Scheinbar nichts geht ohne Wasser. Und doch hat Wasser nicht nur positive Effekte, sondern auch einige Nachteile: Wasser lässt sich nicht mit Ölen und Fetten mischen. Wasser kann andere Stoffe hydrolytisch zerlegen und ist Lebenselixier für Mikroorganismen. Ist Wasser in kosmetischen Präparaten enthalten, erzeugt das also zusätzliche Probleme, die gelöst werden müssen - und zwar mit Additiven alias Hilfsstoffen. Hilfsstoffe leisten jedoch so gut wie keinen Beitrag zur Hautpflege. Im Gegenteil, betrachtet man die Rate der Unverträglichkeiten von Kosmetika, ragt die Gruppe der Hilfsstoffe in den Statistiken signifikant heraus. Hilfsstoffe ermöglichen es, Präparate bei unterschiedlichen Bedingungen problemlos zu lagern. Mit ihrem Einsatz können Mindesthaltbarkeiten erhöht und die Verwendungsdauer (Zeitangabe im Symbol "Offener Tiegel" auf dem Etikett) verlängert werden. Innerhalb dieser Zeiten sind die Präparate mikrobiologisch, physikalisch und chemisch stabil und können ohne Bedenken verwendet werden: Nötige Begleiter von Wasser - Konservierungsstoffe töten die in Wasser lebenden Mikroorganismen ab.
- Emulgatoren ermöglichen das Mischen von Wasser mit Ölen und Fettstoffen. Es ergeben sich stabile Emulsionen, in denen Wasser (W/O-Emulsionen) oder Öle (O/W-Emulsionen) in Form kleinster Tröpfchen in den Cremes verteilt sind.
- Konsistenzgeber vermindern die Fließfähigkeit des Wassers.
- Puffersubstanzen stabilisieren den pH-Wert, der sich sonst durch die Reaktion von Wasser mit anderen Rezepturkomponenten nach oben oder unten verändern kann.
- Antioxidantien unterbinden die Reaktion von Luftsauerstoff und atmosphärischen Radikalen mit in Wasser gelösten Inhaltsstoffen.
Da Wasser während und nach der Applikation von Kosmetika schnell verdunstet, konzentrieren sich die Hilfsstoffe - insbesondere bei mehrfacher Applikation der Produkte pro Tag - in der Haut auf. Damit kann die individuelle Irritationsschwelle bei empfindlicher Haut überschritten werden. Dazu kommt es bei vorgeschädigter Haut naturgemäß eher, z. B. bei Rosacea, perioraler Dermatitis und Neurodermitis. Beschleunigend wirkt dabei der Auswascheffekt vieler Emulgatoren, die in der Epidermis nicht abgebaut werden. Sie werden gespeichert und emulgieren Pflegestoffe sowie die natürlichen Fettbestandteile der Hautbarriere bei Wasserkontakt (Hautreinigung) und schwemmen sie verstärkt aus. Konservierungsstoffe des Anhangs der Kosmetikverordnung lassen sich grundsätzlich vermeiden; ihre Abwesenheit ist aber mit höheren Produktionskosten verbunden. Emulgatoren werden bei lamellaren Cremes überflüssig, da die Cremestruktur durch physiologische Zellmembranstoffe - in der Regel pflanzliches Phosphatidylcholin (PC) - erzeugt wird. Die Cremes kommen abhängig von der PC-Konzentration zum Teil auch ohne Konsistenzgeber aus. Und es geht auch ohne Wasser: Die konsequenteste Alternative dafür, kontraproduktive Hilfsstoffe zu reduzieren, ist der Verzicht auf Wasser in kosmetischen Präparaten. Dies ist keine neue Erfindung. In der Babypflege und bei Barrierestörungen haben sich seit jeher reine Öle bewährt - sowohl für die Pflege als auch für die Reinigung. Ein Öl mit einer geeigneten Fettsäurekomposition ist beispielsweise das Avocadoöl. Es enthält gesättigte und essenzielle Fettsäuren, Phytosterine, die dem in der Hautbarriere befindlichen Cholesterin ähnlich sind, sowie die Vitamine E und D. Eine Frage der Eigenschaften Aus heutiger Sicht weniger geeignet sind die nicht physiologischen Paraffinöle und das konsistentere (festere) Petrolatum alias Melkfett, die praktisch nicht einziehen, somit an der Hautoberfläche verbleiben und durch ihre hohe Okklusivität Hautquellungen verursachen. Generelle Nachteile von Ölen sind ihre unpraktische Handhabung, Haptik und die unvermeidlichen Flecke auf den Textilien. Über Optimierungen hat man sich daher schon früh Gedanken gemacht - insbesondere bei der Entwicklung von Salben in der Dermatologie. So entstanden die auf Paraffinölen basierenden Lipo- bzw. Oleogele. Sie werden noch heute mit Arzneistoffen zu Magistralrezepturen verarbeitet. Dabei nutzt man die Okklusivität für die gleichmäßige Freisetzung von Arzneistoffen. Für die reine Hautpflege sind diese Rezepturen jedoch - wie auch die Paraffinöle - wenig geeignet, da sie unangenehm lange auf der Hautoberfläche verbleiben. Die Verarbeitung von Pflanzen- statt Paraffinölen in den Gelen verbessert das Einzugsvermögen, die Haptik wird aber immer noch als sehr fettig empfunden. Daher werden die Leinöl-Zinkoxid-Präparate bei Hautverbrennungen heute nicht mehr verwendet. Einsatz natürlicher Carrier Die Haptik von Oleogelen kann durch den Zusatz von Phosphatidylcholin (PC; siehe oben) entscheidend verbessert werden. PC beschleunigt nicht nur die Penetration von Wirkstoffen in wässrigen, liposomalen Präparaten, sondern auch in wasserfreien, auf pflanzlichen Komponenten basierenden Oleogelen. Ähnlich wie bei Nanodispersionen ziehen die Öl-Komponenten von Oleogelen in Gegenwart von PC wesentlich schneller in die Haut ein. Auch die enzymatische Spaltung der Pflanzenöle in freie, teils hautschützende und teils entzündungshemmende essenzielle Fettsäuren beschleunigt sich. Das heißt: die Präparate verhalten sich wie reichhaltige O/W-Emulsionen - enthalten aber eben kein Wasser und keine kritischen Hilfsstoffe. PC macht sogar die Einarbeitung polarer und wasserlöslicher Stoffe möglich, z. B. von Harnstoff und Azelainsäure. Es gibt aber nach wie vor Nachteile: - Die Oleogel-Herstellung ist aufwendiger und unterscheidet sich technisch grundlegend von Emulsionen.
- Die Auftragsmengen von Oleogelen sind gering. Daher kann die Umstellung von üblicherweise reichlich aufgetragenen Emulsionen auf Oleogele gewöhnungsbedürftig sein.
- Die initiale Befeuchtung der Haut mit Wasser entfällt. Die Steigerung der Hautfeuchte erfolgt von innen heraus durch die ölbedingte Senkung des transepidermalen Wasserverlustes (TEWL) und verläuft langsamer als bei einer O/W-Emulsion (siehe Abbildung). Hier ist der anfänglich hohe Anstieg und schnelle Abfall der Hautfeuchte auf das freie und schnell verdunstende Wasser zurückzuführen. Bei kontinuierlicher Applikation nähern sich die Hautfeuchte-Werte allerdings an.
- Bei Indikationen wie Rosacea und perioraler Dermatitis sind Öle und Fette wie schon bei reichhaltigen Emulsionen kontraproduktiv, da sich die Lebensbedingungen anaerob lebender Keime mit steigendem Fettgehalt erheblich verbessern.
Abbildung: Der anfänglich hohe Anstieg und schnelle Abfall der Hautfeuchte bei O/W-Emulsionen ist auf das freie und schnell verdunstende Wasser zurückzuführen. Bei Oleogelen steigt die Hautfeuchte langsam an, da der transepidermale Wasserverlust (TEWL) durch den hohen Fett- bzw. Ölgehalt gesenkt wird und die Feuchte von innen her langsam zunimmt. Die Graphik entspricht einem schematischen Verlauf bei trockener Haut. Die Abwesenheit von Konservierungsmitteln und anderen Hilfsstoffen macht die moderne Oleogel-Technologie für die Pflege sensibler Haut und barrieregestörter Problemhäute - unter anderem bei atopischer Haut attraktiv. Die Produkte sind zur adjuvanten Korneotherapie geeignet, also zur begleitenden Hautpflege bei ärztlicher Medikation. Das gilt z. B. für: - Neurodermitis und verwandte Barrierestörungen,
- Abnutzungsdermatosen (kumulativ-subtoxische Kontaktekzeme),
- Cheilitis (Lippenentzündungen),
- perianale Barrierestörungen und Dekubitus oder die
- Unterschenkelpflege bei Diabetikern
Auch gut für die Kleinsten Neben dem Haut- sowie Kälteschutz im persönlichen und gewerblichen Bereich sind Kinder- und Babyprodukte wichtige Einsatzgebiete von Oleogelen. Zusätze von Naturstoffen, die in O/W- oder W/O-Emulsionen häufig nur schlecht löslich oder instabil sind oder ein ungünstiges Penetrationsverhalten zeigen, ermöglichen zusätzliche spezifische Wirkungen: - Entzündungshemmung mit essenziellen ω-6 und ω-3-Fettsäuren: Borretsch-, Nachtkerzen-, Lein- und Kiwi-Öl
- Antientzündliche Wirkung durch die Hemmung mikrobieller Proteasen mittels der im Weihrauch-Harz vorkommenden Boswelliasäuren.
- Azelainsäure hemmt die 5-Alpha-Reduktase und damit das Wachstum anaerob lebender Keime. Azelainsäure kommt im Weizen und im Roggen natürlich vor.
- Antimikrobielle und antiparasitäre Wirkungen werden bei Betulinsäure beobachtet, die unter anderem in Birken- und Platanenrinden enthalten ist.
Durch das Zusammenspiel von Azelain-, Boswellia- und Betulinsäure kann man entsprechende Oleogele sogar bei Rosacea und perioraler Dermatitis einsetzen. Damit wird die beschriebene kontraproduktive Wirkung von Fettstoffen aufgehoben, die sonst das explosive Wachstum anaerob lebender Mikroorganismen des Hautmikrobioms fördern würden. Davon profitieren auch Rosacea-Patienten, die hypertone Wasserphasen von Emulsionen nicht vertragen. Fazit: Wasserfreie Präparate sind eine komplementäre Ergänzung in Fällen von Problemhäuten - wenn Emulsionen nicht toleriert werden. Dr. Hans Lautenschläger |