Nanodispersionen, d. h. Flüssigkeiten, die Partikel in Nanogröße enthalten, werden in der Hautpflege verbreitet, in der dermatologischen Kosmetik3 und in korneotherapeutischen Behandlungen4 auch modular5 eingesetzt. Bei nanodispersen Fetten & Ölen ergibt sich eine optimale Haptik. So können unangenehm ölige und fettende Komponenten in eine sprühfähige wässrige Lotion überführt werden, die innerhalb von Sekunden in die Haut einzieht. Wasserlösliche Wirkstoffe - insbesondere solche mit hoher Polarität - werden in Liposomen verkapselt, die ebenfalls zu den Nanodispersionen gehören, und dadurch für die Haut verfügbar sind. Studien & Wirksamkeit Umfassende Praxiserfahrungen zu topisch-pharmazeutischen und kosmetischen Präparaten mit biologisch abbaubaren Nanopartikeln gibt es viele. Die Präparate werden dabei individuell an unterschiedliche Hautsituationen und -störungen angepasst. Daher existieren naturgemäß so gut wie keine Studien. Die Verträglichkeiten und Behandlungsresultate sind hervorragend. Bei biologisch nicht abbaubaren Nanopartikeln wie z. B. Nanosilber, Titandioxid, Zinkoxid und Silica - um nur die derzeit wichtigsten zu nennen - beschäftigen sich viele Studien mit dem Penetrationsverhalten und der eventuell systemischen Toxizität. Die Ergebnisse, inklusive nicht-dermaler Zubereitungen auf der Basis von Polyglycerinen, Polyethylenglykolen und anderen Trägern, die u. a. in der Krebstherapie verwendet werden, sind nicht immer eindeutig und mitunter sogar widersprüchlich. Unabhängig von ihrer biologischen Abbaubarkeit und ihrem lipophilen (Öle, Fette, Wachse, organische Wirkstoffe), hydrophilen (Liposomen mit wässrigem Innenraum) oder anorganischen Aufbau sind Nanodispersionen biologisch sehr gut verfügbar und ermöglichen niedrige Wirkstoff-Dosierungen6. Flüssige, mit Retinylpalmitat (Vitamin A) beladene Nanopartikel erreichen beispielsweise früher als konventionelle Emulsionen die auf der Bildung von Vitamin-A-Säure beruhende Irritationsschwelle.7 Liposomen mit Natriumascorbylphosphat (Vitamin C) inhibieren die Melaninbildung in sehr kleiner Konzentration.8 Ohne Hilfsstoffe Nanodispersionen, also Präparate, die Partikel in einer Größenordnung unter 1 µm (= 1000 nm) enthalten, erlauben gegenüber konventionellen Formulierungen die Einsparung oder gar Eliminierung von Hilfsstoffen wie Emulgatoren, Spreitern und Penetrationsverstärkern. Hilfsstoffe stellen oft eine Belastung der Haut dar und können sogar kontraproduktiv sein, wenn sie Auswascheffekte oder Irritationen begünstigen. Darüber hinaus scheitert die Kombination von Nanodispersionen mit konventionellen Rezepturen meistens aufgrund der Inkompatibilität mit Emulgatoren.9 Da bei den Konservierungsstoffen des Anhangs der EU-Kosmetikrichtlinie die Gefahr von Sensibilisierungen mit der Permeation steigt, werden Nanodispersionen durchweg steril in Ampullen oder ohne Konservierungsstoffe produziert. Vorteil: Zwangsläufig werden weitgehend physiologische Konzepte realisiert. Abbaubar oder nicht? Man unterscheidet feste und flüssige Nanopartikel. Die Abbaubarkeit ist von den verarbeiteten Einzelkomponenten abhängig. - Feste Nanopartikel sind mit Ausnahme der organischen Nanokristalle meist nicht oder nur schwer biologisch abbaubar. Die wichtigsten Varianten sind:
- Nanokristalle schwerlöslicher oder hoch schmelzender organischer Substanzen wie Boswelliasäuren (Weihrauch), Phytosterine, Flavonoide und deren Glycoside wie z. B. Rutin sowie Ceramide.
- Lipid-Nanopartikel aus Wachsen, Poly-alpha-Olefinen und anderen Kohlenwasserstoffen. Sie fließen auf der Haut zu okklusiven Filmen zusammen, aus denen lipophile Wirkstoffe wie etwa Coenzym Q10 freigesetzt werden.
- Polymer-Kügelchen aus Polyamiden, Polypeptiden oder Polysacchariden mit eingebetteten, meist pharmazeutischen Wirkstoffen.
- Silica-Nanopartikel (Kieselsäure), die in ihren Poren amorphe Wirkstoffe und Pigmente aufnehmen und stabilisieren.
- Anorganische Stoffe wie Titandioxid, Zinkoxid und Kohlenstoff (Carbonblack) für den Sonnenschutz oder die dekorative Kosmetik.
- Elementare Edelmetalle wie Silber und Gold. Gold bildet rote Dispersionen; Silber wirkt antibakteriell und entzündungshemmend.
- Flüssige Nanopartikel auf Phosphatidylcholin-Basis sind biologisch gut abbaubar. Es penetrieren nicht die Partikel, sondern die molekularen Einzelkomponenten in die Haut. Zu ihnen gehören:
- Nanopartikel mit fettlöslichen Wirkstoffen wie Vitaminen, Coenzym Q10, Ceramiden, Pflanzenölen und essenziellen Fettsäuren.
- Liposomen mit wasserlöslichen Vitaminen, Antioxidantien, Glycosiden, Moisturizern etc.
Nanodispersionen mit kleinen Teilchen gleichen wässrigen Lösungen, während Teilchen über 400 nm eine trübe oder gar milchige Konsistenz aufweisen. Sie können auch gefärbt sein, wie z. B. Golddispersionen. Einsatzgebiete in der Kosmetik Einsatzgebiete in der dermatologischen Kosmetik sind die unterstützende Prävention und die adjuvante Hautpflege10 bei Hautproblemen. Hier werden sowohl einzelne Substanzen als auch Substanzmischungen und pflanzliche Extrakte eingesetzt. Der Schwerpunkt liegt bei biologisch abbaubaren und mit der humanen Physiologie kompatiblen Nanodispersionen.11 Insbesondere die Hautpflege bei Barriere-, Verhornungs- und Bindegewebsstörungen spielt dabei eine Rolle. Beispiele sind Neurodermitis12, periorale Dermatitis13, Psoriasis14, Akne15 und Rosacea.16 Die Prävention und Behandlung von Hyperpigmentierungen17, der vorzeitigen Hautalterung ("Antiaging") sowie die Hautpflege sonnen- und strahlenbelasteter Haut sind weitere Einsatzgebiete. Tabelle: Häufig verwendete Wirkstoffe Liposomen (L); flüssige (N), feste (SN) Nanopartikel; biologisch abbaubar (+), nicht abbaubar (-) Wirkstoff
| Carrier | Anwendung | Wirkprinzip | Aescin
| L+ | Rosacea, Couperose | Gefäßpermeabilität ↓, Ödeme ↓ | Aminosäuren | L+ | Trockene Haut | Moisturizer, Radikalfänger | Augentrost
| L+ | Augenpflege | Unbekannt | Azelainsäure | L+ | Akne, Rosacea, periorale Dermatitis (POD) | 5-α-Reduktase-Hemmung | Boswellia-Säuren | L+, N+, SN+ | Akne, POD, Rosacea, Neurodermitis, Erytheme | Proteasehemmung, 5-Lipoxygenase-Hemmung | Carbonblack | SN- | Make-up | Pigment | Ceramide | SN+ | Hautschutz | TEWL ↓ | Coenzym Q10 | N+, SN- | Antiaging | Stoffwechsel ↑ | Coffein | L+ | Mikrozirkulation, Cellulite | Periphere Vasodilatation,Lipolyse | Diverse Pflanzenextrakte
| L+ | Hyperpigmentierung, Laser | Tyrosinasehemmung | Fumarsäure
| L+ | Psoriasis | Kollagenstoffwechsel ↑? | Isoflavone
| L+ | Östrogene Effekte | Phytohormone | Kigelia-Extrakt
| L+ | Rosacea, Couperose | Gefäßpermeabilität ↓, Ödeme ↓ | Mäusedorn-Extrakt
| L+, N+ | Rosacea, Couperose | Gefäßpermeabilität ↓, Ödeme ↓ | Natriumascorbylphosphat
| L+ | Hyperpigmentierung, Laser
| Vitamin C, Tyrosinasehemmung | Niacinamid
| L+ | Akne, unreine Haut, Regeneration | Vitamin B3 | Öle mit gebundener Linolsäure
| N+ | Barrierestörungen, Erytheme | Ceramid-Substrat, Metabolisierung durch 15-Lipoxygenase (LOX) | Öle mit gebundener α-Linolensäure
| N+ | Erytheme | Metabolisierung durch 15-LOX | Öle mit gebundener γ-Linolensäure | N+ | Neurodermitis, Erythem | δ-Desaturase-Defekt, Metabolisierung durch 15-LOX | Phosphatidylcholin
| L+, N+ | Akne, Barriere-, Verhornungsstörungen | Ceramid-Substrat, Metabolisierung durch 15-LOX | Retinolpalmitat
| N+ | Akne, Narben, Regeneration | Vitamin A | Rutin
| SN+ | Rosacea, Couperose | Gefäßpermeabilität ↓, Ödeme ↓ | Silber
| SN- | Entzündungen | Antibakteriell | Silica
| SN- | Make-up | Pigment | Spilanthol
| L+ | Faltenreduzierung | Muskelentspannung | Titandioxid
| SN- | Lichtschutz, Make-up | UV-Filter, Pigment | Tocopherolacetat
| N+ | Hautschutz | Vitamin E | Tranexamsäure | L+ | Hyperpigmentierung, Rosacea | Tyrosinasehemmung, Gefäßpermeabilität ↓ | Traubenkernextrakt
| L+ | Antiaging | Radikalfänger (OPC) | Zinkoxid
| SN+ | Lichtschutz | UV-Filter | Zinksalze
| L+ | Akne, unreine Haut | Superoxiddismutase (SOD)-Substrat |
Nanopartikel, die 100 nm oder kleiner sind, sind laut Verordnung EC1223/2009 der EU-Kosmetikrichtlinie - gültig seit 11.07.2013 - als Nanomaterial zu kennzeichnen. Für sie sind strenge Auflagen zu erfüllen. Von der Verordnung ausgenommen sind flüssige, biologisch abbaubare Nanopartikel, die sich bereits in der Hautbarriere in ihre Einzelbestandteile zerlegen.
Referenzen - H. Lautenschläger, Indikationsgemäße Anwendungen von Nanodispersionen, Vortrag auf der 19. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) in Berlin am 18.3.2015
- H. Lautenschläger, Cosmeceuticals, medical Beauty Forum 2014 (4), 16-18
- H. Lautenschläger, Dermatologische Kosmetik - Brücke zwischen Kosmetik und Medizin, Kosmetische Praxis 2005 (5), 12-14
- H. Lautenschläger, Geschichte und aktuelle Gesichtspunkte der Korneotherapie, Kosmetische Medizin 26 (2), 58-60 (2005)
- H. Lautenschläger, Mikrokosmos modularer dermaler Zusammensetzungen, Vortrag auf der 18. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) in Berlin am 9.4.2014
- H. Lautenschläger, Nanopartikel in Kosmetika - gut oder schlecht? Beauty Forum 2009 (5), 44-47
- Cosmetics & Toiletries 119 (6), 68 (2004)
- H. Lautenschläger, Hautaufhellende Wirkstoffe von A-Z - ein Überblick, Kosmetik International 2013 (9), 22-28
- H. Lautenschläger, Huckepack - Übersicht Trägersysteme, medical Beauty Forum 2013 (1), 16-18
- H. Lautenschläger, Nutzen von lamellaren Präparaten in der Hautpflege, im Hautschutz und in der dermatologischen Therapie, Vortrag auf der 17. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) in Mainz am 23.3.2013
- H. Lautenschläger, Biodegradable lamellar systems in skin care, skin protection and dermatology, SOFW-Journal 139 (8), 2-8 (2013)
- H. Lautenschläger, Pflege bei Neurodermitis - Die Barriere unterstützen, Kosmetische Praxis 2005 (1), 9-11
- H. Lautenschläger, Lippenerkenntnisse - Bewährte und neue Pflegetipps, medical Beauty Forum 2014 (6), 18-20
- H. Lautenschläger, Hautpflege bei Schuppenflechte - ganz individuell, Beauty Forum 2009 (10), 48-51
- H. Lautenschläger, Akne: Möglichkeiten der kosmetischen Prävention, Beauty Forum 2015 (2), 88-91
- H. Lautenschläger, Korneotherapeutische Hautpflege bei Rosacea, Ästhetische Dermatologie (mdm) 2010 (3), 16-20
- H. Lautenschläger, Haut ohne Makel - Wirkstoffe und Wirkstoffsysteme, medical Beauty Forum 2014 (5), 32-35
Dr. Hans Lautenschläger |