Hautpflegeprodukte werden von Erwachsenen für Erwachsene konzipiert und an erwachsenen Probanden erprobt. Aus den Resultaten extrapoliert man gerne auf analoge Behandlungen der Kleinkinderhaut - mit Ingredienzien, die aus dem erwachsenen Blickwinkel als geeignet und risikolos erscheinen. Ganz so einfach ist die Situation aber nicht. Eine weitere bedenkliche Entwicklung ist es, Kleinkinder ausschließlich als einen Markt zu sehen, der erschlossen und entwickelt werden muss. Mit anderen Worten, Bedürfnisse zu wecken, die an sich vielfach überflüssig sind. Die Baby- und Kleinkinderhaut befindet sich in einem komplexen Entwicklungsprozess, in dem sie sich an die Umwelt anpasst, um sich ihr gegenüber zu behaupten. Wie alle anderen Organe sammelt die Haut buchstäblich Erfahrungen und lernt. Heute ist längst bekannt, dass extrem behütete Haut später längst nicht so widerstandsfähig ist wie jene, die frühzeitig die reale Welt mit Schmutz, Allergenen und irritierenden Stoffen erlebt hat. Die wachsende Prävalenz zu Barrierestörungen wie etwa Neurodermitis oder zu allergischen Reaktionen untermauert diese Tatsache.
Weitgehend keimfrei
Die typische Situation in einem modernen Haushalt ist es, dass ein Baby in eine mehr oder weniger sterile Welt hineingeboren wird. Geschirr, Textilien und Lebensmittel sind sauber und weitgehend keimfrei. Hygienetücher, Raumspray, Einmalwindeln und mit Konservierungsstoffen ausgerüstete Hautpflegepräparate sind die weiteren Zutaten. Gründliche Körperreinigung mit nachfolgendem Eincremen gehört ebenfalls zum täglichen Repertoire. Alles richtig? Die Hygiene ist eine wichtige Errungenschaft unserer Kultur. Und doch sollten wir einige der uns selbstverständlichen Dinge hinterfragen.
Körperreinigung
Weniger ist mehr! Es gibt keinen Grund, Baby- und Kleinkinderhaut täglich mit Flüssigseifen, Shampoos, Duschcremes o. Ä. zu reinigen. Lauwarmes, weiches Wasser reicht zu diesem Zweck völlig aus und entzieht dem kleinen Körper wesentlich weniger eigene Schutzstoffe, die er dringend benötigt und die ihm keine noch so gute Creme nach einer Behandlung mit Tensiden wieder zuführen kann. Im Gegenteil, wenn die Creme noch Konservierungsstoffe des Anhangs der Kosmetikverordnung (KVO) enthält, wird auch noch die in der Entwicklung befindliche hauteigene Flora gestört. Selbstverständlich reicht lauwarmes Wasser für die Analregion nicht aus. Für diesen Bereich kann man aber ergänzend die reinigende Kraft pflanzlicher Öle nutzen. Eines dieser Öle, das gleichzeitig pflegt, ist Avocadoöl mit seinen Phytosterinen, essentiellen Fettsäuren und Vitaminen. Natürlich ist es etwas umständlicher mit Wasser und Öl zu arbeiten. Eine Windeldermatitis wird aber bei dieser Verfahrensweise mit großer Sicherheit ausbleiben. Für unterwegs sind trockene Einmalwaschlappen den feuchten Hygienetüchern vorzuziehen. Lassen Sie dem Nachwuchs nach der Reinigung ruhig ein wenig Freiheit, damit die Haut die überschüssige Feuchte abgeben kann, bevor die nächste Windel angelegt wird. Umso weniger müssen Sie sich sorgen, dass fakultativ pathogene Keime wie Pilze Unheil auf der Haut anrichten können. Gehen Sie davon aus, dass Kleinkinder die Textilfreiheit genießen und nicht so kälteempfindlich sind, wie man gemeinhin annimmt. Wenn es ans Anziehen geht, ist lockere und luftige Kleidung eine gute Wahl, wenn nicht gerade ein Ausflug in eine Schneelandschaft geplant ist.
Sonnenschutz
Hält sich das Kleinkind im Freien auf, ist Kleidung und Schatten (Sonnenschirm) der beste Schutz gegen die Strahlung. Die auf die Haut auftreffende Streustrahlung ist nicht schädlich, sondern hilft dem Körper stattdessen, sich auch mit diesem Umwelteinfluss auseinanderzusetzen. Verwenden Sie eine Sonnencreme, wenn die direkte Strahlung nicht zu vermeiden ist. Nach dem Eincremen sollten Sie trotzdem vorsichtig sein, da es keinen Schutz gegen die starke Infrarotstrahlung der Sonne gibt. Sie bewirkt eine Überhitzung der oberflächennahen Hautschichten. Sollte trotz aller Vorsichtsmaßnahmen eine Hautrötung eingetreten sein, helfen biologisch abbaubare nanopartikuläre Lotionen mit Lein- oder Kiwiöl sowie wässrige D-Panthenol-Lösungen.
Pflegecremes
Wenn von Zeit zu Zeit wie etwa im Winter Pflege- bzw. Hautschutzcremes nötig sind, die vor Austrocknung und Auskühlen schützen, sind für Gesicht und Hände Präparate geeignet, die folgende Kriterien erfüllen:
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Hautschutzcremes sollten frei von den in der KVO gelisteten Konservierungsstoffen sein. Alle Konservierungsstoffe sind potente Allergene. Einige davon stehen darüber hinaus im Verdacht, endokrine Disruptoren, d. h. hormonaktiv zu sein. Dies gilt auch für manche UV-Filter sowie Weichmacher vom Typ der Phthalsäureester. Die INCI-Bezeichnung Alcohol denat. bedeutet, dass der eingesetzte Alkohol mit Phthalsäurediethylester vergällt ist.
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In Pflegecremes enthaltene Emulgatoren, insbesondere biologisch nicht abbaubare, sind häufig kontraproduktiv. Da sie sich auf der Haut nicht verändern, werden Sie bei jedem Kontakt mit einem wässrigen Medium - sprich Reinigung - wieder aktiviert und transportieren bei dieser Gelegenheit nicht nur Pflege- sondern auch Barrierestoffe aus der Haut heraus. Emulgatoren älterer Bauart wie Mono- und Diglyceride, Fettsäurealkalisalze oder emulgatorfreie Cremes sind in diesem Fall vorzuziehen.
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Wasserfreie Cremes haben den Vorteil, dass sie ohne Hilfsstoffe wie Konservierungsstoffe und Konsistenzgeber auskommen, die zur mikrobiologischen und physikalischen Stabilisierung der Wasserphase bei Emulsionen eingesetzt werden. Bei Oleogelen (Lipogele) ist darauf zu achten, dass die Fettstoffe nur geringe Mengen an Paraffinen oder besser gar keine enthalten. Letztere ziehen nicht ein und hinterlassen an der Hautoberfläche einen als unangenehmen empfundenen Ölfilm.
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Ätherische Öle wie etwa Teebaumöl sowie Parfümstoffe gehören nicht in Kindercremes. Zum einen enthalten sie deklarationspflichtige allergene Komponenten, zum anderen entstehen allergene Abbauprodukte durch das Zusammenwirken mit Luftsauerstoff und Strahlung. Um letzteres zu unterbinden, werden wiederum Antioxidantien und Komplexbildner zugesetzt. Komplexbildner wie Ethylendiamintetraessigsäure und deren Salze, z. B. Disodium EDTA (INCI), sind für Pflegecremes nicht geeignet, da sie physiologisch wichtige Spurenelemente inaktivieren. Im Übrigen dienen Komplexbildner dazu, oxidationsanfällige Emulgatoren wie Polyethylenglykole (PEGs) oder empfindliche Naturstoffe zu stabilisieren. Vitamin E, gegebenenfalls in Kombination mit Vitamin C oder dessen Derivaten sind die bessere Wahl, garantieren allerdings nicht immer die vom Handel gewünschte lange Haltbarkeit bzw. Produkte ohne Haltbarkeitsdatum.
Kinderpräparate enthalten neben den Pflegestoffen, bei denen es sich wie beschrieben hauptsächlich um fett- und barriereaktive Stoffe handelt, weitere Wirkstoffe. Da Juckreiz bei Kleinkindern ein Thema ist, findet man in Pflegecremes und Pudern häufig Harnstoff (Urea), Allantoin und Fettsäureamide, aber auch Extrakte aus Aloe vera und Hamamelis. Hamamelis enthält wie Birken- und Eichenextrakt auch Gerbstoffe, die adstringierend, d. h. zusammenziehend wirken.
Problemfälle
Nach einem Insektenstich ist nicht immer ein Antihistaminikum oder Lokalanästhetikum aus der Apotheke notwendig. Nachtkerzen- oder Kiwiöl - beide enthalten hohe Anteile an Gamma- bzw. Alpha-Linolensäure - in Kombination mit einer harnstoffhaltigen Lotion oder Creme beheben das Malheur meist nach wenigen Minuten. Ist es einmal zu einer wunden Stelle durch das Reiben von Kleidung, Schuhen, durch Kratzen oder einen anderen Anlass gekommen, sind kleine Mengen einer Vitamincreme mit D-Panthenol, Vitamin A, C und E hilfreich und wirken recht schnell. Bei erhöhtem Einsatz sollte man auf Vitamin A verzichten, um eine Überdosierung zu vermeiden. Wie die Erwachsenen mögen die Kleinen leichte Massagen, zu denen man ein wenig Mandel-, Weizenkeim-, Traubenkern-, Avocado- oder Jojobaöl nehmen kann. Mischungen dieser Öle, in Form eines Massageöls sind ebenfalls gut geeignet. Wenn die Ratschläge zu Reinigung und Pflege befolgt werden, sind Beanstandungen seitens der Kinder kaum zu erwarten, es sei denn, sie möchten z. B. auf das Schaumbad nicht verzichten. Leider gilt für diese wie auch für die vielfach angepriesenen Ölbäder, dass sie durchweg Tenside oder Emulgatoren enthalten, d. h. man muss mit dem Verlust barriereeigener Stoffe und verstärkter Hautquellung rechnen. Das ist schade, denn es geht auch anders, wenn man auf Liposomen erzeugende Badezusätze mit hochwertigen Pflanzenölen zurückgreift. Diese Präparate sind auch geeignet, wenn eine Prävalenz zur atopischen Haut vorliegt. Sie sind aber verhältnismäßig teuer. Schwierig wird es generell bei angeborenen Barriere- oder Verhornungsstörungen bis hin zu seltenen epidermolytischen Situationen, wo es immer wieder zu Entzündungen und Infektionen kommt. Hier kann die kosmetische Hautpflege manchmal nur eine unvollkommene Hilfestellung leisten. Oder anders herum ausgedrückt: Alle oben genannten Kriterien für die Reinigung und Pflege wirken sich wesentlich gravierender aus, wenn sie nicht eingehalten werden.
Pflege mit Oleogelen
Die Folge: Es werden verstärkt pharmazeutische Präparate verabreicht - entgegen dem Grundsatz, dass die Medikation von z. B. Kortikoiden und Antibiotika auf einem möglichst niedrigen Level erfolgen sollte. So erscheint es praktisch, orale Antibiotika zu verordnen, wenn es zu oberflächlichen Infekten kommt, ist es aber auf lange Sicht nicht, da frühzeitige Resistenzen gegenüber pathogenen Keimen, Störungen der normalen Flora und Arzneimittelnebenwirkungen eintreten. Lokal angewandte chlorfreie Antiseptika wie Zinkoxid sind sicher aufwendiger zu handhaben, schließen aber systemische Wirkungen aus - eine Weisheit, die offensichtlich einigen Medizinern mittlerweile entgangen zu sein scheint. Sollte es einmal durch die häufige Reinigung zu einer perianalen Barrierestörung im Gesäßbereich kommen, können Sie diesen Bereich mit den oben genannten Oleogelen pflegen.
Leichte Reaktionen
Trockene Haut entsteht bei Kleinkindern eigentlich nur durch übertriebene Hygienemaßnahmen. Der Einsatz von feuchtigkeitsbindenden Wirkstoffen in Babypräparaten ist daher generell nicht notwendig, wobei multifunktionelle Stoffe wie Harnstoff, Allantoin, Glycerin und Phosphatidylcholin ohnehin einen diesbezüglichen Beitrag leisten. Wenn bei Hautrötungen harnstoffhaltige Präparate appliziert werden, kann es kurzzeitig zu einem kurzen Brennen auf der Haut kommen. Das ist unangenehm, aber nicht problematisch. Versuchen Sie einmal, das Präparat vor der Applikation in der Hand mit Wasser zu verreiben und nach und nach aufzutragen. Dadurch wird der Konzentrationseffekt gemildert. Die Resorption von Stoffen über die Haut ist bei Kleinkindern ein wichtiges Thema, denn sie geschieht wesentlich leichter als bei Erwachsenen. Daher kommt es leichter zu Reaktionen - natürlich auch bei Kosmetika, die für Erwachsene konzipiert sind. Reaktionen auf Konservierungsstoffe & Co treten schon bei niedrigen Dosierungen ein.
Dr. Hans Lautenschläger |