Phosphor ist in der Phosphorsäure der Körperflüssigkeiten, in ihren Salzen wie den Phosphaten der Knochensubstanz und des Zahnschmelzes und in Phosphorsäureestern enthalten, zu denen Nukleotide und Phospholipide gehören. Phospholipide sind Verbindungen mit Fettcharakter, die fast überall dort in der Natur vorkommen, wo Membranen oder Transportvehikel für den Stoffwechsel notwendig sind:
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Zellmembranen der Menschen, Tiere und Pflanzen
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Virale Membranen wie beispielsweise des HI-Virus
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Intrazelluläre Membranen wie in den Mitochondrien
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Membranen der Chylomikronen, die Nahrungsfette aus dem Darm in die Lymphgefäße und die Blutbahn transportieren
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Transport-Lipoproteine des Blutkreislaufs
Eine Sonderstellung besitzen Etherphospholipide wie der Platelet Activating Factor (PAF), der ähnlich einem Hormon unter anderem Blutgerinnung, Blutdruck und Lungenfunktion beeinflusst, und die Plasmalogene, die für Muskeln (Herz) und Gehirn unentbehrlich sind. Das aus Phosphatidylglycerin (PG) abgeleitete Cardiolipin (CL) ist ein Bestandteil der intrazellulären Membranen der Mitochondrien. CL-Anormalitäten haben Störungen von Stoffwechselvorgängen zur Folge.
Lecithin
Die Hauptquelle der auch als Nahrungsergänzungsmittel verwendeten Phospholipide ist das Lecithin. Lecithin ist primär ein Abfallstoff aus der Sojaölgewinnung und fällt dort als dunkelbrauner, öliger Schlamm an, der zu Rohlecithin verarbeitet wird und nach weiteren Reinigungsschritten als hellbraunes bis gelbliches Granulat in den Handel kommt. Lecithin enthält verschiedene Phospholipide:
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Phosphatidylcholin (PC)
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Phosphatidylethanolamin alias Kephalin (PE)
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Phosphatidylinositol (PI)
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Phosphatidylserin (PS)
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Phosphatidylglycerin (PG)
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Phosphatidsäure (PA)
Lecithin ist ein guter und viel genutzter anionischer Lebensmittelemulgator (E 322) - aufgrund des Gehaltes an Phosphatidylinositol, -serin, -glycerin und Phosphatidsäure. In dieser Funktion wird Lecithin unter anderem zur Herstellung von Mayonnaise, Backhilfsmitteln und Schokolade verwendet. Auch konventionelle Emulsionen kosmetischer Cremes lassen sich mit Lecithin stabilisieren. Die erste Isolierung von Lecithin erfolgte allerdings nicht aus Soja, sondern aus dem Eigelb, das im Griechischen "lekithos" heißt und dem Lecithin seinen Namen gab. Zusätze von Eigelb verliehen Shampoos vor der Ära der Quats (quartäre Ammoniumsalze) ihre konditionierenden Eigenschaften: Das Haar lädt sich nach dem Waschen nicht auf. Für die antistatischen Eigenschaften des Eigelbs ist hauptsächlich das Phosphatidylcholin (PC) verantwortlich. PC erreicht im Sojalecithin einen Gehalt von bis zu 30% und ist das zurzeit für die Hautpflege wichtigste Phospholipid.
Phosphatidylcholin (aus Soja)
Die Anreicherung und Isolierung von PC aus Sojalecithin ist ein komplexer und aufwendiger Prozess, bei dem Extraktionen und Flüssigkeitschromatographie zur Anwendung kommen. Pflanzliches PC aus Soja wird gegenüber Ei-PC in der Hautpflege bevorzugt:
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Im Gegensatz zum PC aus Ei, das ca. 45% Ölsäure, ca. 30% gesättigte Säuren (Palmitin- und Stearinsäure) und nur etwa 18% Linolsäure enthält, dominiert im PC aus Soja mit 65% ein hoher Linolsäure-Anteil (essenzielle ω-6-Fettsäure).
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Die Linolsäure kann nach enzymatischer Abspaltung vom PC in das barriereaktive Ceramid I des Stratum corneums eingebaut werden, wodurch sich eine gestörte Hautbarriere regenerieren kann.1
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Ein anderer Teil der Linolsäure wird durch die 15-Lipoxygenase (15-LOX) zuerst zur 13-Hydroperoxy-9,11-octadecadiensäure (13-HPODE) peroxidiert und dann zur 13-Hydroxy-9,11-octadecadiensäure (13-HODE) reduziert. 13-HODE wirkt entzündungshemmend.2
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Neben Linolsäure enthält PC aus Soja etwa 6% α-Linolensäure (essenzielle ω-3-Fettsäure), die in der Haut durch 15-LOX über 13-Hydroperoxy-9,11,15-octadecatriensäure (13-HPOTrE) zur 13-Hydroxy-9,11,15-octadecatriensäure (13-HOTrE) umgewandelt wird, die ebenfalls antientzündlich wirkt.2
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Bei Akne verflüssigt die Linolsäure des PC das Sebum und wirkt sebumsuppressiv. Verhornungsstörungen an den Talgdrüsenausgängen normalisieren sich. Nach 4-wöchiger Behandlung mit reinem PC werden die Komedonen und Effloreszenzen bei Akne vulgaris ersten und zweiten Grades im klinischen Halbseitenversuch bis zu 70% reduziert.3 Auch die Verhornung von Narben wird gemindert.
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Phosphatidylcholin hilft, Leberschäden bei Vergiftungen, beispielsweise durch Alkohol und chlorierte Lösungsmittel zu verzögern. Auch Fetteinlagerungen werden verhindert. Fehlt Cholin, tritt bei isolierten Leberzellen und anderen Zellen Apoptose ein.4,5 Eine ähnliche Schutzwirkung wird in Hautzellen bei exogenen Noxen vermutet. Kombinationen von PC und Coffein werden bei Cellulite verwendet.6
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In der Haut liegt PC im Gleichgewicht mit Sphingomyelinen, aus denen bei der Apoptose der Hautzellen die Ceramide entstehen. Daher ist bei topischer Applikation von PC häufig eine Veränderung des Hautbildes zu beobachten.7,8 In der Regel wird die Haut feinporiger. Man erreicht mit geeigneten Zusammensetzungen auf unspektakuläre und nicht irritierende Weise innerhalb von 3-4 Wochen einen hohen Regenerationsgrad.
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Inwieweit die Phosphorzufuhr durch Phospholipide bei der Hautpflege eine Rolle spielt, ist bisher unbekannt.
Oft wird die Frage gestellt, ob genmanipuliertes Soja einen Einfluss auf die PC-Zusammensetzung hat. Die komplexe Analytik liefert dafür bis jetzt keinerlei Hinweise. Das Fettsäurespektrum ändert sich nicht.
Liposomen und Nanodispersionen
Reines PC bildet im Gegensatz zu Lecithin in wässriger Umgebung keine Emulsionen - also weder als Öl in Wasser (O/W) noch als Wasser in Öl (W/O) - sondern spontan zellförmige Körper. Sie wurden erstmals von Alec Douglas Bangham entdeckt9 und später Liposomen genannt.10 Man könnte meinen, PC hat ein Gedächtnis, denn unter Gleichgewichtsbedingungen sind die Zellgröße und die Zusammensetzung der typischen Doppelmembranen mit denen der pflanzlichen Zellen, aus denen sie stammen, identisch. Liposomen sind also keine artifiziellen, künstlichen Körper, sondern eine natürliche Anordnung von PC-Molekülen in Wasser. Während man Emulsionen bereits mit Mikroskopen geringer Auflösung erkennen kann, benötigt man für Liposomen hochauflösende Elektronenmikroskope. Der Innenraum der Liposomen kann wasserlösliche (hydrophile) Substanzen aufnehmen. Auf diese Weise entsteht ein Carrier für Feuchthaltefaktoren, Vitamine und Extrakte. Allerdings muss man sich von der Vorstellung lösen, Liposomen könnten die Hautbarriere durchdringen. Stattdessen fusionieren sie mit der ebenfalls doppelmembranartig aufgebauten Hautbarriere und fluidisieren diese für kurze Zeit, sodass die eingekapselten Wirkstoffe leichter penetrieren können.11 Liposomen werden durch Emulgatoren konzentrationsabhängig zerstört. Daher wird ihre Bildung aus Lecithin auch durch anionenaktive Phospholipide (siehe oben) verhindert. Kosmetische Präparate mit der PC-typischen Membranstruktur gelten als emulgatorfrei - eine Betrachtungsweise, die physiologisch Sinn macht. Denn wer würde schon behaupten, dass die Zellverbände der Lebewesen aus Emulsionen bestehen. Auch die eingangs beschriebenen Chylomikronen (Durchmesser: 180-500 nm) lassen sich mit PC nachstellen und in der Kosmetik zum Transport fettlöslicher Wirkstoffe nutzen. Es entstehen biologisch abbaubare flüssige Nanodispersionen, deren einzelne Partikel (100-200 nm) eine Einfachmembran aus PC und einen lipophilen Innenraum besitzen. Die Fusionierung mit der Hautbarriere und die Freisetzung fettlöslicher Vitamin, pflanzlicher Öle und anderer lipophiler Stoffe geschieht analog wie bei den Liposomen.
Lamellare Cremes
Phosphatidylcholine wie Dipalmitoylphosphatidylcholin (DPPC) oder hydriertes PC (PC-H), die statt ungesättigter Säuren in ihrer Fettsäurebesetzung gesättigte Säuren wie Palmitin- und Stearinsäure aufweisen, sind ebenso physiologisch, werden jedoch halbsynthetisch hergestellt. Sie haben die interessante Eigenart, ähnlich wie die Hautbarriere12 planare statt zellförmige Doppelmembranen zu bilden. Mit ihnen kann man lamellare Cremes herstellen, die sich insbesondere für den Hautschutz eignen.13,14 Sie stabilisieren den transepidermalen Wasserverlust (TEWL) auf einem natürlichen Niveau und zeichnen sich gegenüber üblichen emulgatorhaltigen Präparaten durch einen minimalen Auswaschverlust von Pflegestoffen und hauteigenen Schutzstoffen aus.15 Lamellare Cremes sind das Mittel der Wahl für Problemhaut wie etwa atopische Haut, die empfindlich auf Emulgatoren reagiert. Die Cremes vertragen sich mit vielen, physiologischen, fett- und wasserlöslichen Wirkstoffen und können individuell angepasst werden.16 Die Wirkstoffe werden wie aus einem Depot langsam und gleichmäßig freigesetzt. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass sowohl PC-H als auch PC an keratinhaltige Hautstrukturen binden - ein Effekt, der auch die beschriebene Konditionierung der Haare erklärt. Lecithin und PC inaktivieren mehr oder weniger alle Konservierungsstoffe des Anhangs der Kosmetikverordnung (KVO).17 Präparate auf ihrer Basis werden daher in der Regel konservierungsstofffrei hergestellt, was ihren physiologischen Stellenwert noch weiter unterstreicht. Ein interessanter Schutzeffekt von PC lässt sich auch bei einer empfindlichen Magenschleimhaut beobachten: Nichtsteroidale Entzündungshemmer und Schmerzmittel (NSAID) werden besser vertragen, wenn man sie zusammen mit Lecithin oder PC zu sich nimmt. Übrigens: Eine der Hauptwirkungen der entzündungshemmenden Corticoide besteht darin, die Abspaltung von Arachidonsäure durch die Phospholipase A2 aus dem körpereigenen PC zu hemmen. Pflanzliches PC enthält keine Arachidonsäure. Das Cholin des PC gilt als Substrat für das Acetylcholin, das als Neurotransmitter für Hirn (Gedächtnis) und Nerven essenziell ist. Darüber hinaus ist es ein wichtiger Methylgruppenüberträger im menschlichen Stoffwechsel. Phosphatidylcholin hat sich fest in der dermatologischen Kosmetik und der Korneotherapie etabliert.18 Man darf gespannt sein, ob auch PI für die Mikrozirkulation, PS für Gesichtsmasken und Glycerophosphatidylcholin (GPC) als Moisturizer in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
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Dr. Hans Lautenschläger |