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Antioxidantien - eine Übersicht

 

Keine Wirkstoffklasse ist in den letzten Jahren so intensiv in den Fokus der Kosmetikbehandlung gekommen wie die Antioxidantien und ihre radikalzerstörenden Eigenschaften. Zeit also, Bilanz zu ziehen und eine Orientierung in die Vielzahl der Wirkstoffe zu bringen.

 

Wenn man von Antioxidantien im Zusammenhang mit der Haut spricht, so sind damit Stoffe gemeint, die in der Lage sind, freie Radikale abzufangen. Ein Radikal ist chemisch definiert ein Molekül, das ein ungepaartes (einzelnes) Elektron enthält. Normalerweise treten Elektronen in Molekülen immer paarweise auf und befinden sich in einem energetisch niedrigen Zustand. Radikale sind dagegen hochreaktiv. Sie greifen andere Moleküle an und starten zum Teil "Kettenreaktionen". Dabei entstehen unerwünschte Reaktionsprodukte und neue Radikale, die zu Schäden in der Haut oder im Körper führen.

Oxidativer Stress

Die gute Nachricht: Wenn sich zwei Radikale treffen, vernichten sie sich selbst. Dies ist bei Antioxidantien der Fall; sie verwandeln sich nach der Reaktion mit einem Radikal selbst in ein energieärmeres Radikal, das ein weiteres energiereiches Radikal einfängt, neutralisiert und damit die unheilvolle Kette beendet. Daher bezeichnet man Antioxidantien in diesem Zusammenhang auch als "Radikalfänger".
Energiereiche Radikale sind sehr kurzlebig. Ihre Halbwertszeit liegt etwa zwischen 10-5 und 10-9 Sekunden. Sie entstehen bei unterschiedlichen Prozessen - meist unter Beteiligung äußerlicher Strahlung und/oder mit Beteiligung von Schwermetallspuren wie z. B. Eisen. Der menschliche Organismus erzeugt Radikale auch selbst und nutzt sie zur:

  • Energieerzeugung in den Mitochondrien
  • Vernichtung von Bakterien, Viren und Fremdkörpern durch den "Oxidativen Burst" bei der Phagozytose
  • Signalübertragung

Diese Radikalerzeugung findet vergleichbar einem Atomreaktor kontrolliert statt und ist auf physiologische Prozesse beschränkt. Umweltbedingte freie Radikale entstehen dagegen unkontrolliert durch:

  • UV-Strahlung (Sonne)
  • Thermische Bindungsspaltung
  • Gamma-Strahlung
  • Schwermetallspuren (Eisen, Cobalt, Nickel)
  • Stickstoffoxidation (Stickstoffmonoxid und -dioxid)
  • Reaktive Sauerstoffverbindungen

Die reaktiven Sauerstoffverbindungen gehören zur Gruppe der Reactive Oxygen Species (ROS), die sowohl sauerstoffhaltige Radikale als auch deren energiereiche Vorstufen umfasst:

  • Hydroxylradikal: HO.
  • Hyperoxidanion alias Superoxidanion: O2-
  • Wasserstoffperoxid: H2O2
  • Singulettsauerstoff: 1O2
  • Ozon: O3
  • Organische Hydroperoxide (R-OOH), Peroxyradikale (R-OO.) und Alkoxyradikale (R-O.); sie entstehen bei der Oxidation von Fettstoffen (Lipiden). [R = Kohlenwasserstoffrest]

Analog zur ROS zählt man das zu den Stickstoffoxiden gehörenden Stickstoffmonoxid (NO.) sowie das Peroxynitritanion ONO2- zur Reactive Nitrogen Species (RNS). Den "Oxidantien" ROS und RNS, die auch in physiologischen Prozessen genutzt werden, stehen im Körper Gegenspieler in Form von Antioxidantien gegenüber, d. h. bei gesundheitlich normalen Verhältnissen liegt ein Gleichgewicht vor. Die physiologischen Antioxidantien kontrollieren die endogenen ROS- und RNS-Systeme und reagieren prompt, wenn exogene ROS- und RNS-Verbindungen aus der Umwelt eindringen. Sind die biologischen Antioxidantien jedoch überfordert, entstehen Schäden an Lipiden ("Lipidperoxidation") oder Proteinen ("Proteinoxidation"). Schäden an Zellstrukturen erzeugen Entzündungsprozesse und Hautveränderungen bis hin zu Karzinomen; DNA-Schäden sind nachweislich für Alterungsprozesse verantwortlich. Diese Situationen werden bei ROS als "Oxidativer Stress" und bei RNS als "Nitrosativer Stress" bezeichnet.

Radikalfänger

Der Körper hält ein ganzes Arsenal an Antioxidantien bereit, die unterschiedlich reagieren, je nachdem wo und wie Radikale entstehen und wie energiereich sie sind. Man unterscheidet selektive, auf ganz bestimmte Radikale ausgerichtete und unspezifische Antioxidantien bzw. Radikalfänger, die nicht so wählerisch sind.

Selektiv wirken die Enzyme:

  • Superoxiddismutase (SOD) überführt Hyperoxidanionen in Wasserstoffperoxid.
  • Glutathionperoxidase (GPX) ist selenhaltig (Selenocystein) und erzeugt aus Wasserstoffperoxid Wasser.
  • Katalase (CAT) reagiert mit Wasserstoffperoxid zu Wasser und Sauerstoff.
  • Thioredoxin (TXN) gehört zu den Oxidoreduktasen, die bei bestimmten Stoffwechselvorgängen sowohl reduzierend und radikalbindend als auch oxidierend wirken können.

Unspezifisch wirken unter anderem:

  • Vitamin C (Ascorbinsäure), Vitamin E (Tocopherol), Vitamin K in seiner reduzierten (Hydrochinon-) Form, Provitamin A (Betacarotin) und Carotinoide allgemein
  • Coenzym Q10 in seiner reduzierten (Hydrochinon-) Form
  • NMF der Haut (Aminosäuren)
  • Fettsäureamide, Harnsäure, Harnstoff
  • Peptide und Proteine verschiedenster Art
  • Saccharide, Hyaluronsäure und Glucane

Vitamin C (wasserlöslich) und E (lipidlöslich) ergänzen sich gegenseitig beim Schutz der Zellmembranen vor Lipidperoxidation. Die gleiche Funktion haben sie beim Schutz von Fettstoffen in Kosmetika. Derivate des Vitamin E wie Tocopheryl Acetate, Palmitate, Stearate, Linoleate sind allerdings erst in der Haut wirksam, nachdem sie enzymatisch in freie Vitamine und Säuren gespalten wurden.

Aufgrund des oben beschriebenen empfindlichen Gleichgewichts zwischen Antioxidantien und Oxidantien, die der Körper für seinen vielfältigen Stoffwechsel benötigt, ist die blinde Maximierung und Effektivitätssteigerung von Antioxidantien nicht unbedingt der Stein der Weisen. Denn zuviel Antioxidantien am falschen Ort können schädlich sein, da das natürliche ROS-System beeinträchtigt wird. Studien zeigen bei Antioxidantien in Nahrungsergänzungsmitteln keinen Vorteil, wenn nicht tatsächlich ein gravierender Mangel vorliegt. Bei der Steigerung der Dosierung von Vitamin E in Kosmetika schlägt die Wirkung von antioxidativ auf prooxidativ um. Dies hängt damit zusammen, dass Vitamin E ab bestimmten Konzentrationen eine eigene Kettenreaktion unterhält. Ähnliche Effekte hat man bei technischen, alkanolaminhaltigen Flüssigkeiten festgestellt, die man mit Vitaminen gegen Nitrosaminbildung durch Stickstoffoxide schützen wollte. Entgegen den Erwartungen verstärkte sich die Nitrosaminbildung. "Viel hilft viel" gilt also auch bei Antioxidantien wie so oft nicht.

Verbindungen, die in Kosmetika eingesetzt werden

Außer einigen der oben genannten Antioxidantien werden folgende Verbindungen in Kosmetika eingesetzt:

Phenole:

  • Vitamin E (E 306-309) bildet nach der Reaktion mit einem Radikal selbst ein Radikal, das aber reaktionsträge ist und durch Vitamin C wieder zu Vitamin E regeneriert wird.
  • 3,5-Di-tert-butyl-4-methylphenol (BHT; E 321) und BHA (E 319), ein Gemisch aus 2- und 3-tert-Butyl-4-hydroxyanisol, werden synthetisch hergestellt. Sie bilden wie Vitamin E reaktionsträge Radikale.

Polyphenole und Hydrochinone

  • Carnosolsäure ist eine Säure, die in Rosmarin- (E 392) und Salbeiextrakten vorkommt.
  • 4-Hexylresorcin (E 586) und 2-tert-Butylhydrochinon (E 319) sind synthetische Antioxidantien und dienen als Lebensmittelzusatzstoffe.
  • Resveratrol (trans-3,5,4'-Trihydroxystilben) kommt im Rotwein und vielen Früchten vor.
  • Flavonoide (Flavone) wie z. B. Quercetin und Taxifolin gehören zu den sekundären Pflanzeninhaltsstoffen und bilden eine vielfältige, weitverbreitete Stoffklasse. Ihre Glykoside (Verbindungen mit Sacchariden) sind wasserlöslich. Flavone befinden sich unter anderem in Kaffee, grünem und schwarzen Tee sowie im Granatapfelextrakt.
  • Isoflavone alias Phytoöstrogene werden meist aus Soja und Rotklee gewonnen.
  • Gallate (E 310-312) sind die synthetischen Ethyl-, Propyl- und Dodecylester der 3,4,5-Trihydroxybenzoesäure (Gallussäure). Komplexe natürliche Ester der Gallussäure sind z. B. die Tannine in Hamamelisextrakten oder das Epigallocatechingallat des grünen Tees. Die freie Gallussäure wirkt ebenfalls antioxidativ.
  • Anthocyane (E 163) dienen der Färbung von Lebensmitteln. Die verwandten natürlichen Vorstufen, die oligomeren Proanthocyanidine (OPC), sind hochpotente Antioxidantien und kommen reichlich in Traubenkernextrakten vor.

Carotinoide

  • Typische Vertreter sind das Betacarotin (Provitamin A; E 160a), Lutein (E 161b), Lycopin (E 160d), Capsanthin (E 160c) und Astaxanthin (E 161j). Ihre Färbung reicht von gelb bis rot.
  • Vitamin A

Reduktone

  • Vitamin C (L-Ascorbinsäure), dessen Salze und Ester (E 300-302, 304) gehören zur stark reduzierend wirkenden Gruppe der Reduktone (Endiole).
  • Isoascorbinsäure (E 315-316) ist ein synthetisches Isomer des Vitamin C und stellt ein ebenfalls starkes Antioxidans dar, das aber biologisch inaktiv ist.

Schwefelverbindungen

  • Die natürliche Aminosäure L-Cystein bildet unter dem Einfluss von Oxidationsmitteln oder Radikalen Cystin, das eine Disulfid-Brücke enthält.
  • α-Liponsäure ist ein Coenzym, das in seiner reduzierten Form (Dihydroliponsäure) ein effektiver Radikalfänger ist und unter Ausbildung einer Disulfidgruppe cyclisiert.
  • Glutathion (GSH), ein Tripeptid mit einer L-Cystein-Einheit, reagiert analog dem L-Cystein mit Radikalen oder Oxidantien.
  • Schwefeldioxid bzw. Schweflige Säure und ihre Salze (E 220-228) werden von ROS zu Schwefelsäure und Sulfaten oxidiert. In Kosmetika gelten Verwendungsbeschränkungen.

Folgeverbindungen

Aus Phenolen, Polyphenolen, Hydrochinonen und Carotinoiden entstehen bei der Reaktion mit freien Radikalen neue, langlebige Radikale oder Folgeverbindungen, die keinen Schaden mehr anrichten können. Insbesondere phenolische Verbindungen färben sich dabei dunkel - gut zu beobachten, wenn eine Tasse schwarzen Tees eine Weile an der Luft steht.
Die aus der Lipidperoxidation (Autoxidation) mehrfach ungesättigter ω-3 und ω-6-Säuren resultierenden Peroxyradikale führen zu Verharzungen der Lipide. Leinöl und Kiwiöl, die sich in Kosmetika durch beruhigende und entzündungshemmende Wirkungen auszeichnen, werden meist durch Antioxidantien wie Vitamin C, E und Harnstoff sowie durch nanopartikuläre Verpackungen geschützt. Der Schutz oxidationsempfindlicher Naturstoffe lässt sich darüber hinaus verstärken:

  • Komplexbildner (inkl. ihrer Salze) wie EDTA (E 385), Zitronensäure (E 330-333), Weinsäure (E 334-337), Phosphorsäure (E 338-343), Etidronsäure (1-Hydroxyethan-1,1-diphosphonsäure) und auch Saccharide sowie Polyphenole fangen Spuren von Schwermetallionen der Elemente Eisen, Cobalt und Nickel ab, die zusammen mit UV-Licht für die Bildung von Radikalen verantwortlich sind. Die gebildeten Schwermetallkomplexe (Chelate) sind völlig inaktiv.
  • Lichtschutzfilter verwandeln das radikalbildende UV-Licht in Wärme. Sie werden dabei in einen angeregten Zustand versetzt, der allerdings möglichst kurzlebig sein sollte. Andernfalls wächst die Wahrscheinlichkeit, dass statt Wärme freie Radikale entstehen.

Übrigens: Bezogen auf die tägliche Menge rangiert Kaffee mit seinem Gehalt an Polyphenolen auf Rang 1 der mit der Nahrung aufgenommenen Antioxidantien. Anteile aus Tee, Obst und Gemüse fallen statistisch geringer aus, da kleinere Mengen verkonsumiert werden.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetik International
2013 (8), 12-15

 
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