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Den Durchblick behalten – Was Medizinprodukte und kosmetische Produkte unterscheidet

 

Für die Pflege der Haut, die unterstützende Prävention und die Therapie von Hautkrankheiten werden verschiedene Präparate und Zusammensetzungen verwendet. Sie reichen von Kosmetika über Medizinprodukte bis hin zu topischen Arzneimitteln. Die Erfahrung zeigt, dass die Abgrenzung der Produktgruppen untereinander, was ihre Anwendung und Wirkung betrifft, häufig nicht eindeutig ist. Komplexe rechtliche Hintergründe, unterschiedliche Bezugsquellen und einschlägige Werbung sind für die Anwender kaum zu durchschauen.

 

Medizinprodukte - das klingt nach Wissenschaft und Wirkung. Doch haben sie tatsächlich effektivere Inhaltsstoffe und eine höhere Qualität? Die Antwort darauf ist durchaus überraschend.

Für die Haut erlaubt

Topische Medizinprodukte im Sinne des Medizinproduktegesetzes, das am 26. Mai 20201) durch die EU-Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation, MDR) ersetzt werden soll, sind eher eine Randgruppe der Klasse I, einer von 4 Klassen (I, IIa, IIb, III) gemäß Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG. Die Einteilung erfolgt nach steigendem Risikopotenzial, was die Anwendung betrifft. Die Klasse I, in der man zum Beispiel ärztliche Instrumente, Pflegebetten, Verbandmittel etc. vorfindet, beinhaltet keinerlei Gefahrenpotenzial. Die Kriterien für die Zugehörigkeit von Produkten zur Klasse I sind offiziell folgende:

  • Keine methodischen Risiken,
  • geringer Invasivitätsgrad,
  • kein oder unkritischer Hautkontakt,
  • vorübergehende Anwendung ≤ 60 Minuten

Die Zweckbestimmung topischer Produkte der Klasse I fällt maßgeblich unter die "Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten". Es gibt noch weitere Zweckbestimmungen für Medizinprodukte, die aber in der Regel nicht für die Hautbehandlungen mit Präparaten der Klasse I zutreffen. Zusammengefasst ist der unkritische Hautkontakt in Verbindung mit der Verhütung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten entscheidend für die Existenzberechtigung topischer Medizinprodukte.
Sie dürfen therapeutisch wirksam sein - allerdings nicht im pharmakologischen Sinne wie topische Arzneimittel, die Stoffwechselvorgänge und biologische Abläufe (in der Haut) hemmen, stimulieren oder in anderer Weise beeinflussen. Topische Produkte der Klasse I sind daher mehr oder weniger darauf beschränkt, die physikalisch-chemische Hautkondition so zu verändern, dass daraus ein therapeutischer Nutzen resultiert. Voraussichtlich werden mit der kommenden neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung die Klassen neu definiert. Dadurch ändert sich aber sachlich nichts an den folgenden Ausführungen im Verhältnis zu Kosmetika.
Die in den Medizinprodukten verwendeten Inhaltsstoffe unterscheiden sich daher nur in Ausnahmen (siehe unten) von den Zusammensetzungen der in der europäischen Kosmetikverordnung (KVO) geregelten Hautpflegemittel. Denn diesen wird ebenfalls ein "unkritischer Hautkontakt" unterstellt. Ergänzend werden in einem Anhang der KVO Stoffe gelistet, deren Einsatz verboten ist. Darunter befinden sich viele Arzneistoffe.

Verbessern, nicht heilen

Zweckbestimmung von Kosmetika ist die Pflege der Haut und die Verbesserung der Hautkondition, aber nicht die Heilung und Linderung von Hautkrankheiten. In den achtziger Jahren konnte man die schon lange vorher bekannte Erfahrung klinisch nachweisen, dass Pflegestoffe einen großen Anteil an der Linderung von Hautkrankheiten haben können. Es entstand der Begriff der Korneotherapie für die Anwendung geeigneter kosmetischer Stoffe bei topisch-medizinischen Indikationen. Der Unterschied von topischen Medizinprodukten der Klasse I zu ähnlich zusammengesetzten Kosmetika besteht somit lediglich darin, die Linderung und die Heilung auszuloben zu dürfen.

Klinische Studien

Medizinprodukte werden eigenverantwortlich durch die Hersteller in Verkehr gebracht. Unter anderem werden ein Konformitätsbewertungsverfahren und bei topischen Präparaten klinische Tests vorausgesetzt, die bei der zuständigen Bundesoberbehörde und einer Ethik-Kommission beantragt und genehmigt werden. Die Überwachung der Produkte obliegt wiederum Landesbehörden.
Bei den Tests handelt es sich z. B. um Doppelblindstudien gemäß einem festgelegten Reglement. Dabei werden die Präparate innerhalb einer Probandengruppe gegen Kontrollen und dem daraus resultierenden Einfluss auf eine medizinische Indikation (Hautanomalie, Hautkrankheit) physikalisch-chemisch verglichen.

Wirkung in Grenzen

Wenn ausreichende wissenschaftliche Literatur zur Wirkung von Inhaltstoffen und Zusammensetzung vorliegt, kann ganz auf Tests verzichtet werden; es reicht dann die Vorlage einer Dokumentation - manchmal sogar nur auf Anfrage der zuständigen Behörde. In vergleichenden Studien kann es vorkommen, dass nur Präparate-Handelsnamen genannt werden, aber nicht ihre Zusammensetzung zum Zeitpunkt der Studiendurchführung.
Topische Behandlungen mit Medizinprodukten oder Kosmetika schließen in der Praxis indirekte Einflüsse auf die Hautphysiologie und den Metabolismus hautinterner Stoffe nicht aus. Letztlich dürfen sie aber keine systemischen Effekte auslösen. Die Kontrolle darüber obliegt dem Hersteller. Die Funktion des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) besteht allein darin, die Maßnahmen zu erfassen und zu verfolgen, um Risiken der Medizinprodukte zu minimieren.

Handel und Vertrieb

Topische Medizinprodukte der Klasse I sind weder rezept- noch apothekenpflichtig. D. h. sie können außer in Apotheken auch in Supermärkten, Reformhäusern oder Kosmetikinstituten sowie online vertrieben werden. Die Voraussetzung für den Handel von Medizinprodukten ist die Kennzeichnung mit dem "CE"-Zeichen gemäß Art. 17 und Anhang XII der Richtlinie 93/42/EWG.
CE steht für "Conformité Européenne" und stellt ein reines Verwaltungszeichen der EU dar. Das auf Etikett oder Verpackung sichtbare CE-Zeichen soll die Sicherheit, insbesondere die ordnungsgemäße Einstufung ("Konformität") in eine der genannten Risikoklassen bestätigen. Die Einhaltung der entsprechenden Anforderungen kann abhängig von der Risikoklasse durch eine "Benannte Stelle" wie z. B. dem TÜV bestätigt werden.
Sowohl Medizinprodukte als auch Kosmetika können beim Vertrieb durch Apotheken mittels Pharmazentralnummern (PZN) registriert werden. Die PZN ist jedoch - was der Verbraucher in der Regel nicht weiß - nur ein Identifikationsschlüssel im Warenwirtschaftssystem der Apotheken und mit keinerlei Produkteigenschaften verbunden. Die PZN wird daher gern zur Werbung genutzt. Auch Werbeaussagen wie "Ohne Kortison", die bei Kosmetika aufgrund der Verbotsliste nicht gestattet sind, findet man hier häufiger.

Kritische Inhaltsstoffe

Wie bereits angedeutet unterscheiden sich die Qualitätsanforderungen an die Wirkungsnachweise der Medizinprodukte ganz wesentlich von den streng regulierten Arzneimitteln. Es empfiehlt sich daher vor Kauf und Anwendung die Dokumentation und die referierte Literatur genauer zu studieren, sofern sie zugänglich sind.
Bei Medizinprodukten ist es nicht wie bei Arzneimitteln verpflichtend, in der Angabe der Zusammensetzung zwischen Wirkstoffen und Hilfsstoffen zu unterscheiden. Eine vergleichbare Deklaration nach INCI (absteigende Konzentration, einheitliche Codierung) analog den Kosmetika gibt es ebenfalls nicht. Und: Medizinprodukte sind nicht zwingend nach GMP (Good Manufacturing Practice) herzustellen.
Topische Medizinprodukte der Klasse I verwenden zwar meistens die gleichen Inhaltsstoffe wie Kosmetika, sind aber nicht durch Listen von verbotenen Stoffen oder deren eingeschränkter Nutzung reglementiert. Das führt dazu, dass in diesem Bereich mitunter Stoffe verwendet werden, die in Kosmetika längst verboten sind. Ein Beispiel waren in der Vergangenheit Ultraschallgele, die das potente Kontaktallergen Methyldibromoglutaronitril (MDBGN) als Konservierungsstoff enthielten. Noch heute gibt es vergleichbare Produkte wie Lotion für die Beine, Lotion für die Intimhygiene (Stand: 20.3.2020) mit diesem Stoff.
Neben den konservierenden, eher harmlosen Parabenen wird in Ultraschallgelen (Chlor-)Methylisothiazolon verwendet, das ebenfalls ein potentes Kontaktallergen ist. Die Kosten der Herstellung sind entsprechend niedrig. Dies trifft auch für die Verwendung von steuerbegünstigtem Alkohol zu, der mit Weichmachern (Phthalsäureester) vergällt ist (Alcohol denat.). Benzylalkohol in Vaginalcremes ist ebenfalls nicht unüblich. Eine 5%ige Kalilauge zur Behandlung der aktinischen Keratose ist ein Gefahrenstoff, wird aber nicht als solcher deklariert. Manchmal findet man neben einer wohltuenden Beschreibung die Zusammensetzung nicht oder sie erschöpft sich in "enthält..... sowie Emulgatoren, Gelbildner und Stabilisatoren". Zum Teil wird auch nur beschrieben, was nicht enthalten ist.

Irreführende Aussagen

Die Werbung ist nicht selten fahrlässig - insbesondere in online-Shops. So kommt es vor, dass die Abwesenheit von Parabenen behauptet wird, die bei näherer Betrachtung allerdings doch enthalten sind und mit einem MDBGN-Zusatz noch getoppt werden. Stiftung Warentest hat mit Recht auf diese grundsätzlichen Mängel hingewiesen und vom Gesetzgeber eine Gleichstellung topischer Medizinprodukte mit Dermatika gefordert, um nicht nur die Qualität der Produkte, sondern auch die Qualität der Wirksamkeitsnachweise zu erhöhen und den Schutz der Verbraucher zu verbessern. Die zuständigen Landes-Behörden sind mit der komplexen Materie überfordert. So kommt es wegen der ungenauen gesetzlichen Rahmenbedingungen immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Abschließend noch der Hinweis, dass Zahnpflegemittel, die tatsächlich zu den Medizinprodukten zu zählen wären, im allgemeinen als Kosmetika verkauft werden. Darüber hinaus kann man davon ausgehen, dass viele Hautpflegeprodukte hinsichtlich ihrer Wirkung verkappte Medizinprodukte sind, denen nur die formale Dokumentation fehlt.

Medizinische Kosmetik was ist erlaubt?

In Zusammenhang mit Produktbezeichnungen werden häufig Zusätze aus der medizinischen Terminologie entlehnt. Nach derzeitigem Stand sind:

  • die "medizinische", "dermatologische" Hautpflege oder "dermokosmetische" Pflege weder unter Arzneimitteln, noch unter Medizinprodukten, sondern unter kosmetischen Produkten einzuordnen.
  • Zusätze wie "medical", "med" sowie der "Dr." des Firmeninhabers im Produktnamen von Kosmetika sind erlaubt, solange nicht ausdrücklich eine medizinische Indikation ausgelobt wird.
  • Ähnliches gilt für Arzneistoffe: In Kosmetika sind z. B. antimykotische Wirkstoffe durchaus erlaubt, solange nur die Antischuppenwirkung beworben wird und nicht die Fußpilzbehandlung

1) Im Mai 2020 wegen der Corona-Pandemie kurzfristig um ein Jahr auf 2021 verschoben (nach Drucklegung der vorliegenden Publikation)

 

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetik International Top Medical
2020 (1), 42-45

 
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