Haptik, Sensorik und Praktikabilität von Produkten stehen für die Verbraucher meist im Vordergrund. Demgegenüber steht als eigentliches Ziel die Effektivität, die davon abhängig ist, wie Inhaltsstoffe verarbeitet werden - d. h. beispielsweise in einer wässrigen Lösung, einem Gel oder einer Emulsion. Davon abhängig ist, wie schnell und wie lange eine Formulierung wirkt und wie hoch die Verfügbarkeit der Wirkstoffe in der Haut ist. Ein weiteres Kriterium sind die spezifischen Hilfsstoffe der Applikationsformen, die sich synergistisch oder auch nachteilig auf die Pflege- und Umwelt-Eigenschaften auswirken können. Beispiele: Penetrationsverstärker erhöhen die Verfügbarkeit von Wirkstoffen; Konservierungsstoffe stören das Haut-Mikrobiom, Duftstoffe haben ein allergenes Potenzial, andere Hilfsstoffe sind wiederum physiologisch oder umweltbiologisch nicht abbaubar. Hilfsstoffe können aber gleichzeitig potente Wirkstoffe sein - wie das native Phosphatidylcholin in Liposomen und Nanodispersionen oder das hydrierte Phosphatidylcholin in lamellaren Cremes. pH als wichtiges Kriterium In allen Applikationsformen, die Wasser enthalten, ist der pH-Wert ein wichtiges Kriterium. Er kann zwischen 5-7 betragen, wenn kein Puffer enthalten ist. Wenn dagegen Salz-Komponenten den pH puffern, d. h. konstant halten, muss der pH dem individuellen Haut-pH entsprechen. Wenn dies nicht der Fall ist, kann es zu Störungen der Hautbarriere, der epidermalen Enzyme und des Mikrobioms kommen. In Kombination mit Geräten Kombinationen der Applikationsformen mit Gerätebehandlungen wie Iontophorese (wässrige Lösungen mit meist negativ geladenen Wirkstoffen), Radiofrequenz (RF; hoher Energieeintrag), Ultraschall, medizinisches Needling (Dermal Needling) sind ausschließlich für Personal geeignet, das auf die Geräte geschult ist und die Eignung der Präparate-Zusammensetzungen beurteilen kann. Beispiel: - Bei monopolarer RF sind Präparate mit Konservierungsstoffen, deklarationspflichtigen Parfümbestandteilen und denaturiertem Alkohol kontraproduktiv.
- Im Falle bi- und multipolarer RF können - wenn überhaupt - nur wasserfreie, lipophile Gleitmedien und Wirkstoffe verwendet werden.
Die tabellarische Übersicht zeigt beispielhaft Anwendungen in den Bereichen Hautreinigung, Hautschutz, Hautpflege und dekorative Kosmetik.
Applikationsform | Zusammensetzung | Hilfsstoffe | Typische Anwendungen | Hinweise | Lösungen - wässrig | wasserlösliche Pflanzenextrakte, Vitamine, Aminosäuren, Feuchthaltesubstanzen (Glycerin, Urea etc.), Hyaluronsäure in geringer Konzentration | Konservierungsstoffe1, alternativ: Dosen und Ampullen (steril) oder niedrige Alkohol- und Glykol-Gehalte | Seren (ggfs. modular), Moisturizer, Tonics, Lotionen, antimikrobielle Dermal-Needling-Tonics | Abfüllung ggfs. in Sprühdosen mit Treibgas, Spendern mit Sprüh- oder Schaumaufsatz2 oder Pipettenflaschen | Wasser, Tenside | Tenside8 in niedriger Konzentration; Konservierungsstoffe1 | Mizellenwasser, leichte Hautreinigung | Rinse-off-Produkte | Lösungen - alkoholisch | ätherische Öle, Duftstoffe | hohe Alkohol- oder Isopropanol-Gehalte | Fitness-Friktionen (kühlend), Einreibungen, Parfüms | nicht für die Hautpflege geeignet | Lösungen - wasserfrei | organische, flüchtige Lösemittel | keine | Nagellacke | nicht für die Hautpflege geeignet | Ätherische Öle | flüchtige Pflanzenextrakte; z. B. Rosenöl | keine | Parfüms, Bade- und Creme-Zusätze, Raum-Beduftung, Aromatherapie | Gefahrstoffdeklaration beachten | Fette Öle | native Triglyceride und/oder synthetische Esteröle | Antioxidantien3 bei gebundenen essenzieller Fettsäuren | Massageöle, Körperöle, Baby-Reinigung und -Hautpflege | für atopische, sehr trockene und empfindliche Haut geeignet | Butter | Shea- und Kakao-Butter enthalten Cholesterin-ähnliche Phytosterine und Wachsester | keine | fettende Hautpflege, häufiger lokal, z. B. von Brust- und Intimregion | für atopische und sehr trockene Haut geeignet; sehr ergiebig, langsames Einzugsverhalten | Balsame - z. B. Benzoe, Weihrauch, Myrrhe | natürliche Pflanzensekrete, die ätherische Öle, freie Säuren, aromatische Ester und Aldehyde enthalten | Balsame und deren Extrakte verlieren ihren Harzcharakter, wenn sie in Nanodispersionen verarbeitet werden | entzündungshemmende Seren | zur Pflege bei Rosacea und Akne geeignet: Boswelliasäuren (Weihrauchextrakt) | Hydrogele | Wasser und Gelbildner, z. B. Xanthan, Hyaluronsäure oder synthetische Carbomere | Konservierung siehe wässrige Lösungen | Haar- und Hautpflege, modulare Basisgele, Moisturizer, Reinigungsgele (mit Tensiden) | Ultraschall-Medium | Oleogele - abbaubar | Triglyceride, Wachsester, Phytosterine | Penetrationsbeschleuniger: Phosphatidylcholin4 | Kinderpflege, Hautschutz, in Sonderfällen für die Pflege bei Rosacea geeignet | gutes Einzugsverhalten; für atopische und sehr trockene Haut geeignet | Oleogele - mineralisch | Paraffinöle, Vaseline, Erdwachse (Ozokerit) | häufiger Konsistenzgeber: Silica | Salben, topische Arzneimittel, Mascara, Camouflage und Lidschatten | schlechtes Einzugsverhalten (okklusiv), regenerative Prozesse werden verzögert (Pflasterwirkung) | Stifte | Wachse, Pigmente, fette Öle | Antioxidantien | Lippen(pflege)stifte, Kajal- und Abdeckstifte | halbfest bis fest | Schüttelmixturen | Öl und Wasser | emulgatorfrei, Konservierung siehe wässrige Lösungen | sensible Haut, Problemhaut, Arzneimittel | vor Gebrauch zu schütteln | Emulsionen5 | Öl in Wasser (O/W) | O/W-Emulgatoren6, Konservierungsstoffe1, konservierungsstofffrei: Schäume (Sprühdosen), Wasserphase häufig hypertonisch7 | leichte Hautpflege (Cremes, Milch), tensidfreie Reinigung (Milch) | Verringerung des Auswascheffektes durch Einsatz physiologisch kompatibler Emulgatoren: z. B. Mono- und Diglyceride | Wasser in Öl (W/O) | W/O-Emulgatoren6, Konservierungsstoffe1 | reichhaltige Hautpflege, Hautschutz | im Vergleich zu O/W meist kleinere Wasserphase und weniger Konservierungsstoffe1 | Pickering-Emulsionen | Feststoffe wie Silica, Peptide (in den Grenzflächen) | Hautpflege | W/O und O/W möglich | Coldcreams | Wollwachs, Phytosterine, Bienenwachs, geringe Wassermengen | Salze | trockene und sensible Haut | im Vergleich zu W/O-Emulsionen festere Konsistenz | Lamellare Grundlagen | Öle und Wasser in Form physiologischer Membranstrukturen | Phosphatidylcholin4 | Hautschutz, Hautpflege, modulare Basiscremes; emulgatorfreie Reinigung (Milch) | spez. für trockene und atopische Haut geeignet; für Korneotherapie (A. M. Kligman) anwendbar | Mikroemulsionen | Wasser, Tenside, Öl | Tenside8 in hoher Konzentration | transparente Shampoos, Reinigungsgele | hohes Irritationspotenzial bei Tensiden mit hoher kritischer Micellenkonzentration (CMC), Rinse-off-Produkte | Nanodispersionen | Wasser, Partikel mit physiologischen Membranen und eingekapselten flüssigen, lipophilen Wirkstoffen | Phosphatidylcholin4 | Wirkstoffkonzentrate, Seren (ggfs. modular) - häufig für Problemhaut. Spezielle Badepräparate (In-situ-Dispersionen) | hohe Penetration der Wirkstoffe; spez. für trockene und atopische Haut sowie Narben geeignet; Partikel physiologisch abbaubar | Wasser, feste lipophile Wirkstoffpartikel in Nanogröße | Tenside8 | Wirkstoffkonzentrate, Seren, Compound für Pflegepräparate | hohe Penetration schwerlöslicher Wirkstoffe; Partikel physiologisch abbaubar | Liposomen | Wasser, zellförmige physiologische Doppelmembranen mit eingekapselten hydrophilen Wirkstoffen | Phosphatidylcholin4 | Wirkstoffkonzentrate, Seren (ggfs. modular) - häufig für Problemhaut | hohe Penetration der Wirkstoffe, spez. für unreine Haut, Akne, periorale Dermatitis geeignet | Suspensionen | Mikronisierte Wirkstoffe | Cremegrundlage | Salben, UV-Schutz (mineralisch: ZnO, TiO2) | schwerlösliche Wirkstoffe | Wachse, Kernmehle | Cremegrundlage | mechanische Peelings plus Pflege ("2 in 1") | Wachse sind schonender als Kernmehle | Kunststoffpartikel aus PE, PP, PU | Cremegrundlage | mechanische Peelings, gewerbliche Hautreinigung | Mikroplastik-Problematik | Salze oder Zucker, fette Öle oder Ölmischungen | Mischung vor der Behandlung | Ganzkörperpeeling plus Pflege ("2 in 1") | Peelingkörper werden nach der Behandlung mit Wasser abgelöst | Pigmente, Farbstoffe, Polyamidfasern | Tusche-Grundlage | Mascara | Augenkosmetik (deko) | Foundations | Emulsionen mit hohem Pigmentanteil | Emulgatoren6, emulgatorfrei: lamellare Grundlagen | Make-up | schwacher UV-Schutz | Pulver | Mineralien, Pigmente | Streckmittel: native Mehle, Polyamide | Puder, Kompaktpuder | schwacher UV-Schutz | Mineralien, Heilerde | werden vor der Behandlung mit Wasser angerührt | Reinigungs- und Pflegemasken | Rinse-off-Produkte | Algin, Diatomeenerde | Calciumsulfat; werden vor der Behandlung mit Wasser angerührt | aushärtende, okklusive Modellagen (20-30 Min.) | Wirkstoffkonzentrate werden unter den Modellagen appliziert | Bromelain, Papain; Diatomeenerde, Kaolin | werden vor der Behandlung mit Wasser angerührt | Enzympeelings (10-30 Min.) | Rinse-off-Produkte | Soda, Zitronensäure, Duft- oder Farbstoffe | Bindemittel für Tabletten und Granulate, z. B. Stärke | Badezusätze (sprudelnd) | pH-Wert beachten! |
1) Konservierungsstoffe sind im Anhang der Kosmetikverordnung (KVO) gelistet. Sie haben ausnahmslos ein sensibilisierendes Potential. 2) Schaumbildner sind z. B. Saponine aus Pflanzenextrakten. 3) Antioxidantien werden bei Anwesenheit ungesättigter Fettsäuren auch in anderen Applikationsformen verwendet. 4) Applikationen mit Phosphatidylcholin (PC) sind in der Regel frei von Konservierungsstoffen, da PC die meisten Konservierungsstoffe des Anhangs der KVO inaktiviert. Das ist andererseits für das Haut-Mikrobiom von Vorteil, da es weder geschädigt wird, noch Resistenzen entstehen. PC-Applikationen sind daher insbesondere für sensible und Problem-Haut geeignet. 5) Sonderformen: Multiple Emulsionen W/O/W und O/W/O 6) Physiologisch nicht abbaubare Emulgatoren führen zu Auswascheffekten und können je nach Struktur und kritischer Mizellenkonzentration (CMC) auf sensible Haut irritierend wirken. 7) Hypertonie wird durch Salze oder niedrigmolekulare, wasserlösliche Verbindungen wie etwa Urea erzeugt. Hypertone Wasserphasen können auch in O/W-Emulsionen vorkommen. Sie erzeugen bei Barriere- und Bindegewebsstörungen ein temporäres "Brennen" auf der Haut. 8) Oberflächenaktive halbsynthetische oder vollsynthetische Verbindungen, z. B. Zuckertenside. Sie unterscheiden sich von Emulgatoren nur graduell durch ihre in der Regel höhere CMC und werden bevorzugt in Reinigungsprodukten eingesetzt. Dr. Hans Lautenschläger |