Die Sonnenstrahlung besteht aus vielen Wellenlängen, die unterschiedlich tief in die Haut eindringen und vielfältige Reaktionen auslösen. Nahezu jede Wellenlänge kann Radikale erzeugen - mit schützender, regenerativer oder schädlicher Wirkung. So stimulieren Strahlung und Radikale die Melaninbildung (Hautschutz), starten die Vitamin D3-Synthese (Gesundheit), wirken zusammen mit Wärme antientzündlich (Heilung), stärken das Immunsystem (Prävention gegen Infektionen), lösen Entzündungen aus (Sonnenbrand), regen Kollagen-abbauende Enzyme an (Alterung) oder erzeugen DNA-Veränderungen (Karzinogenese). Die Dosis ist entscheidend Der Satz des Paracelsus besagt, dass die Dosierung entscheidend ist, ob ein Stoff giftig ist. Er gilt ebenso für physikalische Einflüsse wie Strahlung und Energie. Energie ist als Wärme (niedrige Dosierung) nützlich, während Hitze (hohe Dosierung) schädlich ist und ggfs. sogar Verbrennungen erzeugt. Bei der Strahlung hängt die Schädlichkeit vom aufgebauten Eigenschutz ab. Dies entspricht Großmutters Ratschlag, mit kurzen Sonnenaufenthalten zu beginnen, diese dann allmählich so zu steigern, wie sich der Eigenschutz durch die Melanin-Bildung aufbaut. Hintergrund: Melanin wandelt UV-Strahlung nahezu 100%ig in Wärme um, hat aber wie jeder Lichtschutzfilter eine begrenzte Wirkung, die von der Verteilung der Melanozyten und den von ihnen zum Transport in die Keratinozyten bereitgestellten Melanosomen abhängig ist. Ohne äußerlichen Schutz dringt UV-A-Strahlung (315-380 nm) bis zur Dermis (Lederhaut) vor, erzeugt Radikale und schädigt die Kollagenstrukturen. Die Hautalterung wird beschleunigt. Das Erythemrisiko ist gering, es besteht jedoch infolge der DNA-Schäden ein ernst zu nehmendes Risiko für spezielle Hautkrebsformen. UV-B-Strahlung (280-315 nm) gelangt in die Epidermis (Oberhaut) und ist für den Sonnenbrand (Erythem) und die Erhöhung des Hautkrebsrisikos verantwortlich. UV-B induziert aber auch die Bildung von Melanin und damit eine Erhöhung der Eigenschutzzeit. Geringe Dosen UV-B sind wegen der Bildung von Vitamin D3 (Cholecalciferol) für die Gesundheit förderlich. Die im Sonnenlicht auch enthaltene UV-C-Strahlung (100-280 nm) wird bereits in der oberen Atmosphäre absorbiert. Lichtschutzfaktoren Für die UV-B-Strahlung ist der Lichtschutzfaktor (LSF) eines Präparates durch die minimale Erythemdosis der geschützten Haut, geteilt durch die minimale Erythemdosis der ungeschützten Haut, definiert. Daraus ergibt sich: Eigenschutzzeit x LSF = maximale Aufenthaltsdauer in der Sonne. Das EU-Symbol - UVA in geschlossenem Ring - bedeutet: Der UV-A-Schutz beträgt mindestens ein Drittel des UV-B-Filters. Lichtschutzfaktoren werden mit einer Auftragsmenge von 2 mg Sonnencreme pro Quadratzentimeter Haut bestimmt. Das bedeutet, in der Praxis muss ebenso viel gecremt werden. Der UV-A-Schutz wird nach der in-vivo PPD-Methode (PPD = Persistent Pigment Darkening) oder einer korrelierenden in-vitro-Messung der COLIPA (European Cosmetics Association) gemessen. Die zusätzliche Angabe der kritischen Wellenlänge ist ein Filter-Qualitätsmerkmal und erlaubt eine technische Aussage über die Bandbreite der UV-A-Filter im langwelligen Bereich. Die LSF-Angaben unterscheiden sich regional durch unterschiedliche Standards. Europa: ISO 2444:2010 und ISO 24443:2012 (UV-A). USA: FDA 2011 21 CFR Parts 201/310 (Bemerkung: die zugelassenen Filter sind veraltet und lassen eine vergleichsweise hohe Radikalbildung zu). Australien/Neuseeland: AS/NZS 2604:1998; aufgrund der überwiegend keltischen Haut ist mind. Sun Protection Factor (SPF) 25 gesetzlich vorgeschrieben. Japan hat ebenfalls einen eigenen Standard. Die Werte der Filter-Standards sind nicht direkt miteinander vergleichbar. Die Effektivität beträgt beim europäischen LSF 6: 83,3% Schutz, 10: 90%, 15: 93,3%, 20: 95%, 25: 96%, 30: 96,7%, 50: 98%, 50+: >98%. Eigenschutzzeit der Haut Um die individuelle maximale Aufenthaltsdauer in der Sonne abzuschätzen, muss man die Abhängigkeit der Eigenschutzzeit von lokalen und atmosphärischen Faktoren kennen. So hat die Eigenschutzzeit aufgrund des Sonnenstandes naturgemäß um 12 Uhr mittags Ortszeit ihr Minimum (Sommerzeit beachten!), darüber hinaus auf der Nordhalbkugel ein Minimum am 21. Juni und auf der Süd-Halbkugel am 21. Dezember. Am Äquator gibt es zwei Minima, und zwar am 21. März und am 23. September. Andere Faktoren wie die Aufenthaltshöhe im Gebirge, vergleichsweise reine Luft, hohe Strahlen-Reflexionen durch Wasser, Sand und Schnee reduzieren die Eigenschutzzeit ebenfalls, während sie mit zunehmender Bewölkung steigt. Bei Nebel und Hochnebel ist allerdings die Streustrahlung zu beachten. Eine Orientierung gibt der UV-Index (UVI) des Bundesamtes für Strahlenschutz für Orte auf der ganzen Welt. Er liegt in Deutschland im Winter bei 0, im Sommer bei maximal 8 und am Äquator und höchstem Sonnenstand bei bis zu 13 (z. B. Singapur, Meereshöhe). Gemäß Faustregel beträgt der anzuwendende LSF mindestens 2 x UVI, für Kleinkinder gilt 4 x UVI, wobei Kleinkinder ungeschützt keiner direkten Strahlung ausgesetzt sein dürfen. Sehr empfindlich ist der keltische Hauttyp mit einer Eigenschutzzeit in Mitteleuropa von nur 5-10 Minuten. Produkte zum Sonnenschutz Lichtschutzfaktoren von Sonnenschutzprodukten sind individuell so zu bemessen, dass sie die Reststrahlung in etwa unschädlich machen, die nicht vom Melanin absorbiert wird, das heißt, in Wärme umwandeln. Damit ist gewährleistet, dass die Melaninbildung für den Schutz und die Vitamin D3-Synthese immer noch angeregt werden. Zusätze von Antioxidantien sind kontraproduktiv, da sie Tyrosinase und Melaninbildung hemmen. Das gilt auch für Präparate, die während der radikalgesteuerten Regeneration nach einem Sonnenbrand verwendet werden. Gegen Antioxidantien spricht auch ihr schneller Abbau unter dem Einfluss von Strahlung und Luftsauerstoff. Sie müssten daher in unverhältnismäßig hohen Konzentrationen eingesetzt werden. In hohen Dosierungen lösen aber selbst Vitamin C und Vitamin E pro-oxidative Radikalkettenreaktionen aus. Sonnenschutzprodukte schützen nicht vor der intensiven Infrarotstrahlung der Sonne, welche die vorzeitige Hautalterung, unter anderem durch Kollagenabbau, signifikant beschleunigt. In moderater Dosierung kann die Infrarotstrahlung jedoch regenerativ wirken (vgl. Infrarot-Lampe) und Heilungsprozesse anregen. Radikalfänger statt Ganztagesschutz Tagescremes mit UV-Filtern im Alltag machen wenig Sinn. Dagegen ist immer darauf zu achten, den NMF (Aminosäuren) der Haut, der einen natürlichen Radical Scavenger darstellt, optimal zu unterstützen. Sofern Hyperpigmentierungen unterbunden werden sollen, sind neben dem Aufenthalt im Schatten Melanin-hemmende Wirkstoffe wie Ascorbylphosphat (Vitamin C-Phosphat), Azelainsäure, Tranexamsäure, Kojisäure, Niacinamid mit Phosphatidylcholin als liposomalem Carrier empfehlenswert After-Sun-Präparate Nach einem Sonnenbrand wirken topisch applizierte ω-3- und ω-6-Fettsäuren in Form nanodisperser wässriger Lösungen von Lein-, Kiwi-Kern-, Nachtkerzen-, Borretsch- und Hagebutten-Kernöl sowie Phosphatidylcholin und Echinacea-Extrakt entzündungshemmend. Erst wenn die Hautoberfläche trocken ist, werden Cremes mit entsprechenden Wirkstoffen eingesetzt. Sofern mit bakteriellen Interaktionen zu rechnen ist, sind Boswellia-Extrakt (Protease-Inhibitor), Azelainsäure (5-α-Reduktase-Inhibitor), Phosphatidylserin (Makrophagenaktivierung) geeignete Additive. Als regenerative Wirkstoffe für After-Sun-Präparate sind Retinoide - wie etwa Vitamin A (Retinol) und dessen Ester, Retinal (Aldehyd), Provitamin A (Carotinoide; Astaxanthin) - und Vitamin B3 (Niacinamid) sowie Provitamin B5 (D-Panthenol) gut geeignet. Neben dem Sonnenbrand treten Lichtschäden in Form von Photosensibilisierungen und Irritationen auf. Auslöser können Medikamente wie Psychopharmaka, Zytostatika, Chemotherapeutika und Johanniskraut-Präparate (frei verkäuflich) sowie Kosmetikbestandteile wie Terpene (z. B. Bildung von Ascaridol aus Teebaumöl), Bergamotteöl (Bergapten), Polyethylenglykole (Peroxide) und ungesättigte Öle (Peroxide), aber auch Kontakte mit Herkulesstaude und Wiesen-Bärenklau (Fucocumarine) bei Sonnenexposition sein. Soweit es sich dabei um Hyperpigmentierungen handelt, können diese durch pharmazeutische und kosmetische Säure-Peelings sowie Mikrodermabrasion schrittweise abgetragen werden. Entzündliche Prozesse müssen ärztlich behandelt werden. In diesem Zusammenhang sind postinflammatorische oder frequenzbedingte Hyperpigmentierungen zu erwähnen, die durch Einsatz von liposomalem Ascorbylphosphat vor und nach Laserbestrahlung unterbunden werden können. Eine Folge wiederholter und längerer Sonnenbelastung kann die aktinische Keratose sein. Dermatologisch wird sie unter anderem mit Diclofenac, 5-Flurouracil, oder photodynamischer Therapie (5-Aminolävulinsäure/kaltes Rotlicht) und kosmetisch indikationsbegleitend mit Boswellia-Extrakt behandelt. Beispiele für endogen verursachte Lichtdermatosen sind Mondscheinkrankheit (lebensbedrohender Gendefekt), Lupus erythematodes (Autoimmunkrankheit), Stoffwechselstörungen (z. B. erythropoetische Protoporphyrie), polymorphe Lichtdermatosen und Lichturtikaria. Neben präventiven Lichtschutzpräparaten und Sonnenabstinenz ist die Hautpflege von symptomatischer Natur: Entzündungshemmung (s. o.), Juckreiz-hemmende Stoffe wie Harnstoff, adstringierende Präparate (Gerbsäure, Hamamelis) und Wirkstoffe gegen Hyperpigmentierungen und Regenerationsunterstützung (s.o.). Pflege nach γ-Bestrahlungen Nach medizinischen γ-Bestrahlungen treten Nebenwirkungen wie trockene Haut - verbunden mit einem hohen transepidermalen Wasserverlust (TEWL) - auf, wenn die Haut das Durchgangsorgan ist. Darüber hinaus können Rötungen (Erythem und Entzündung) ähnlich einem Sonnenbrand entstehen (Radiodermatitis) und Matrix-Metalloproteinasen stimuliert werden, die Kollagen-abbauend wirken. Die Anregung der Tyrosinase (postinflammatorische Hyperpigmentierung) erzeugt Dunkelfärbungen auf der Haut. Auch aktinische Hautschäden (Keratosen) sind möglich. Die indikationsbegleitende kosmetische Pflege konzentriert sich dabei auf Behandlungen mit emulgatorfreien, vorzugsweise lamellaren Cremes oder Oleogelen (wasser- und mineralölfrei). Wirkstoffe sind Moisturizer wie Aminosäuren, Alginsäure, CM-Glucan, Hyaluronsäure, D-Panthenol und Aloe vera, adstringierende Wirkstoffe wie Hamamelis und grüner Tee, entzündungshemmende Komponenten wie essenzielle Fettsäuren in Form von Kiwi-Kern-, Lein-, Nachtkerzenöl und Phosphatidylcholin sowie. Boswelliasäuren. Als Proteasehemmer hemmen letztere zusammen mit Ascorbylphosphat auch den Kollagenabbau. Den Juckreiz inhibieren Harnstoff und langkettige Carbonsäureamide. Betr. Hyperpigmentierung und Regeneration können die oben bereits genannten Inhaltsstoffe eingesetzt werden.
Dr. Hans Lautenschläger |