Die Berufsverbände haben es lange Jahre versäumt, Qualitätsstandards zu formulieren, die den Instituten eine besondere, zertifizierte Leistung bescheinigen. Generell ist das Marketing der dominierende Faktor innerhalb der Kosmetik. Fundierte Hintergrundinformationen über die verwendeten Stoffe und Behandlungen geraten ins Hintertreffen und die Nachhaltigkeit lässt zu wünschen übrig.
Nachhaltigkeit
In diese Lücke stößt die Korneotherapie, die der im Jahre 2010 verstorbene Prof. Dr. Albert Kligman ins Leben gerufen hat. Er war es, der in Studien nachwies, dass in der Kosmetik verwendete Stoffe eine nachhaltige Wirkung bei dermatologischen Indikationen wie der atopischen Haut entfalten können. In seinen Untersuchungen spielte die Wiederherstellung der gestörten Hautbarriere eine vorrangige Rolle. Daher die Namensgebung "Korneotherapie", die auf die Bedeutung des unversehrten Stratum corneums für die Gesunderhaltung der Haut hindeutet.
Parallele Entwicklungen
Fast zeitgleich zu den Kligman-Arbeiten wurden in den neunziger Jahren die ersten lamellaren Hautschutzpräparate entwickelt, deren Zusammensetzung nicht nur zu den physiologischen Anforderungen, sondern auch in physikalischer Hinsicht zu den lamellaren Lipid-Doppelschichten der Hautbarriere passten. Die Grundidee bestand darin, das von den ebenfalls lamellar aufgebauten Zellmembranen bekannte Phosphatidylcholin für die Schutzcremes zu verwenden. Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits Erfahrungen mit den in Größe und Zusammensetzung zellähnlichen, Phosphatidylcholin-haltigen Liposomen vor, die aufgrund ihrer hohen Penetrationsverstärkung auf die meisten in der Kosmetik verwendeten Hilfsstoffe wie etwa Konservierungsstoffe verzichteten. Es wurden auch zusätzliche Emulgatoren vermieden, die für die unerwünschten Auswascheffekte der Pflegeprodukte bei der Hautreinigung verantwortlich sind. Um die im Gegensatz zu den zellähnlichen Liposomen flachen Lipid-Doppelschichten der Hautbarriere zu realisieren, wurde lediglich die Fettsäurebesetzung des Phosphatidylcholins geändert. Die im Molekül gebundenen ungesättigten Säuren wurden gegen ihre ebenfalls physiologischen gesättigten Verwandten ersetzt.
Viele Einsatzmöglichkeiten
Mit den neuen Entwicklungen konnte die Korneotherapie, der es ursprünglich um die Behebung von Barrierestörungen und die damit einhergehende Beeinflussung von Hautfeuchte und transepidermalem Wasserverlust ging ("Wasser-Dermatologie"), auf Verhornungs- und Bindegewebe-Störungen ausgedehnt werden. Die Moskauer Professorin Dr. Ksenija Suvorova prägte den Begriff "Adjuvante Korneotherapie" für die Fälle, in denen zur medizinischen Indikation und Behandlung eine adäquate, angepasste korneotherapeutische Hautpflege erfolgt.
Bisher nicht weit verbreitet
Zurückblickend auf die Historie stellt sich die Frage, warum sich die Korneotherapie bis jetzt nicht zu einem breiten Mainstream entwickelt hat. Die Antworten sind naheliegend:
- Sowohl in der Kosmetik als auch in der Dermatologie sind chemisches, physikalisches und biologisches Basiswissen nicht weit verbreitet, um die komplexen Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung bei einer Indikation zu erfassen und auf die Behandlung mit geeigneten Zusammensetzungen zu übersetzen.
- Dermatologen kennen sich in pharmazeutischen Wirkstoffen sehr gut aus, in der Regel aber nicht in den stofflichen Eigenschaften etwa von Basiscremes. Noch heute ist die häufigste Standardfrage bei der Vorstellung einer topischen Creme, wie hoch denn der Lipidgehalt sei, ohne nach Art und Konzentration der Emulgatoren zu fragen.
- Die korneotherapeutische Behandlung mit geeigneten Zusammensetzungen setzt modulare, aufeinander abgestimmte Komponenten voraus, die ähnlich den Magistralrezepturen in der Apotheke angepasste Rezepturen in den Instituten ermöglichen.
- Die Zusammenarbeit zwischen dermatologischen Praxen und kompetenten Kosmetikinstituten hat immer noch Seltenheitswert – ähnlich der Nadel im Heuhaufen.
Behandlungskomponenten
Nicht jede stoffliche Zusammensetzung ist für die Korneotherapie geeignet. Ohne ins Detail zu gehen, ist das Kriterium die physiologische Kompatibilität der eingesetzten Komponenten mit der Haut, ihrer Kondition, der vorliegenden Indikation sowie dem Mikrobiom, das die Haut umgibt. Mit anderen Worten: Es sind physikalische, chemische, biochemische und mikrobiologische Vorgänge zu berücksichtigen, die darüber entscheiden, Komponenten einzusetzen oder auszuschließen. Es gibt aber auch grundsätzlich kontraproduktive Komponenten wie die bereits erwähnten Hilfsstoffe, auf die von vornherein verzichtet werden sollte. Die ständige Auswertung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ist die Voraussetzung, die Korneotherapie diesbezüglich weiter zu optimieren.
Literatur
- Korneotherapie – Bindeglied zwischen Dermatologie und Kosmetik, 1. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2022, ISBN 978-3-7692-7893-4
- Die Haut und ihre Pflege, Chemie in unserer Zeit 55 (5), 306-319 (2021)
Hinweis
Die International Association for Applied Corneotherapy (I.A.C.) ist eine Non-Profit-Organisation (NPO), die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Korneotherapie von Prof. Kligman zu verbreiten, weiter zu entwickeln und den Beschäftigten in Dermatologie und Kosmetik fachlich zugänglich zu machen. An den Tagungen können auch Nichtmitglieder teilnehmen.
Dr. Hans Lautenschläger |