Rezeptoren), die biochemische Reaktionen auslösen. Rezeptoren sind also eine Art Schloss, in das ein Schlüssel (Hormon) passen muss, damit die Tür aufspringt.
Da der Schlüssel im Falle der Isoflavonoide aber nicht hundertprozentig passt, lässt sich die Tür nur zu einem Bruchteil öffnen. D. h. die hormonelle Wirkung der Isoflavonoide ("Phytohormone"), die neben dem Genestein weitere Vertreter wie das Daidzein und methylierte Verbindungen wie Formononetin und Biochanin A umfassen, ist um mehrere Größenordnungen kleiner als die des Estradiols. Mehr noch, Isoflavone werden völlig anders abgebaut (metabolisiert) als körperliche Hormone und sind frei von Nebenwirkungen.
Anti-Aging
Diese Eigenschaften machen Isoflavonoide für die Hautpflege interessant. Denn sie sind in kosmetischen Präparaten nur lokal wirksam und systemisch nicht verfügbar. Dementsprechend fallen sie auch nicht unter "Stoffe mit östrogener und gestagener Wirksamkeit" und "Antiandrogene mit Steroidgerüst", die in der Liste der verbotenen Stoffe der Kosmetikverordnung aufgeführt sind. Kosmetisch rechnet man die Isoflavone zu den Anti-Aging-Wirkstoffen innerhalb der Cosmeceuticals. Cosmeceuticals sind nicht genau definiert, meist aber intensiver untersucht als viele andere kosmetische Wirkstoffe. Dies gilt auch für Soja- und Rotklee-Extrakte, die eine Reihe interessanter Effekte zeigen:
- Isoflavone stimulieren die Kollagensynthese und verzögern den Kollagenabbau.
- Die durch Testosteron verstärkte Tätigkeit der Talgdrüsen wird gedrosselt. Die Anti-Akne-Wirkung wird durch den Carrier Phosphatidylcholin synergistisch verstärkt.
- Der lokale, schwach östrogenartige Effekt führt allgemein zu einer Hautglättung, wie man sie ähnlich bei Schwangerschaften beobachten kann.
- Das Wachstum der Oberlippenhärchen bei Frauen wird gehemmt.
- In-vitro-Befunde sprechen für eine Hemmung der Steroid-5α-Reduktase, deren Aktivität für den Haarausfall bei Männern verantwortlich gemacht wird. Bemerkung: Für die wichtigsten Flavone des Grünen Tees, Epicatechin-3-gallat und Epigallocatechin-3-gallat (EGCG) ist diese Wirkung erwiesen.
- Studien lassen vermuten, dass Isoflavone in der Lage sind, die Aromatase zu hemmen. Die Hemmung des Enzyms, das Androgene in Östrogene umwandelt, ist Teil der Behandlung des weiblichen Brustkrebses. Hohe Spiegel an Isoflavonen im Blutplasma korrelieren statistisch betrachtet mit einer geringeren Brustkrebs-Häufigkeit.
- Neben antioxidativer und antimikrobieller Wirkung wird auch über die Anregung der Mikrozirkulation berichtet.
Einschränkend ist zu bemerken, dass viele Studien, die sich mit der Wirkung von Phytohormonen beschäftigen, auf in-vitro-Resultaten beruhen. Fehlende Korrelationen zur in-vivo-Realität werden auch hier im täglichen Marketing kosmetischer Produkte gerne übersehen.
Variable Pflanzenextrakte
In Extrakten findet man je nach Provenienz und Aufarbeitung neben den Isoflavonen ihre Glykoside, in denen Zuckermoleküle an die phenolischen Gruppen der Isoflavone gekoppelt sind. Sie zeichnen sich durch eine gute Wasserlöslichkeit aus. Ihre Bezeichnungen sind zum Verwechseln ähnlich und lauten dann z. B. Genestin und Daidzin, wenn es sich bei dem Zucker um Glucose handelt. Auf die Wirkung hat dies wenig Einfluss, mehr auf die Art der kosmetischen Verarbeitung. Generell führt die Kombination mit Phosphatidylcholin zu einer erhöhten Verfügbarkeit, die auf eine temporäre Fluidisierung der Hautbarriere zurückzuführen ist.
Endokrine Disruptoren?
Als endokrine Disruptoren (EDC) bezeichnet die WHO exogene Stoffe oder Gemische, die Veränderungen im Hormonhaushalt bewirken – und zwar im einzelnen Organismus, seinem Nachwuchs oder in einer Population – und so die Gesundheit beeinträchtigen oder schädigen. Naturgemäß fallen auch die Isoflavone in die Kategorie der endokrin wirksamen Stoffe. Allerdings gibt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) für die Isoflavone Entwarnung. Laut EFSA fehlen Hinweise, die eine schädigende Wirkung auf Brust, Gebärmutter und Schilddrüse postmenopausaler Frauen betreffen. Dabei wird von einer Aufnahme von 35 bis 150 mg Isoflavonen täglich durch Nahrung und Nahrungsergänzungsmittel ausgegangen. Im Gegenteil: Die schwache Östrogenwirkung dient möglicherweise der Prävention von Brustkrebs. Eine aktuelle, vorläufige SCCS-Stellungnahme (SCCS = Scientific Committee on Consumer Safety) zu Daidzein stellt jedoch fest: Fehlende Mutagenitätsdaten lassen eine endgültige Bewertung derzeit nicht zu. Damit besteht die Gefahr, dass alle Soja-basierten Extrakte, die von Natur aus Daidzein enthalten, als nicht sicher angesehen werden könnten.
Kaviar & Co.
Abschließend ist zu berichten, dass es eine Vielzahl von kosmetischen Präparaten wie Frischzellenextrakte, Kaviar-Liposomen, Kolostrum- und Ei-Produkte gegeben hat, die unterschwellig auch auf hormonähnliche Effekte abzielten. Sie haben aber durch das Verbot von "Produkten mit Zellen, Gewebe sowie Erzeugnissen menschlichen Ursprungs" und die Diskussion um tierische Wirkstoffe an Bedeutung verloren. Die auf Rezept erhältlichen pharmazeutischen Hormoncremes mit lamellarer DMS-Struktur haben jedoch nach wie vor Hochkonjunktur.
Dr. Hans Lautenschläger |