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Mikrobiom und Hautentzündungen

 

Entzündliche Prozesse in der Haut entstehen durch äußere Einflüsse oder endogene Veranlagungen. Häufige Ursache ist ein gestörter Stoffwechsel, der durch veränderte Enzymkonzentrationen oder Enzymdefekte gekennzeichnet ist. Dadurch können unter anderem Schutzmechanismen in der Epidermis geschwächt werden.

 

Wenn beispielsweise die Filaggrin-Proteine die bei der Verhornung gebildeten Keratin-Strukturen nur unzureichend vernetzen oder Proteasen beim Auf- und Abbau der antimikrobiellen Peptide (AMP) für Ungleichgewichte sorgen und der Abbau dominiert, kommt es an der "Demarkationslinie" zwischen körperlichen Strukturen und dem natürlichen Mikrobiom der Haut sowie transienten exogenen Keimen zu Konflikten. Fakultativ pathogene Populationen vermehren sich.
Das Immunsystem reagiert darauf mit einer wiederum enzymgesteuerten, kaskadenartigen Bildung von Entzündungsmediatoren. Nach außen hin sichtbar werden Rötungen, Schwellungen, ggfs. lokale Erwärmung und Schmerz sowie Ekzeme, aufflammende Neurodermitis und Rosacea etc.

Hygiene & Co

Ähnliche Abläufe treten ein, wenn das Mikrobiom durch äußere Umstände gestört wird, z. B. wenn die an sich schützenden, residenten Keime durch falsch verstandene Hygiene, Arbeits- und Haushaltschemikalien angegriffen und dezimiert werden. Das macht es fremden, infektiösen Keimen nachfolgend leicht, sich gegen die verbliebene residente Flora durchzusetzen und in die Haut vorzudringen. Pilzinfektionen an den Füßen, Schleimhautentzündungen an Nase und im Intimbereich sowie Augenentzündungen nach Besuchen von Schwimmbädern und warmen Pools, deren gechlortes Wasser in der Regel antiseptisch wirkt, machen die Situation deutlich. Die Infektionen finden nicht im Wasser, sondern kurze Zeit danach statt.

Hautpflege

Ein weiterer Faktor sind Hautpflegemittel und ihre Inhaltsstoffe, die dazu beitragen, den hautinternen Verteidigungswall, bestehend aus antimikrobiellen Peptiden (AMP) und der residenten Hautflora zu beeinflussen - häufig in negativen Sinne. Das heißt, selbst eine gut gemeinte Hautpflege kann kontraproduktiv sein und zu einer Problemhaut führen. Dazu nur einige Beispiele:

  • Die in der Kosmetikverordnung (KVO) gelisteten Konservierungsstoffe schützen zuverlässig Kosmetika bei der Lagerung und nach Öffnung beim Gebrauch. Wie Antibiotika wirken die konservierten Kosmetika aber in unterschiedlicher Weise selektiv auf die Keime des residenten Mikrobioms ein und erzeugen Ungleichgewichte. Einige Keimarten werden reduziert, resistentere können sich dadurch stärker ausbreiten.
    An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich antiseptische Substanzen, wie das bereits erwähnte, in Schwimmbädern eingesetzte Chlor oder Hypochlorit, sowie Jodlösungen und Wasserstoffperoxid, aber auch Aluminiumchlorid und essigsaure Tonerde, von den meisten Konservierungsstoffen dadurch unterscheiden, dass sie nicht nur Keime, sondern organische Strukturen jedweder Art chemisch angreifen und denaturieren.
  • Die Auswirkungen der gegenwärtig so beliebten Antioxidantien auf das Mikrobiom sind völlig unbekannt. Nicht nur das, auch die Disulfid-Brücken vernetzter endogener Proteine (s.o.) können gegebenenfalls mit starken Antioxidantien unter Aufspaltung reagieren. Der immer noch zu beobachtende Wettbewerb betr. der Steigerung des antioxidativen Potenzials und der Konzentration dieser Substanzgruppe in Kosmetika dürften - um es vorsichtig auszudrücken - nicht zielführend sein. Man vergleiche nur die Chemie der Dauerwellenbildung, die initial mit einem Antioxidans beginnt.
    In diesem Zusammenhang sind auch starke, physiologisch nicht abbaubare Komplexbildner wie EDTA zu nennen, die durch Bindung von Schwermetallen die Antioxidantien unterstützen und Autoxidationen unterbinden. Sie greifen zwangsläufig sowohl in den Schwermetall-Stoffwechsel der Hautflora als auch in den der endogenen Oxidoreduktasen ein - inklusive der unter ihnen befindlichen AMPs.
  • Die Wirkung von Emulgatoren und Tensiden ist ambivalent. Man braucht sie zwangsläufig für die Hautreinigung, aber auch für die stabile Verteilung von Fetten und Ölen in wasserhaltigen Cremes, will man nicht auf lamellare, emulgatorfreie Formulierungen ausweichen, die mit höheren Produktionskosten verbunden sind.
    Emulgatoren greifen unter anderem die zellulären und extrazellulären Bilayer-Strukturen der Hautbarriere und der Hautflora an. Vertreter mit hoher kritischer Micellenkonzentration (Die Critical Micelle Concentration - CMC - ist eine Stoffkonstante) sind so aggressiv, dass sie Irritationen auslösen - Beispiel: Sodium Lauryl Sulfate (INCI). Um die genannten Interaktionen möglichst gering zu halten, sollten die eingesetzten Emulgatoren physiologisch abbaubar sein, über eine möglichst kleine CMC verfügen, Hautreinigungspräparate bei der Anwendung möglichst gering dosiert und in möglichst geringer Frequenz verwendet werden.
  • Bei der Mikrodermabrasion werden verfahrensbedingt Hautbarriere und Mikrobiom geschädigt. Daher sollte man große Sorgfalt auf die Regeneration legen und sich generell nicht nur mit den bereits genannten Hilfsstoffen, sondern auch bei den Wirkstoffkonzentrationen zurückhalten, wenn die Auswirkungen und insbesondere Langzeiteffekte in der Routineanwendung unbekannt sind. Erfahrungen bei keltischer Haut zeigen, dass bei vergleichbaren Peelingergebnissen mit Fruchtsäuren die Disposition zu Erscheinungen wie Rosacea und perioraler Dermatitis zunimmt.

Entzündung

Ein wesentlicher Gesichtspunkt, entzündliche Reaktionen der Haut bzw. Infekte präventiv zu minimieren, ist es, Synergien von Haut und Mikrobiom zu nutzen, nicht (unbewusst) gegen die Hautflora zu arbeiten oder durch Überpflegung Ungleichgewichte zu erzeugen.
So erhöhen zum Beispiel hohe, meist als angenehm empfundene Fettgehalte in Cremes das Verhältnis anaerober zu aeroben Keimen. Bei Störungen des Bindegewebes und der oberflächlichen Blutkapillaren führt dies häufig nach kurzer Zeit zu entzündlichen Prozessen, die nur noch mit topischen Antibiotika unter Kontrolle gebracht werden können. Der Verlauf ist typisch für Rosacea. Ein Ausweg kann es in diesem Fall sein, mit zusätzlichen Wirkstoffen spezifische Enzyme der Anaerobier und damit auch ihre Vermehrung zu hemmen.
Letztendlich werden mit allen Manipulationen an der Haut, sei es durch Hygiene, durch Pflegeprodukte, Peelings oder Arbeitsstoffe in Beruf und Haushalt Gegenreaktionen seitens der Mikroflora der Haut ausgelöst. Umgekehrt heißt das, dass mit der Minimierung der Manipulationen und dem möglichst naturbelassenen Zustand der Haut die Anzahl potenzieller Probleme abnimmt.

Probiotika

Eine andere Idee besteht darin, die Haut von außen durch "gute" Bakterien in Form probiotischer Präparate zu versorgen, so dass es an der Demarkationslinie zwischen Haut und Mikrobiom friedlich bleibt und das Miteinander von Körper und Mikrobiom gefördert wird. Im Lebensmittelbereich sind Probiotika wie Sauerkraut und Kimchi seit Urzeiten bekannt, in der Hautpflege ebenfalls, wenn man an Joghurt und Frischkäse denkt, die als Masken auf Haut und Wunden gelegt wurden. Die ersten kosmetischen Fertigpräparate mit Milchsäurebakterien sind ebenfalls seit einigen Jahrzehnten auf dem Markt, konnten sich aber nicht wirklich durchsetzen. Die Gründe sind vielfältig:

  • Bakterienhaltige Präparate erfordern adäquate Lagertemperaturen und sind nicht über längere Zeit stabil.
  • Die Wirkungen auf das Mikrobiom sind nicht validiert. Das Zurückdrängen schädlicher Mikroorganismen ist im Prinzip ein wünschenswertes Ziel, das Resultat lässt sich aber hinsichtlich des Nutzens schwer nachweisen. Die Frage, ob die Dominanz von Milchsäurebakterien auf Kosten von anderen, ggfs. auch "nützlichen" Bakterien sinnvoll ist, lässt sich nicht einfach beantworten. Das heißt, es ist eher eine "auf gut Glück"- und "schädlich kann es nicht sein"-Strategie
  • Die Präparate gelten unter heutigen Gesichtspunkten formal als keimbelastet, wobei Mutationen und kleine Mengen einer anderen Spezies nicht ausgeschlossen werden können. Mit anderen Worten: Die Qualitätssicherung ist alles andere als einfach. Dagegen ist die Situation bei Joghurt-Kulturen im Lebensmittelbereich mit ihrer kurzen Haltbarkeit unkompliziert.

Bereits bei der Geburt scheint es für die sich etablierende Hautflora und die damit verbundenen Schutzfunktionen wichtig zu sein, die äußerlichen Keime der Mutter mitzubekommen - im Vergleich zu Kaiserschnittgeburten etwa, die in einer aseptischen Umgebung ablaufen. Auch später wird das Immunsystem durch ungefilterte äußere Einflüsse besser trainiert und widerstandsfähiger als in einer klinisch sauberen Umgebung.

Präbiotika

Eine mit Kosmetika wesentlich einfacher zu realisierende Möglichkeit, das Mikrobiom und seine nützlichen Funktionen zu unterstützen, sind Präbiotika. Sie können als Nahrungsmittel (Substrate) für das Wachstum bestimmter Spezies dienen. Diese Strategie verfolgt man im Lebensmittelbereich mit Ballaststoffen, Zusätzen und Nahrungsergänzungsmitteln, die im Dickdarm bevorzugt von bestimmten Bakterien verstoffwechselt werden. Hinsichtlich Haut und Schleimhäuten sind Milchsäuresubstrate bekannt. So wird der pH-Wert des vaginalen Sekrets durch Milchsäurebakterien erzeugt, die Maltose und Dextrose abbauen, die "in natura" aus der Spaltung von Glykogen resultieren. Wenn es darum geht, therapiebegleitend das natürliche Scheidenmilieu wiederherzustellen, kommen auch Probiotika zum Einsatz, die Milchsäure und Milchsäurebakterien freisetzen sowie den pH-Wert von circa 4 stabilisieren.
Auf der Haut scheinen nach Applikationen von Polysacchariden ähnliche Verstoffwechselungen stattzufinden. So ist die Wirkung kurzkettiger Hyaluronsäure vermutlich auch auf ein Abbau-Phänomen unter Bildung von Acetyl-Glucosamin zurückzuführen.

Ausschluss kontraproduktiver Stoffe

Viel wesentlicher sind aber Antworten auf die Frage, wie man eindeutig kontraproduktive Inhaltsstoffe wie Konservierungsstoffe, Komplexbildner, Emulgatoren und Tenside in Kosmetika durch Mikrobiom-unschädliche Substanzen ersetzen kann. Zum Beispiel: Wie können Kosmetika ohne Konservierungsstoffe mikrobiell stabil gelagert und genutzt werden. Die derzeit am häufigsten praktizierten Möglichkeiten sind hypertonische wässrige Phasen, die durch großflächige Verteilung für das Mikrobiom verträglich werden, niedrigkonzentrierter Alkohol, der zum großen Teil direkt verdunstet oder Glycerin und Glykole, die einerseits fein verteilt und andererseits abgebaut werden können.
Bei Komplexbildnern ist EDTA durch kurzlebige Substanzen wie physiologische Zitronensäure zu ersetzen. Emulgatoren in Cremes können meist durch Phosphatidylcholin substituiert werden, das lamellare, mit der Barriere verwandte, ebenfalls physiologische Strukturen erzeugt. Für Tenside wurde die Zielrichtung bereits oben (off-line) beschrieben.

Unmittelbar nach Beginn der Diskussion über die Funktionen des Mikrobioms wurden die ersten Produkte angeboten, die dem Verbraucher angeblich präbiotisch oder probiotisch Vorteile bieten. Die Realität sieht aber so aus, dass zurzeit so gut wie nichts über die Interaktionen bei der Applizierung von Kosmetika bekannt ist.

Darüber hinaus gibt es auch hinsichtlich oraler und topischer Arzneimittel bisher wenige Erkenntnisse, ob deren Nebenwirkungen in Form entzündlicher Hautveränderungen mehr den endogenen Vorgängen in der Epidermis oder der Beeinflussung des Mikrobioms bzw. einem Wechselspiel von beiden zuzuordnen sind. Erfahrungsgemäß wird die Tätigkeit fakultativ pathogener Pilze häufig durch orale Antibiotika angeregt, um nur ein Beispiel zu nennen.

Blau: online unter www,beauty-forum.com veröffentlicht


Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Beauty Forum medical
2019 (4), 24-25

 
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