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Phosphate: Power-Lieferanten für Haut und Haar

 

Leben ohne Phosphor, das ist undenkbar! Pflanzen schließen mit ihren Säuren phosphathaltige Gesteine und Böden auf und resorbieren die darin enthaltene Phosphorsäure. Der Mensch nimmt das Element dann über die Nahrungskette auf.

 

Aus Sicht der Chemie ist Phosphor (P) mit dem Stickstoff (N) verwandt. Im Gegensatz zum gasförmigen, reaktionsträgen Stickstoff ist der feste Phosphor sehr reaktiv und kommt daher in der Natur praktisch nur in Form seiner Sauerstoffverbindungen (Phosphorsäuresalze) vor.
Phosphorsäure ist eine anorganische Säure, die als Säuerungsmittel (E 338) in Lebensmitteln wie Cola-Getränken vorkommt. Die Säure bildet mit Metallen drei verschiedene Salze: Phosphate, Hydrogenphosphate und Dihydrogenphosphate. Mischungen dieser Salze dienen oftmals als Puffer in wässrigen Medien. Als Puffer bezeichnet man Salzlösungen, deren pH (Maß für den sauren bzw. basischen Charakter) sich bei Säure- oder Base-Zusätzen kaum verändert. Puffer in Kosmetika sind wichtig, wenn während der Lagerung langsam Säuren oder Basen entstehen - z. B. durch Esterspaltungen oder Hydrolyse von Harnstoff. Diese Säuren oder Basen - im Falle von Harnstoff bildet sich Ammoniak - werden durch den Puffer abgefangen und die Präparate werden somit stabilisiert.

Keine Radikal-Kettenreaktionen

Eine weitere wichtige Eigenschaft der Phosphorsäure ist die indirekte Antioxidans-Wirkung. Indirekt deshalb, weil sie nicht wie bei Vitamin C oder Vitamin E durch eine direkte Reaktion mit Luftsauerstoff oder freien Radikalen erfolgt. Vielmehr bildet Phosphorsäure mit Schwermetallen wie Eisen unlösliche Salze oder inaktive Komplexe. Eisen-Ionen, die in Spuren überall vorkommen, gelangen spätestens bei der Creme-Entnahme mit dem bloßen Finger aus den Kosmetiktiegel. Sie sind der Hauptauslöser für die Bildung hochreaktiver Hydroxy-Radikale, die das Ranzigwerden von ungesättigten Fetten bewirken. Die Initialzündung der zugrunde liegenden Radikalkettenreaktion erfolgt durch Reaktion des Eisens mit Sauerstoff in Gegenwart energiereicher Strahlung, z. B. Sonnenlicht. Die gleichen Radikale entstehen, wenn Eisen-Ionen in der Haut auf Wasserstoffperoxid treffen (Fenton-Reaktion). Daher sind die physiologischen Phosphorsäuresalze auch für die Hautpflege nützlich. Man findet Sie in der INCI z. B. als Disodium Phosphate (Natriumsalz) und Potassium Phosphate (Kaliumsalz).
Phosphorsäure und Phosphate kommen gelöst in unseren Körperzellen vor. Ein unlösliches Salz ist der calciumreiche Hydroxylapatit, der unsere Knochensubstanz bildet und Teil des Zahlschmelzes ist. Unlösliche Salze sind ebenso das in Makeup-Präparaten vorkommende Manganammoniumdiphosphat, ein Violettpigment (CI 77 742), und das Manganphosphat, ein Rotpigment (CI 77 745).
Salze der Fluorphosphorsäure werden in der Mundpflege und dort speziell in Zahnpasta zur Kariesprophylaxe verwendet. Beispiele sind Ammonium-, Natrium-, Kalium und Calcium-monofluorphosphat. Dabei darf der Fluorgehalt einen Wert von 0,15% im Präparat nicht überschreiten. Weitere Einschränkungen gelten für Kinder unter 6 Jahren.
Durch die Verknüpfung von langkettigen Fettalkoholen mit Phosphorsäure entstehen saure Phosphorsäureester. Ein Beispiel ist das Cetylphosphat. Cetylalkohol alias Hexadecanol ist ein natürlicher Co-Emulgator. Durch die Phosphatgruppe wird er zu einem starken anionischen Emulgator, der mit Natron- oder Kalilauge neutralisiert und aktiviert wird. In der INCI erscheint der Emulgator als Sodium Cetyl Phosphate oder Potassium Cetyl Phosphate.

Bestandteile der Zellmembranen

Zu den Phosphorsäureestern gehören auch die natürlichen Phospholipide, physiologisch bedeutsame Substanzen, die unter anderem Zellmembranen und intrazelluläre Membranstrukturen aufbauen. Mit Phosphatidylcholin, das aus Sojalecithin oder Eilecithin gewonnen wird, lassen sich Liposomen herstellen, die äußerlich und größenmäßig den lebenden Zellen gleichen. In Liposomen können wasserlösliche (hydrophile) Substanzen verkapselt werden. Liposomenmembranen aus Phosphatidylcholin fusionieren mit den Barrieremembranen der Haut, fluidisieren diese und wirken so als Penetrationsverstärker für das eingekapselte Material. Phosphatidylcholin ist auch Ausgangsmaterial für biologisch abbaubare, lipidhaltige Nanopartikel. Das aus Sojalecithin stammende Phosphatidylcholin mit seinem hohen Anteil essenzieller Fettsäuren ist zur Prophylaxe und Behandlung der Akne geeignet. Das aus Eilecithin hergestellte Phosphatidylcholin hat für Kosmetika nur eine geringe Bedeutung.
Das aus Phosphatidylglycerol abgeleitete Cardiolipin (CL) mit zwei Phosphatidylgruppen ist ein Bestandteil der intrazellulären Membranen der Mitochondrien. CL-Anormalitäten haben Störungen von Stoffwechselvorgängen und ernste Krankheiten zur Folge.
Verwandt mit den Phospholipiden sind die Sphingolipide, die in lebenden Zellen zahlreiche Funktionen erfüllen. Zu ihnen gehören die Sphingomyeline, die wie das Phosphatidylcholin eine Phosphocholingruppe besitzen. Phosphorsäureester werden durch Enzyme (Phosphatasen) in die Ausgangskomponenten gespalten. Teilweise arbeiten diese Enzyme recht substratspezifisch; so werden die membranaktiven, intrazellulären Sphingomyeline während der Apoptose der Hautzellen durch eine Sphingomyelinase ("SMase") unter Abspaltung des Phosphocholin-Restes in die barriereaktiven Ceramide der Hornschicht überführt. Bei den Phospholipiden sind es die Phospholipasen C und D, die den Phosphocholin-Rest oder andere Phosphatreste unter Hinterlassung von Diglyceriden (Ester des Glycerins mit zwei langkettigen Fettsäuren) abspalten.
Phosphorsäure kann Ketten bilden, indem sich 2 Phosphorsäuremoleküle unter Wasseraustritt miteinander verbinden. So entstehen die Diphosphorsäure und ihre Salze (Diphosphate). Diphosphate und Triphosphate (aus 3 Phosphorsäuremolekülen) sind wegen ihrer P-O-P-Verknüpfungen sehr energiereich. Adenosintriphosphat (ATP), ein Nukleotid, besteht aus einem Ester der Triphosphorsäure mit Ribose (Monosaccharid), der glykosidisch mit der Purinbase Adenin verbunden ist.

Daraus entsteht Energie

ATP ist der Hauptenergielieferant in den Zellen. Die Energie wird freigesetzt, wenn sukzessive eine Phosphatgruppe nach der anderen enzymatisch abgespalten wird, also aus ATP das Adenosindiphosphat (ADP) und das Adenosinmonophosphat (AMP) entstehen. Mit der freiwerdenden Energie werden energieverbrauchende Prozesse angestoßen. ATP entsteht in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, unter anderem unter Mitwirkung von Coenzym Q10 (Ubichinon-10), das auch ein Kosmetikwirkstoff und in reduzierter Form ein starkes Antioxidans ist.
Ähnlich wie ATP sind die anderen Nukleotide: Guanosintriphosphat (GTP), Uridintriphosphat (UTP) und Cytidintriphosphat (CTP) an energieliefernden Prozessen in den Zellen beteiligt. Nukleotide dienen auch als Signalüberträger in biochemischen Vorgängen. Dabei kommen auch cyclische Phosphate wie das cAMP und das cGMP vor. Nukleotide sind zudem Bestandteile der Ribonukleinsäuren (RNA), wo sie über die Phosphatgruppen miteinander verbunden sind. In den Desoxyribonukleinsäuren ist die Ribose durch die Desoxyribose und Uracil durch Thymin ersetzt.
Die zweifach mit Ribose veresterte Diphosphorsäure ist ein wichtiges Strukturelement von Coenzymen, die an körperlichen Redoxreaktionen mitwirken. Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid, kurz NAD, kommt in reduzierter Form NADH und oxidierter Form NAD+ vor. Ähnlich verhält es sich mit dem Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid-Phosphat (NADP), in dem noch ein weiterer Phosphatrest an die Ribosegruppe gekoppelt ist.
Da Phosphorverbindungen biologisch bedeutend sind, können unphysiologische phosphorhaltige Chemikalien hemmend und zerstörend auf biologische Regelkreise einwirken. Zu ihnen gehören viele Pestizide, vor allem Herbizide und Insektizide. Diese können sich als Rückstände in pflanzlichen und tierischen Extrakten befinden. Sie können auch in Recycling-Kunststoffen (Tiegel- und Spendermaterialien) vorkommen. Auch unter Kampfstoffen, Zytostatika und Flammschutzmitteln sind viele phosphorhaltige Stoffe zu finden. Es dominieren dabei aromatische Phosphorsäureester, Thiophosphorsäureester (schwefelhaltig), Thio- und Fluorphosphonate sowie Phosphorsäureamide.

Auch hier ist Phosphor drin...

Phosphonsäuren sind Bestandteil pflanzlicher und tierischer Organismen sowie von Bakterien und Pilzen. Für sie ist eine direkte Kohlenstoff-Phosphor-Bindung (C-P) charakteristisch. Die synthetischen Vertreter sind starke Komplexbildner; die Etidronsäure alias 1-Hydroxyethan-(1,1-diphosphonsäure) wird in Haarpflegemitteln und Seifen eingesetzt und dient dort mit einem Maximalgehalt von 0,2% der Wasserenthärtung. Phosphonsäuren fangen wie die Phosphorsäure Schwermetalle ab und wirken dadurch antioxidativ. Einfache Phosphonsäuren werden von Bakterien abgebaut, während komplexere Strukturen äußerst reaktionsträge sind. Mit Diphosphonaten werden Osteoporose-Patienten behandelt.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetik International
2017 (10), 56-58

 
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