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Die Facetten der Intimpflege - Weniger ist mehr

 

Die Intimpflege war und bleibt eine Domäne der Frau. Für jedes Problem scheint es eine Lösung zu geben. Doch nicht alles, was der Kosmetikmarkt bietet, trägt wirklich zum Wohlbefinden bei.

 

Das gesellschaftliche und soziale Umfeld der Frau hat sich durch Berufstätigkeit und Emanzipation grundlegend gewandelt. Das geänderte Rollenverständnis fordert seinen Tribut bei Kleidung, Aussehen und täglicher Pflege ohne Rücksicht auf geschlechtsspezifische Befindlichkeiten. Die Intimpflege ist dabei ein essenzieller Bestandteil und betrifft vor allem die Hygiene.

Natürliche Flora

Das feuchtwarme Milieu von Vagina und Vulva ist ein ideales Betätigungsfeld für Bakterien und Pilze. Dies ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass die Intimregion durch ihre eigene naturgegebene Flora und ihre Sekrete gut geschützt ist, wenn man sie nicht stört:

  • So verhindert der zähe Schleim der Zervixdrüsen im Gebärmutterhals das Vordringen von Keimen in die Gebärmutter. Der Schleim hat einen schwach basischen pH und besteht neben Wasser unter anderem aus schleimbildenden Polysacchariden, Salzen, Enzymen und Zellresten.
  • Das Vaginalsekret reagiert mit einem pH-Wert von circa 4 wiederum sauer. Dafür sind Milchsäurebakterien verantwortlich, die Polysaccharide wie Glykogen zu Maltose und Dextrose spalten und daraus Milchsäure erzeugen. Auch Essigsäure wird gebildet. Diese saure Umgebung, in der unter anderem auch keimtötendes Stickstoffoxid (NO) freigesetzt wird, reduziert fremde Keime und ist ein wichtiger Schutzfaktor gegen fakultativ pathogene Pilze wie etwa Candida albicans.
  • Die Talgdrüsen der Vulva sorgen mit ihrem reichlichen - manchmal weißlichen - Sebum und der damit verbundenen hauttypischen Flora ebenfalls für ein saures Milieu, das für Keime, die nicht zur Hautflora gehören, nicht förderlich ist.
  • Weitere Sekrete aus den Bartholinischen, Skene- und Schweißdrüsen der Vulva kommen hinzu und erzeugen komplexe lokale Verhältnisse, die sich abhängig vom weiblichen Zyklus und der sexuellen Aktivität in ihrer Zusammensetzung ändern.
  • Die flüchtigen Stoffe aus der Summe der Sekrete bestimmen letztendlich einen individuellen, typischen Körpergeruch, der primär nicht als unangenehm empfunden wird.

Übertriebene Hygiene

Die Sekrete selbst werden allerdings meist als unhygienisch und lästig empfunden. Folglich versucht Frau, die Intimregion auf verschiedene Art und Weise "sauber" zu halten. Die daraus resultierenden Behandlungen bis hin zu Spülungen der Vagina sind jedoch von der Natur nicht vorgesehen und beeinflussen das Gleichgewicht dieser extrem empfindlichen Region:

  • Die natürliche Bakterienflora wird gestört.
  • Fakultativ pathogene Keime können sich vermehren, ausbreiten und dringen in den Urogenitaltrakt ein. Juckreiz, Brennen und Entzündungen sind mögliche Folgen.
  • Nicht geeignete kosmetische Reinigungsmittel bzw. deren Bestandteile lösen Irritationen und Empfindlichkeiten aus.
  • Unangenehme, unter anderem penetrant fischige, auf Amine wie etwa Trimethylamin zurückzuführende Gerüche sind ein Indiz für einen gestörten Mikrokosmos oder gar Infektionen.

Daraus resultiert das subjektive Empfinden, ungenügende Hygiene betrieben zu haben. Folglich wird die Reinigung intensiviert und Duftstoffe sowie Intimsprays werden hinzugezogen, um den körpereigenen Geruch zu überdecken. Mit Bakteriziden ausgerüstete Reinigungsmittel, Hygienetücher, Cremes und Einlagen sind weitere Hilfsmittel, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Das Gegenteil wird aber häufig erreicht:

  • Bakterizide aus Deo & Co. vernichten unselektiv alle Keime und damit auch die Mikroorganismen, die für eine gesunde Flora und den entsprechenden pH notwendig sind. Bakterizide wie etwa das chloraromatische Triclosan gehören nicht in den Intimbereich.
  • Allergene Bakterizide und Duftstoffkomponenten dringen besonders leicht in die ungeschützte Haut und die Schleimhäute ein. Allergische Reaktionen lassen bei entsprechender persönlicher Disposition nicht lange auf sich warten.
  • Unerwünschte Infektionen, beispielsweise durch Pilze wie Candida albicans, nehmen zu und neigen leicht zu Rezidiven. Etwa drei Viertel der Frauen sind davon mindestens einmal in ihrem Leben betroffen.

Zu eng, zu synthetisch

Ein weiterer ungünstiger Faktor ist hautenge Kleidung. Wenn man sich in anderen Lebensräumen umsieht, bildet der Mensch diesbezüglich eine absolute Ausnahme, die von der Natur nicht vorgesehen ist; selbst nachts wird auf Kleidung nicht verzichtet. Die Folge ist eine über die meiste Zeit des Tages völlig abgeschottete Intimregion mit erhöhter Temperatur und 100%iger Luftfeuchte. Ein exzellenter Nährboden für Keime, die sich, da Stoff, Einlage etc. jegliche Ausscheidungen der Vulva und Vagina absorbieren, perfekt in Haut und Schleimhaut einnisten.
Die durch das ständig feuchte Milieu hervorgerufene Quellung der Hautoberfläche und die Reibung der Haut an den Textilien fördern zusätzlich die Ausbreitung von Keimen; Rasur oder Epilation der Schambehaarung forcieren das Ganze.1,2) Die okklusiven Rahmenbedingungen sind perfekt, wenn Slips aus synthetischem Gewebe getragen werden.

Bei gestörter Keimflora und bakteriellen Infektionen verordnet der Frauenarzt je nach Erreger lokal anzuwendende Antibiotika3) wie etwa:

  • Metronidazol im Falle einer Kolpitis,
  • Tetracycline nach Chlamydieninfektionen,
  • Azole wie das antimykotische Clotrimazol bei Pilzinfektionen.

Die Wirkstoffe werden als Creme, Zäpfchen oder Tablette appliziert. Mitunter treten dabei Überempfindlichkeitsreaktionen auf.4) Therapiebegleitend sind Präparate hilfreich, die Milchsäure und Milchsäurebakterien freisetzen, um das natürliche Scheidenmilieu wiederherzustellen.

Adäquate Pflege

Wichtiger ist es allerdings, die auf falsch verstandene Hygienevorstellungen zurückzuführenden Probleme gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Kleidung:

  • Luftdurchlässige, lockere Baumwollunterwäsche ist synthetischen Materialien vorzuziehen. Die Intimregion ist bei Frauen wie auch bei Männern in ihren Funktionen nicht auf hohe Temperatur und Feuchte ausgelegt!
  • Beengende Nachtbekleidung ist zu meiden; am besten unbekleidet schlafen. Kälteempfindliche Menschen können sich mit einer zusätzlichen Decke und mit Socken behelfen. Sie schützen vor Rückenschmerzen, die beim Schlafen durch Nervenreize der kalten Zehen entstehen können.
  • Auf Slipeinlagen mit undurchlässiger Plastikfolie (Wäscheschutz) ist zu verzichten. Einlagen sollten atmungsaktiv sein und einen Wärmestau verhindern. Am besten wird komplett auf sie verzichtet.
  • Außerdem ist darauf zu achten, dass die Unterwäsche keine Rückstände von Waschmitteln oder Weichspülern enthält.

Körperreinigung:

  • Den Scheidenbereich sollte man grundsätzlich nur oberflächlich mit reinem Wasser behandeln. Sollte dies wider Erwarten einmal nicht ausreichen, kann man ein Reinigungsgel aus Zuckertensiden ohne Konservierungsstoffe und ohne rückfettende Substanzen in gleicher Weise verwenden. Es empfiehlt sich, sparsam mit Duschgelen und Badepräparaten umzugehen. Besser ist es, ganz auf sie zu verzichten.
  • Reizfreie Reinigungsgele und pH-neutrale Stückseifen sind auch das Mittel der Wahl für die schwieriger zu reinigende Analregion. Bidets sind diesbezüglich sehr hilfreich, da sie nach dem Stuhlgang eine einfache selektive Reinigung ermöglichen und eine Kontamination des Scheidenbereichs via Unterwäsche verhindern.
  • Im Übrigen kann man einiges der Kleinkinderpflege5) abschauen: Bei häufigen Reinigungen und damit verbundenen Irritationen wie etwa der Windeldermatitis haben sich reine pflanzliche Öle, insbesondere Avocadoöl, hervorragend bewährt. Avocadoöl reinigt gut; gleichzeitig stabilisieren die Phytosterine des Öls die Hautbarriere und stellen eine wirksame Hautpflege dar.
  • Bei der Wasserqualität ist darauf zu achten, soweit es möglich ist, hartes Wasser zu meiden. Es destabilisiert eine bereits gestörte Barriere noch weiter.6)
  • Die Reinigung sollte statt mit einem rauen Waschlappen mit der bloßen Hand durchgeführt werden.
  • Der Körper sollte nach dem Bad und der Dusche Zeit haben, die überschüssige Feuchtigkeit loszuwerden. Gründliches Abtrocknen ist wichtig - aber ohne reibende Bewegungen.

Hygieneartikel

  • Intimsprays oder Deos im vaginalen Umfeld sind tabu.
  • Ebenso sind Parfüms und sonstige Duftstoffe zu meiden. Überdies: Die Akzeptanz eines Parfüms ist selten höher als 50%. Auch parfümiertes und gefärbtes Toilettenpapier sollte nicht zur häuslichen Ausrüstung gehören.
  • Im Zweifelsfall lieber Binden nutzen als Tampons, um der Scheidenflora eine Chance zu geben und lokale Reizungen insbesondere beim Einführen und Entfernen auszuschließen.
  • So weit wie möglich sollte man auch auf Feuchttücher verzichten. Nicht alles, was praktisch erscheint, ist wirklich gut für die Intimpflege. Stattdessen gehören glatte Einmalwaschlappen in die Handtasche, die man mit Leitungswasser anfeuchten kann, bevor man auf eine fremde Toilette geht. Wichtig: Nach dem Stuhlgang „von vorne nach hinten" reinigen.

Hautpflege

  • Die Intimregion benötigt normalerweise keine Hautpflegecremes. Möchte man sie dennoch äußerlich verwenden, sollten sie weder Duft- noch Konservierungsstoffe, Emulgatoren, Weichmacher oder Vergällungsmittel (z.B. Phthalsäureester in Alcohol denat.) enthalten. Praktisch sind leicht verteilbare, wässrige Lotionen auf Basis biologisch abbaubarer Nanodispersionen, die man nach dem Duschen für den ganzen Körper nutzen kann.
  • Sollte es einmal durch häufige Reinigung oder andere Umstände wie langes Sitzen zu einer perianalen Barrierestörung7) im Gesäßbereich kommen, lässt sich diese Region mit wasserfreien, schnell einziehenden Oleogelen pflegen.8) Diese Präparate sollten ebenfalls keine unnötigen Hilfsstoffe, vor allem aber keine Paraffinöle oder langkettigen Silikone, enthalten, die zu kontraproduktiven Hautquellungen führen können, weil der transepidermale Wasserverlust (TEWL) mehr als nötig abgesenkt wird.
  • Geringe Mengen Oleogel oder Avocadoöl sind wegen ihrer Indifferenz auch ein probates Hilfsmittel, wenn ein Gleitmittel benötigt wird.9) Wer es lieber wässrig mag, kann es mit Xanthan (Lebensmittelzusatzstoff E 415) versuchen. Das Polysaccharidpulver ergibt 2-3%ig frisch in Wasser eingerührt ein stabiles, völlig reizfreies, geruch- und geschmackloses Gel ohne jegliche Hilfsstoffe. Es ist 100%ig kondomverträglich.

Zu ergänzen ist, dass Arzneimittel, so auch die bei der Behandlung genereller Infektionskrankheiten eingesetzten oralen Antibiotika, nicht nur die Darmflora, sondern auch die vaginale Mikroflora durcheinanderbringen können. Ebenso beeinflussen spermizide Verhütungsmittel wie Gele, Schaum und Zäpfchen das körpereigene Gleichgewicht.
Darüber hinaus sind Änderungen des Östrogenspiegels von Bedeutung. Das Hormon steuert den Stoffwechsel im Genitaltrakt und ist unter anderem von Pubertät, Babypille, Schwangerschaft, Menopause und Ernährung abhängig. Bei zu niedrigem Östrogenspiegel und vaginalen Störungen wird das Hormon supplementiert. Über die Hautpflege in der Pubertät, der Schwangerschaft und der Menopause wurde kürzlich berichtet.10,11,12)

Fazit: Es ist ratsam, alles kritisch zu betrachten, was die Kosmetikindustrie speziell für den weiblichen Intimbereich anbietet. Auf die meisten der vermeintlichen Problemlöser kann man getrost verzichten.

Literatur:

  1. H. Lautenschläger, Der Bart muss ab - Maßnahmen rund um die Rasur, Kosmetik International 2013 (10), 22-25
  2. H. Lautenschläger, Hyperhidrose - Was wirklich hilft, medical Beauty Forum 2013 (6), 38-39; vollständiges Manuskript: www.dermaviduals.de/cms/upload/Publikationen_deutsch/KI-10-13-Rasur.pdf
  3. H. Lautenschläger, Die Barriere schützen - Hautpflege bei Pilzinfektionen, medical Beauty Forum 2013 (4), 48-50
  4. H. Lautenschläger, "Ich vertrage das Produkt nicht" - Einfluss von Arzneimitteln auf Haut und Hautpflege, Kosmetische Praxis 2009 (2), 11-14
  5. H. Lautenschläger, Babyzarte Haut - Kriterien für die kindgerechte Pflege, Kosmetik International 2008 (12), 30-32
  6. H. Lautenschläger, Wasser ist nicht gleich Wasser - Wasserqualitäten, Kosmetische Praxis 2005 (4), 8-10
  7. H. Lautenschläger, Grenzgänger - Kosmetische Hautpflege auf den Punkt gebracht, Beauty Forum 2010 (8), 27-29
  8. H. Lautenschläger, Oleogele - was wasserfreie Präparate leisten können, Kosmetische Praxis 2004 (4), 6-7
  9. H. Lautenschläger, Das sanfte Gleiten - Präparate für die Massage, Kosmetik International 2011 (2), 36-40
  10. H. Lautenschläger, Hautpflege während der Pubertät, Kosmetik International 2009 (10), 20-23
  11. H. Lautenschläger, Hormonzyklen - Hautpflege im Klimakterium, Kosmetik International Best Ager 2009, 26-28
  12. H. Lautenschläger, Im Anflug - Die Landung vorbereiten - Hautpflege bei Schwangeren, Kosmetik International 2012 (10), 26-29

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
medical Beauty Forum
2014 (2), 35-37

 
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