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Problemhaut – Rückfälle in Kosmetik und Dermatologie

 

Als Rezidiv bezeichnet man in der Medizin das Wiederauftreten („Rückfall“) einer Krankheit oder eines Befundes im Anschluss an eine abgeschlossene Behandlung. Auch in Dermatologie und Hautpflege gibt es Rückfälle, wenn eine Störung nach einer erfolgreichen Behandlungsphase wieder erscheint. Welche Ursachen die Rückfälle haben und bei welchen Indikationen die begleitende Hautpflege sinnvoll ist, erfahren Sie hier.

 

Es mag vergleichsweise banal klingen, wenn trockene Haut oder trockene Augen immer wieder auftreten und erneut behandelt werden müssen. Für die Betroffenen kann dies allerdings eine große Belastung im Alltag bedeuten. Daher ist es wie in der Medizin von Interesse, das erneute Auftreten zu vermeiden. Akne, Rosacea und periorale Dermatitis sind beispielhafte medizinische Indikationen, die zeigen, wie Hautpflege und Dermatologie ineinander übergehen.

Adjuvante Korneotherapie

Die Ursachen für Rezidive sind vielfältig und meist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Bei Infektionen ist etwa der vorzeitige Abbruch einer Antibiotika-Behandlung ein Grund für das Wiederaufflammen einer Hautreaktion. Aber auch eine lange Behandlung mit Corticosteroiden kann zu einer steigenden Empfindlichkeit gegenüber Mikroorganismen und Allergenen führen. Schuppenflechte ist nicht selten die Folge der Einnahme von Arzneimitteln wie Betablockern. In allen Fällen macht es Sinn, sich mit den Eigenheiten und potenziellen Nebenwirkungen von Arzneimitteln zu beschäftigen. Es gibt Indikationen, bei denen die begleitende Hautpflege (adjuvante Korneotherapie) im Hinblick auf die Zeit nach der medizinischen Behandlung eine große Hilfe sein kann. Zum Beispiel:

  • Neurodermitis zeichnet sich unter anderem durch eine gestörte Barriere aus. Barrierestörungen lassen sich effektiv mittels lamellarer Basiscremes abmildern oder ganz vermeiden. Ihr Prinzip besteht darin, die Fehlstellen der Hautbarriere durch physiologische Biomembranen (Bilayer), bestehend aus hydriertem Phosphatidylcholin und gegebenenfalls Ceramiden aufzufüllen.
  • Bei aktinischer Keratose entfalten Weihrauchextrakte eine entzündungshemmende Wirkung. Der Mechanismus ist unklar. Die darin enthaltenen Boswellia-Säuren hemmen zwar die 5-Lipoxygenase, die Wirkung wurde allerdings bisher nur in-vitro nachgewiesen.
  • Verhornungsstörungen wie die Akne sprechen gut auf liposomale Dispersionen niedrig dosierter Azelainsäure (≤ 1%) an. Die Liposomen-Membranen (Bilayer) bestehen aus nativem Phosphatidylcholin, das statt der gesättigten Säuren der hydrierten Variante chemisch gebundene, essenzielle Fettsäuren enthält.

Adjuvante Hautpflege lässt sich selbstverständlich auch zur Prävention und Nachsorge einsetzen. Sie ist deshalb so wichtig, weil es mit dem Absetzen medizinischer Dermatika zu einer Diskontinuität kommt, die durch die an die Indikation angepasste Hautpflege mindestens teilweise aufgefangen werden kann. Ideal ist es, wenn die gleiche Grundlage, wie eine Basiscreme, in Medikation und Hautpflege verwendet wird. Die dazu notwendige Kooperation von Dermatologie und Hautpflege (Kosmetik) ist jedoch nach wie vor selten anzutreffen.

Kosmetische Ursachen

Außer Arzneimitteln gibt es eine Reihe weiterer Ursachen, die wiederkehrende Hautreaktionen und Rezidive zur Folge haben. Bei Rosacea ist es die fettreiche Hautpflege, die eine explosionsartige Vermehrung anaerob lebender Keime begünstigt. In diesem Fall können wie bei der Akne Azelainsäure enthaltene Liposomen zusammen mit Boswelliasäuren helfen. Dabei fungieren die Boswelliasäuren als Proteasehemmer. In welchem Ausmaß endogene Proteasen, die antimikrobielle Proteine (AMP) abbauen, oder die Proteasen der beteiligten Mikroorganismen gehemmt werden, ist bis dato nicht bekannt. Die Rosacea zeigt deutlich die Bedeutung der Hautpflege – sowohl bei der Entstehung als auch der Prävention von Rezidiven.
Neben der  Überpflegung („zu viel“) muss selbstverständlich auch die Unterpflegung („zu wenig“) in Betracht gezogen werden. Zur Überpflegung gehört vielfach die Hygiene, wenn die Haut zu oft und zu intensiv den Tensiden von Reinigungsmitteln ausgesetzt ist. Dies führt fast zwangsläufig zu Barriereschäden, aus denen an bekleideter Haut, wie den Füßen oder dem Schambereich, immer wieder Pilz- und Bakterien-Infektionen resultieren. Die initialen Infektionen finden nicht in den Bädern, sondern außerhalb in den Barfußzonen statt und werden durch nachlässiges Abtrocknen und das verbliebene feuchte Milieu beschleunigt.
Enge, wenig durchlässige und reibende Kleidung ist bei empfindlicher Haut unbedingt zu vermeiden. Die Rasur von Achseln und Intimbereich tut ein Übriges, indem die durch die Haare gebildeten Luftpuffer bei Haut-Haut-Kontakten (Achseln) und zwischen Haut und Textilien (Schambereich) entfallen.

Routinemäßig durchgeführte Säurepeelings führen nicht nur zu Barriere- sondern langfristig auch zu oberflächlichen Bindegewebsschäden, die erfahrungsgemäß die vorhandene Prävalenz für Rosacea und periorale Dermatitis (POD) verstärken.  

Beeinflussung des Mikrobioms

Eine Quelle unerwünschter Reaktionen entspringt individuell ungeeigneten Inhaltsstoffen von Kosmetika. Während Allergien und Irritationen bisher immer nur den direkten Wirkungen dieser Stoffe auf die Haut zugeordnet wurden, sind mit der neuerlichen Einbeziehung des Mikrobioms noch ganz andere Ursachen zu beachten. Konservierungsstoffe beispielsweise beeinflussen das Spektrum der Hautflora und können zu unbeabsichtigten Resistenzentwicklungen unerwünschter, pathogener Keime führen. Gleiches gilt für hohe Konzentrationen von Antioxidantien und Komplexbildnern, die Oxidoreduktasen des Mikrobioms beeinflussen, deren Aufgabe unter anderem darin besteht, Säuren zu produzieren, die den Säuremantel (pH) der Haut bilden.
Wie bereits angedeutet, führen fettreiche, insbesondere aus inerten, nicht resorbierbaren Paraffinen bestehende Pflegeprodukte, zu einer Selektion und Bevorzugung von Anaerobiern und somit zu einer Änderung des naturgegebenen Gleichgewichtes innerhalb der Hautflora. Es kommt dann nicht nur bei Rosacea, sondern auch bei perioraler Dermatitis und zu Komedonen neigender Haut zu erneuten Entzündungen. Kurioserweise nehmen viele Magistralrezepturen der Apotheken darauf gar keine Rücksicht. So werden Antibiotika für diese Indikationen auch heute noch mit Vaseline und Paraffinen (z. B. Unguentum molle [weiche Salbe, DAC]) rezeptiert.
Hintergrund ist die Überlegung, dass pharmazeutische Wirkstoffe aus diesen Grundlagen besser verfügbar sind. Nachteil dieser Vorgehensweise ist aber das völlige Ausbremsen der Hautregeneration, die eine wesentliche Voraussetzung für den effektiven eigenen Schutz in der Zeit nach der medizinischen Behandlung ist. Pathogene Keime haben es dadurch leichter, ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen, wenn das Antibiotikum abgesetzt wird und der Zustand der Hautbarriere nicht optimal ist.

Alltagseinflüsse

Andere Ursachen von Rezidiven erscheinen eher marginal und werden daher gar nicht bewusst wahrgenommen. Dazu gehört zum Beispiel der Einfluss der Wasserhärte auf neurodermitische Erscheinungen. Die bereits geschädigte Haut wird durch das Eindringen der Härtebildner des Trinkwassers in Form von Calciumhydrogencarbonat (temporäre Härte) und Calciumsulfat (permanente Härte) weiter erodiert. Es bilden sich die Kalkseifen der in der Barriere befindlichen langkettigen Fettsäuren. Auch der dermale Säuremantel aus mittelkettigen Fettsäuren wird geschädigt.
Ein ähnliches Phänomen tritt beim ständigen Hantieren mit Kartonagen auf, in denen sich Füllstoffe wie Calciumcarbonat befinden. Calciumcarbonat schädigt beim Kontakt den Säuremantel und der trockene, aufnahmebereite Karton dehydratisiert laufend die Haut. Dadurch entstehen in Verbindung mit der mechanischen Beanspruchung Abnutzungsdermatosen (Kumulativ-subtoxisches Kontaktekzem), die das Eindringen weiterer Fremdstoffe und Mikroorganismen erleichtern. Atmungsaktive Baumwoll-Handschuhe sind ein wirkungsvolles Gegenmittel.
Schwierig wird es auch, wenn eine ständige physische Belastung stattfindet – wie die stundenlange Bildschirmarbeit ohne körperliche Bewegung. Das trockene Auge ist mittlerweile sehr verbreitet. Hier wird viel therapiert, wobei die kontinuierliche Applikation physiologischer Membranlipide (Phosphatidylcholin) in Kombination mit niedrig dosierten Vitamin A-Derivaten auf lange Sicht die größte Erfolgsaussicht hat. Auch Augengymnastik, die die Mikrozirkulation aktiviert, gepaart mit körperlicher Bewegung als Ausgleich zur sitzenden Tätigkeit sowie ausreichende Regenerationszeiten durch Schlaf und wenig Stress helfen, das Problem unter Kontrolle zu halten.
Hohen Belastungen ist auch das Flugpersonal ausgesetzt. Der tiefe Luftdruck und die niedrige Luftfeuchte in den Flugzeugen trocknet die Haut aus. Irritationen und Anfälligkeit gegen Allergene und Mikroorganismen sind vorprogrammiert, insbesondere wenn die Hautpflege nicht adäquat angepasst wird bzw. für diese Bedingungen nicht geeignet ist. Barriere-unterstützende Maßnahmen sind auch hier das Mittel der Wahl, wobei der Schwerpunkt auf dem Erhalt und der Verstärkung des NMF (Natural Moisturizing Factor) liegt. Zu intensive Reinigung nach Arbeitsende löst neben dem Make-up auch die Barrierelipide und schädigt den NMF. Dem kann nur durch weitgehend physiologische Zusammensetzungen – auch bei der Reinigung – begegnet werden.
Im gewerblichen Hautschutz wird heute immer noch darauf Wert gelegt, den hundertprozentigen Schutz gegenüber den Arbeitsstoffen zu gewährleisten. Dabei bleibt die Förderung der Regeneration während der Arbeit und in der arbeitsfreien Zeit meist auf der Strecke. Abrasiva bei der Reinigung tun ihr Übriges, um die Hautkondition kontinuierlich zu beeinträchtigen. Am Ende des Winters und zu Beginn des Frühjahrs ist ein Maximum von krankheitsbedingten Ausfällen zu verzeichnen, da die Hautkondition zusätzlich saisonalen Schwankungen unterworfen ist.

Periphere Faktoren

Neben körperlicher Inaktivität und Körpergewicht, die sich naturgemäß nicht nur auf den Stoffwechsel und somit letztendlich auch auf die Haut auswirken, können unausgewogene Ernährung (Vitaminmangel), vor allem aber hormonelle Einflüsse wie Pubertät, Periode, Klimakterium und Menopause sowie andere altersbedingte Veränderungen als persönliche Faktoren additiv dazu beitragen, dass der Rückfall in ein Hautproblem früher oder intensiver eintritt.
Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein; ein Rezidiv bleibt aus. Die psychische Verfassung ist ein wesentlicher Faktor, insbesondere bei Indikationen wie neurodermitischer Haut, Rosacea und perioraler Dermatitis.
Darüber hinaus gibt es aus eigener Erfahrung immer wieder Fälle, in denen Kliniken Patienten entlassen, die als austherapiert gelten. D. h. die formale, Leitlinien-basierte Therapie mit Arzneimitteln wird erfolglos abgebrochen. Mehr noch, es hat eine Verschlechterung stattgefunden.
Bei näherer Betrachtung kann man feststellen, dass individuelle Kondition und das Alter (Kleinkinder) meist nicht berücksichtigt wurden oder beispielsweise die orale Applikation von Pharmazeutika einer angepassten topischen Behandlung vorgezogen wurde. In diesen Situationen können modulare kosmetische Behandlungen, die sich an die Korneotherapie von Prof. A. Kligman anlehnen, Wunder bewirken, da es nicht zu den typisch kontraproduktiven und bei mehreren Arzneimitteln kumulativen Nebenwirkungen kommt.
Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in der Therapie wird häufig außer Acht gelassen. Diesbezüglich ist es wünschenswert, den Grundlagen der Hautpflege in der dermatologischen Ausbildung mehr Bedeutung beizumessen. Sie tragen mindestens 50% zum Erfolg bei und helfen Rückfälle zu vermeiden.

Blau: Nicht in der ursprünglichen Publikation enthalten


Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Beauty Forum
2022 (3), 56-57 und 2022 (5), 56-57

 
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