Nervlicher Stress wirkt sich auf die Haut aus. Die Sorgenfalten nehmen z. B. zu, die Tränensäcke sind nicht mehr zu kaschieren. Entspannung, Schlaf und Entschleunigung lauten dann die Zauberwörter. Aber Umwelt und Kosmetik bieten noch mehr - nämlich ein ganzes Arsenal an Stoffen, die das dermale und sensorische Nervenkostüm beeinflussen.
Ständige Begleiter
Nerven leiten Informationen auf komplexe Weise vom Körper in das Gehirn. Dies gilt z. B. für Schmerz-, Druck-, Hitze- und Kälteempfindungen. Sensorische Nerven lassen uns schmecken, riechen und fühlen. Nervenreize lösen Muskelkontraktionen und Vasokonstriktionen (Verengung der Blutgefäße) aus. Sie wirken vielfach lokal und unbewusst. Umgekehrt sorgen nachlassende Nervenreize für Entspannung und Vasodilatationen (Erweiterung der Blutgefäße). Nerven lassen sich manipulieren. Man denke an Sensibilisierungen, Desensibilisierungen und Schädigungen. Einige einfache Beispiele mögen dies verdeutlichen:
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Kälteempfindungen lassen sich verstärken, wenn der Körper immer gut eingepackt ist. Sie lassen sich hingegen verringern, wenn der Organismus regelmäßig Kältereizen ausgesetzt ist. Für die Haut hat das erwünschte und unerwünschte Wirkungen. Positiv ist etwa, dass sich mit kaltem Wasser eine Abhärtung erzielen lässt. Die Mikrozirkulation wird angeregt, es werden Nebennierenhormone ausgeschüttet. Unerwünscht ist es jedoch, wenn die Gesichtshaut ständig und ungeschützt der austrocknenden Wirkung kalter Luft (Wind) ausgesetzt ist. Das Bindegewebe und die Kleinstkapillaren werden so auf Dauer geschädigt. Es entstehen Rosacea und Couperose.
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Auch an Wärmeempfindungen gewöhnt man sich. Obwohl Wärme ein Warnsignal sein kann, hindert es die Menschen etwa nicht daran, sich jeden Sommer stundenlang der intensiven Infrarotstrahlung der Sonne auszusetzen. Die Folgen sind bekannt: Das Gewebe wird geschädigt, eine vorzeitige Hautalterung ist vorprogrammiert.
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Nikotin ist ein Nervengift, das über die körpereigenen Acetylcholinrezeptoren wirkt. Im Endeffekt wird eine Vasokonstriktion ausgelöst, wodurch die Hautoberflächentemperatur gesenkt wird. Die Haut wird blass und fahl.
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Alkohol führt zu einer vorübergehenden Vasodilatation der peripheren Hautgefäße und einer verstärkten Durchblutung. Daher ist Alkohol als erste Hilfe bei Unterkühlungen (Lawinen- und Schiffsunfälle) kontraindiziert - entgegen einer weit verbreiteten Meinung. Denn das würde den bereits bestehenden starken Wärmeverlust noch weiter erhöhen.
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Koffein hat eine vielfältige stimulierende Wirkung auf den Organismus und gilt allgemein als anregend. Die Vasodilatation in den peripheren Hautgefäßen fördert die Mikrozirkulation. Daher ist Koffein ein häufiger Bestandteil von kosmetischen Präparaten, die bei atrophischer Haut, Cellulite und Haarwuchsstörungen verwendet werden.
Ziemlich betäubend
Bei Substanzen, die das Schmerzempfinden der Haut lokal ausschalten, spricht man von Lokalanästhetika. Typische Vertreter wie Lidocain, Procain und Benzocain werden in der Medizin subkutan gespritzt und erzeugen an Ort und Stelle eine temporäre Betäubung. Lokalanästhetika greifen direkt an den Nervenzellen an und unterbrechen die Weiterleitung sensorischer Eindrücke wie Schmerz, Temperatur und Druck. Sie werden bei kleinen örtlichen Operationen angewandt. Eine Sonderstellung hat Polidocanol (INN), das im Bereich der Dermatologie bei starkem Juckreiz und Neurodermitis als Lokalanästhetikum eingesetzt wird. Es vermindert auch das Schmerzempfinden der Haut. Polidocanol ist ein Polyethylenglykol (PEG), das in der Kosmetik unter dem Namen Laureth-9 (INCI) bekannt ist. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR, 2003) schätzt kosmetische Mittel bzw. Hautpflegeprodukte, die als Leave-on-Präparate (auf der Haut verbleibende Produkte) eine Substanz mit juckreizstillenden oder schmerzlindernden Eigenschaften enthalten, für den Verbraucher als gesundheitlich bedenklich ein. Denn durch die örtlich betäubende Eigenschaft der Substanz werden Symptome und Warnsignale der Haut wie Juckreiz und Schmerzempfindung als Ausdruck einer Hautschädigung unterdrückt. Laureth-Verbindungen mit unterschiedlicher Kettenlänge dienen in der Kosmetik verbreitet als Emulgatoren zur Herstellung von Emulsionen. Laureth-9 wird durch Ethoxilierung von Laurylalkohol hergestellt. Verwandt mit den Lokalanästhetika sind einige Schärfestoffe. Chili beeinflusst die Geschmacksnerven und führt bei verstärktem Genuss zu einer signifikanten Erhöhung der Toleranzgrenze. Darüber hinaus hat es in Form des Hauptinhaltsstoffes Capsaicin, chemisch: N-(4-Hydroxy-3-methoxybenzyl)-8-methyl-6-nonensäureamid - ähnlich wie Ingwer und Vanillinester - eine durchblutungssteigernde Wirkung. Capsaicin ist deshalb ein Bestandteil von Wärmepflastern. Ähnlich wirken Nikotinsäureester und Salizylsäureester, insbesondere deren jeweilige Benzylester.
Es geht an den Muskel
Zu den Schärfestoffen gehört auch das Spilanthol (N-2-Isobutyl-2,6,8-decatrienamid), das - wie das Capsaicin - eine Fettsäureamidstruktur besitzt. Spilanthol ist der Hauptwirkstoff der Parakresse. Es reduziert die Muskelkontraktion der Mimikfalten, entspannt sie und führt daher zu einer schnellen, sichtbaren Faltenglättung der Haut. Da Schärfestoffe aufgrund ihrer chemischen Struktur im Stratum corneum häufig depotartig kumulieren, kann man die Dosierung mit der Zeit absenken. Andererseits lässt die Konditionierung von Nerven und Muskulatur eine Dosisreduzierung zu - eine Erfahrung, die man auch mit Botox gemacht hat (siehe unten). Auf die Haut appliziertes Capsaicin (Chili) kann anfangs einen Juckreiz erzeugen; nach der Applikation von Parakresse-Extrakten verspürt man für ein paar Minuten ein leichtes Kribbeln. Danach werden die behandelten Hautareale unempfindlich. Im Übrigen unterdrücken auch andere Fettsäureamide wie das Palmitinsäuremonoethanolamid den Juckreiz. Dieser Stoff besitzt eine endocannabinoidartige Wirkung und wird bei atopischer Haut eingesetzt. In der Kosmetik wird dieser Stoff darüber hinaus als Schaumstabilisator (INCI: Palmitamide MEA) verwendet, der sich aber heute wegen der Nitrosaminproblematik (Verunreinigung durch sekundäre Amine) durch eine besonders hohe Reinheit auszeichnen muss.
Ran an die Fältchen
Wie das Muskel-entspannende Spilanthol verhalten sich eine Reihe synthetischer Peptide. Einer der ersten Vertreter war das Acetyl-Hexapeptid (Acetyl-Glutaminsäure-Glutaminsäure-Methionin-Glutaminsäure-Arginin-Arginin). Dieser Peptidtyp beeinflusst die neuromuskulären Synapsen der mimischen Falten kurzfristig und führt zu einer Muskelrelaxation sowie einer damit verbundenen Faltenglättung. Die Wirkung ist den neurotoxischen Polypeptiden entlehnt, die von verschiedenen Clostridium-Bakterien ausgeschieden werden und unter dem Begriff Botulinumtoxin (Clostridium botulinum) zusammengefasst sind. Botulinumtoxin ist ein sehr starkes Gift und findet sich vor allem in verdorbenem Fleisch. Um entsprechende Lebensmittelvergiftungen (Botulismus) zu verhindern, gelten besondere Vorschriften für die kühle Lagerung von Fleisch. Andererseits wird mit Natriumnitrit bzw. Nitritpökelsalz konserviert. Botulinumtoxin hemmt die Freisetzung von Acetylcholin an den Synapsen und damit die Weiterleitung der Nervenimpulse. Muskelkontraktionen sind nicht mehr möglich und es kommt schließlich zu einer tödlichen Atemlähmung. Wenn umgekehrt der Abbau von Acetylcholin durch Blockierung der Acetylcholesterinase unmöglich gemacht wird, kommt es zu Muskelkrämpfen. Dies ist das Prinzip von Nervenkampfstoffen wie Tabun, Sarin und Soman. Seit Längerem schon gibt es medizinische Indikationen, die mit gezielten lokalen Dosierungen des isolierten und gereinigten Botulinumtoxins behandelt werden. Dazu gehören vor allem krampfartige Zustände. Bei Hyperhidrose kann man die Schweißbildung senken. Das lokale Spritzen des Toxins zur Faltenglättung ist der ästhetischen Dermatologie vorbehalten. Aus Sicherheitsgründen ist die Toxizität des Botulinumtoxins bei jeder Produktionscharge neu zu bestimmen. Dazu wird unter anderem die letale Dosis (LD50) bei Mäusen bestimmt.
Die Nase - ein hoch komplexes Sinnesorgan
Bei Duft- und Riechstoffen wichtig zu wissen: Damit wir Stoffe riechen können, müssen die Riechnerven (Geruchsinn) auf die entsprechenden Substanzen konditioniert sein. Das ist nicht selbstverständlich. Bei Befragungen in der Parfümerie empfinden z. B. weniger als 50% der Befragten ein Parfüm als angenehm. Ein hoher Prozentsatz von Menschen ist nicht in der Lage, Androstenon wahrzunehmen - das ist eine Hauptkomponente des Schweißgeruchs der Achselhöhlen. Andererseits gibt es auch Moleküle, die den Geruchssinn verändern. Der nach faulen Eiern riechende Schwefelwasserstoff wird nach einer Weile nicht mehr wahrgenommen. Diese Form der Gewöhnung tritt auch bei vielen alltäglichen Gerüchen ein. Manch ein Duft kann die Geruchsnerven so verändern, dass danach kurzzeitig frische Luft als unangenehm empfunden wird.
Dr. Hans Lautenschläger |