Aktinische Keratosen treten bevorzugt an sonnenexponierten Hautstellen auf (Kopf, Nacken, Unterarme, Handrücken), bei Männern häufiger als bei Frauen. Nach UV-Belastung entwickeln sich zunächst scharf begrenzte Rötungen mit leichter Schuppung, dann weiße-gelbbraune Verhornungen. Juckreiz, Brennen oder Blutungsneigung fehlen meistens. Die meisten aktinischen Keratosen persistieren als Carcinoma in situ, zu je 20 Prozent zeigen sie Spontanremission oder gehen in ein invasives spinozelläres Karzinom über. Die aktinische Keratose wird heute nicht mehr als Präkanzerose, sondern als früher Krebs eingestuft.
Die bisherige Standardtherapie bestand aus Kryotherapie und Kürettage. Diese Verfahren erzielen 100-prozentige Remissionen, hinterlassen aber Narben. Ein weiterer Nachteil ist die Lokalbehandlung, denn die angrenzenden Hautareale haben die gleiche UV-Exposition erlitten, bleiben aber unbehandelt. Topische Immunmodulatoren wie Imiquimod sind bislang nur bei oberflächlichem Basalzellkarzinom zugelassen und erzielen Remissionen in bis zu 80 Prozent der Fälle und beseitigen die aktinischen Keratosen narbenlos. Die Therapie ist wiederholbar, dauert aber mindestens 12 Wochen und erfordert von den Patienten eine hohe Compliance. Bei der photodynamischen Therapie zerstört Licht nach Photosensibilisierung durch 5-Aminolävulinsäure-Creme die Tumorzellen. Es werden 95 Prozent komplette Remissionen bei guten kosmetischen Resultaten erzielt. Dafür ist das Verfahren schmerzhaft und phototoxische Reaktionen sind möglich. Die Behandlung von aktinischen Keratosen mit Diclofenac-Gel auf Hyaluronsäure-Basis hat eine gute Wirksamkeit. Diclofenac hemmt die Prostaglandin-Synthese in den Tumorzellen. Bei 50 Prozent der Patienten heilen die Läsionen vollständig ab; 75 Prozent der Patienten mit aktinischen Keratosen sprechen auf diese Therapie an.
Für die Behandlung von aktinischen Keratose wurde ein weiterer erfolgversprechender Wirkstoff entdeckt. Weihrauchextrakte, speziell die Acetyl-Keto-ß-Boswelliasäure, haben entzündungshemmende Eigenschaften und hemmen die 5-Lipoxygenase – ein Schlüsselenzym der Leukotriensynthese. Des weiteren hat diese Weihrauchsäure antiproliferative und antitumoröse Wirkungen durch Hemmung der Topoisomerasen und Capsasen. Weihrauchextrakte haben eine gute Wirksamkeit bei entzündlichen, proliferativen Hauterkrankungen.
Weihrauch ist ein Harz, das aus Wüstenbäumen der Gattung Boswellia serrata, Boswellia carteri, Boswellia sacra, Boswellia frereana oder Boswellia papyrifera durch Anritzen der Rinde gewonnen wird. Hauptanbaugebiet der Weihrauchbäume sind der vordere Orient, hauptsächlich der Oman, Jemen, Somalia und Indien. Das austretende Harz erstarrt an der Luft und wird in mühevoller Handarbeit mit einem speziellen Schabmesser geerntet und wird auf Weihrauchbasaren gehandelt. Nach Auskunft eines Importeurs wurden 2004 ca. 700 t Weihrauchharze nach Europa importiert. Hauptabnehmer ist die kosmetische Industrie, die vor allem die ätherischen Öle verwendet.
Die Verwendung von Weihrauch ist bereits in der fernöstlichen Volksmedizin, vor allem in Indien (Ayurveda) und im vorderen Orient zur Behandlung verschiedenster Krankheiten, insbesondere von Entzündungen und rheumatischen Gelenkerkrankungen bekannt. In dem Harz sind in der Regel 5-9 Prozent des Weihrauchöls, 15-17 Prozent Harzsäuren, 25-30 Prozent etherunlösliche Verbindungen und 45-55 Prozent etherlösliche Verbindungen enthalten. Die Etherfraktion besteht hauptsächlich aus triterpenoiden Boswelliasäuren, ß-Boswelliasäure, Acetyl-ß-Boswelliasäure, 11-Keto-Boswelliasäure und Acetyl-11-Keto-ß-Boswelliasäure. Des weiteren enthält die Etherfraktion neben den Boswelliasäuren ätherische Öle und Zucker (Galaktose, Arabinose, Mannose, Xylose). Von diesen Inhaltsstoffen der Weihrauchharze sind nach dem heutigen Wissenstand die Boswelliasäuren die pharmakologisch wirksamen Bestandteile. Von Sashwati et. al. [1] wurde der anti-inflammatorische und collagenschützende Mechanismus von Acetyl-Keto-Boswelliasäure aufgeklärt. Außerdem wurde eine Signalkaskade identifiziert, in der Acetyl-Keto-Boswelliasäure die Expression von Matrixmetalloproteinasen (MMP) hemmt, Enzyme, die selektiv Peptidbindungen und Strukturproteine wie Kollagen und Bindegewebe zerstören. Durch Acetyl-Keto-Boswelliasäuren wird die Expression von VCAM und ICAM (Adhäsionsmoleküle, die an der Einschleusung von weißen Blutzellen in das Entzündungsgebiet beteiligt sind) signifikant gehemmt.
Entzündungsreaktionen sind Maßnahmen des Organismus, die dazu dienen, nach Schädigung eines Gewebes die den Schaden verursachenden Fremdkörper oder den geschädigten Teil des Gewebes zu beseitigen und durch Reparaturgewebe zu ersetzen. Eine Entzündung ist somit ein physiologischer Prozess. Es gibt jedoch eine Reihe von Situationen, bei denen durch Entzündungsvorgänge zusätzlich Funktionen von Organen und hier speziell der Haut erheblich gestört werden. Entzündungen werden biochemisch durch die Freisetzung so genannter Entzündungsmediatoren ausgelöst. Es gibt zwei wesentliche Arten von unterschiedlichen Entzündungsmediatoren, die bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Entzündungen beteiligt sind: Prostaglandine und Leukotriene. Die heutige Therapie der Entzündung geschieht durch Arzneimittel, die vorwiegend in der Lage sind, die so genannte Arachidonsäurekaskade, und zwar den Teil, der zur Bildung der Prostaglandine führt, zu blockieren. Die eingesetzten Medikamente gehören zu den steroidalen und nicht-steroidalen Antiphlogistika. Auf diesem Mechanismus beruht auch der Einsatz von Diclofenac zur Behandlung der aktinischen Keratose.
Die anti-entzündliche Wirkung der Boswelliasäuren wurde mehrfach publiziert [2,3]. Sashwati et al. untersuchten durch ein Screening des menschlichen Genoms die genetische Basis des anti-inflammatorischen Effekts von Boswellia in microvasculären Endothelzellen und fanden eine Inhibierung der 5-Lipoxygenase, einem Schlüsselenzym für die Biosynthese von Leukotrienen. Die Forschungen ergaben, dass 3-O-Acetyl-11-Keto-ß-Boswelliasäure der potenteste 5-Lipoxygenase-Hemmer unter den Boswelliasäuren ist. Außerdem verhinderten die Boswelliasäuren die TNF-alphainduzierte Expression von Metalloproteinasen und von Mediatoren der Apoptose. Es wurde außerdem die Expression von VCAM-1 und ICAM-1 durch Weihrauchextrakte unterdrückt. Diese Forschungsergebnisse zeigten, dass Weihrauchextrakte durch Beeinflussung der Signalmechanismen der Entzündung anti-inflammatorisch wirken. Weiterhin besitzen Boswelliasäuren eine zytostatische Wirkung, die auf einer Hemmung der Topoisomerasen beruht [4].
Es konnte auch gezeigt werden, dass Boswelliasäuren Apoptosen auslösen [5]. Diese Wirkungen lassen Boswelliasäuren als geeignet zur Behandlung von Tumoren erscheinen, wie von Ammon und Simmet bei Hirntumoren gezeigt wurde. In neuerer Zeit wurde von chemopräventiven und therapeutischen Effekten der Acetyl-Keto-Boswelliasäuren bei der Behandlung von verschiedenen Krebsarten berichtet [6,7,8]. Dabei scheint die Hemmung der Topoisomerase-1, und -2 und der Caspase-8 durch Boswelliasäuren eine wichtige Rolle zu spielen [9].
Die Behandlung von entzündlichen und bösartigen Hauterkrankungen mit Weihrauchextrakten oder mit isolierten Boswelliasäuren und deren Derivaten wurde in der internationalen Literatur bisher nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht beschrieben.
Für die Behandlung von aktinischen Keratosen wurde ein standardisierter Weihrauchextrakt, der mindestens 30 Prozent Acetyl-Keto-Boswelliasäure enthält, isoliert und in Nanopartikel eingebettet. Dieses Wirkstoffkonzentrat wird von der Haut sehr gut aufgenommen, fettet nicht und hat nicht mehr die stark klebenden Eigenschaften des Rohextraktes. Das Boswellia-Konzentrat wurde in eine DMS-High Classic-Creme (Derma-Membran-System) (Firma KOKO, Leichlingen) eingearbeitet und zur Behandlung von aktinischen Keratosen und von Psoriasis-Läsionen verwandt. Daneben wurde der Weihrauchextrakt in eine Pflanzenölmischung eingebracht und für Packungen zur Behandlung der Kopfhaut verwandt.
Unter dieser Behandlung heilten entzündliche und proliferative Hauterkrankungen bei ersten Pilotanwendungen in relativ kurzer Zeit ab. Keratosen und Entzündungsreaktionen wurden deutlich reduziert. Diese ersten Ergebnisse lassen Boswelliaextrakte als eine erfolgversprechende neue Behandlung von entzündlichen und malignen Hauterkrankungen erscheinen. Es sind weitere Anwendungsstudien bei Psoriasis und bei Spinaliomen, aber auch bei entzündlichen Hauterkrankungen wie Neurodermitis und Akne geplant.
Literatur 1. Sashwati et al. (2005) DNA and Cell Biology 24 (4): 244-255 2. Safayhi H et al. (1997) Planta Medica 63: 487-493 3. Safayhi H et al. (1992) J. Pharmacol and Exp. Ther. 261: 1163-46 4. Syrovets et al. (2000) Mol. Pharmacol 58: 71-81 5. Shao et al. (1998) Planta Medica 64: 328-331 6. Glaser T et al. (1999) Br J Cancer 80: 756-765 7. Janssen G et al. (2000) Klin Pädiatr 212: 189-195 8. Winking M et al. (2000) J Neurooncol 46: 97-103 9. Jian-Jun Liu et al. (2002) Intern J of Molecular Medicine 10: 501-505
Dr. med. Dipl.-Biochemiker Hans-Ulrich Jabs |