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Wirkstofftrends – was gibt es wirklich Neues?

 

"Was gibt es Neues?" ist eine typische Frage, die auf Messen von den Kosmetikerinnen und in den Instituten von ihren Kundinnen gestellt wird. In der Tat beschleunigen sich die Entwicklungen und vieles ändert sich, aber nicht alles ist wirklich neu. Hypes, Trends, Überflüssiges und Nachhaltiges liegen dicht beieinander, reale Bedeutung und mediale Präsenz nicht selten weit auseinander.

 

Einen Hype kann man in der Kosmetik mit einer temporären, bis zu drei Jahre andauernden Nachfrage nach einer Zusammensetzung oder einem Wirkstoff beschreiben, während ein Trend mit einer kontinuierlich steigenden Nachfrage gleichzusetzen ist. Wenn die Nachfrage dann konstant auf hohem Niveau bleibt, hat sich der Trend in einen Dauerbrenner verwandelt. Umgekehrt kann ein Dauerbrenner abrupt abstürzen, wenn Medien negativ berichten oder sich die regulativen Rahmenbedingungen durch Einschränkung oder Verbot ändern – ein Anti-Hype ist entstanden.

Neuheiten beschränken sich nicht auf Wirkstoffe und Präparate, sondern betreffen auch Produktformen.

Produktformen

Die Liposomen der achtziger Jahre waren ein Hype, der von einem langsam beginnenden Trend unterlegt war, der heute ein typischer Dauerbrenner ist. Es handelt sich um eine nachhaltige galenische Form, die in der Funktion als Carrier Wirkstoffe effektiver werden lässt.
Im Trend sind nach wie vor die in Pflanzenölen enthaltenen essenziellen Fettsäuren. Sie zeichnen sich vor allem durch ihre entzündungshemmende Wirkung aus. Sie werden vermehrt in neuen, gut einziehenden, wasserfreien Oleogelen verwendet.
Das Gegenteil sind wässrige Gele mit wasserlöslichen Stoffen wie Glycerin, Aminosäuren und filmbildenden Bestandteilen wie Hyaluronsäure, Algenbestandteilen und Extrakten, beispielsweise Aloe vera. Diese Gele spenden Feuchte und sind nach wie vor hochaktuell.
Ein typischer Anti-Hype waren vor ein paar Jahren Nanopartikel, nachdem die Kosmetikverordnung angepasst wurde und medial Negativberichte publiziert wurden. Die Nachfrage nach dieser innovativen Galenik ging schlagartig zurück. Geblieben sind aber die biologisch abbaubaren Nanodispersionen, deren Partikel flüssig bis kristallin sind. Zusammen mit Cosmeceuticals zeichnen sie sich durch eine hohe Effektivität bei der Behandlung von Problemhäuten ab.
Mizellen-Wässer stehen für einen nicht-nachhaltigen Hype. Sie bedienen sich einer schlichten, althergebrachten Technologie. Allein der Terminus "Mizellen-Wasser" ist neu.
Lamellare Cremes sind ein nicht mehr ganz neuer Trend, der aber gegenwärtig immer mehr in den Blickpunkt gerät, wenn es darum geht, die Hautbarriere mit physiologisch kompatiblen Komponenten zu pflegen und gegen äußere Einflüsse unempfindlich zu machen. Die Anti-Pollution-Werbung ("Detox") bezieht sich dagegen meist auf bekannte Wirkstoffe wie Antioxidantien und ist eher in die Rubrik medial gesteuerter Hype einzuordnen.

Wirkstoffe für die Problemhaut

In der Behandlung von Problemhaut dominieren vermehrt Stoffe, die gezielt auf Enzyme einwirken, d. h. entweder endogene oder exogene Stoffwechselleistungen beeinflussen. Beispiele:

  • Proteasehemmer hemmen die abbauenden Enzyme von Mikroorganismen und wirken dadurch antientzündlich. Andere wiederum richten sich gegen außer Kontrolle geratene endogene Proteasen (Rosacea) und verlangsamen damit den Abbau eigener Proteine. Prominente Vertreter sind Boswelliasäuren. Kollagenase-Hemmer und Kollagen-Stimulantien sind Komponenten von Anti-Aging-Präparaten.
  • Der Pharma- und Naturstoff Azelainsäure verhindert das destruktive Verhalten anaerob lebender Keime unter der schützenden Schicht von hautpflegenden Fettstoffen. Er kann in Kosmetika bis zu 1% ohne Risiko eingesetzt werden.
  • In den enzymatischen Stoffwechsel von Hefen und Pilzen greifen verschiedene in Anti-Schuppenmitteln enthaltene antimykotische Wirkstoffe ein, die ebenfalls der Pharmaindustrie entliehen sind.
  • Die Blockierung der Melaninbildung durch Tyrosinasehemmer oder Substanzen wie Tranexamsäure und Niacinamid verhindert Hyperpigmentierungen, die durch Strahlung und Entzündungen (postinflammatorische Hyperpigmentierung) initiiert werden.

Regenerative Wirkstoffe

Wirklich Neues gibt es im Bereich der regenerativen Wirkstoffe nicht. Retinoide, B-Vitamine (Niacinamid, D-Panthenol etc.), Zinkkomplexe sowie Isoflavone halten nach wie vor als Dauerbrenner die Stellung. Das gilt ebenso für die seit geraumer Zeit bekannten Probiotika in Form von Milchsäurebakterien und für Enzymsubstrate wie die bereits genannten essenziellen Fettsäuren, speziell auch gamma-Linolensäure bei atopischer Haut. Neu ist ihre Einordnung unter dem Terminus "biogen".
Weitere neue Vertreter der Oligo-Peptide und Capsaicinoide wie das Spilanthol der Parakresse dienen der Faltenreduzierung. Sie sind wie die Hyaluronsäure effiziente, temporär wirksame Stoffe. Eine Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang das N-Acetyl-Glucosamin dar, das insbesondere liposomal durch die Haut penetrieren und die endogene, für den Turgor der Haut verantwortliche Hyaluronsäure-Synthese anregen kann.

Schutz-Präparate

Die strukturell der Hautbarriere ähnelnden lamellaren Cremes (siehe oben), die langkettige Fettsäuren, Phytosterine (Sheabutter), Ceramide, hydriertes Phosphatidylcholin und Squalan enthalten, nehmen an Bedeutung für den Hautschutz zu. Sie ziehen leicht ein und behindern die Regeneration nicht. Mit Ceramid I-Substraten wie Linolsäure und nativem Phosphatidylcholin lassen sich gleichzeitig regenerative Effekte erzielen. Sie werden in die Cremes eingebaut oder vorher als Seren appliziert.
Der pH-Wert der Haut erhöht sich statistisch langsam im Laufe des Alterungsprozesses. Entsprechende neue Produkte mit niedrigerem pH-Wert für ältere Menschen kommen zurzeit auf den Markt. Allerdings werden Zusammenhänge zwischen pH-Wert und Pufferkapazität der Haut sowie der Produkte vielfach übersehen. Darüber hinaus ist noch viel Forschung notwendig, um die Rolle des veränderten Haut-pH-Wertes und die Einflüsse des Produkt-pH-Wertes auf die physiologischen Abläufe endgültig zu klären. Bereits jetzt kann schon davon ausgegangen werden, dass dabei der Hautflora und ihren Lebensbedingungen eine erhebliche Relevanz zukommt.
In der Randgruppe der Antiperspirantien ist das unter den Verdacht der unerwünschten Nebenwirkungen geratene Aluminiumchlorohydrat immer noch auf niedrigem Niveau präsent, da einerseits die zugrunde liegenden Studien nicht bestätigt werden konnten und andererseits die starke schweißhemmende Wirksamkeit bisher von keinem anderen Wirkstoff erreicht wurde.

Verzicht-Trend

Hochkonjunktur haben seit langem unverändert Zusammensetzungen, die über Detox und Antipollution hinaus helfen sollen, sogenannte, in der Regel undefinierte Schlacken- & Giftstoffe aus der Haut zu eliminieren. Darunter fallen Produkte, die entsäuern (basische Pflege) oder adsorbierend wirken wie Aktivkohle, Ton- und Diatomeen-Erde. Umgekehrt dienen entsprechende Masken aus Vlies, Cellulose und Kaolin etwa dazu, Wirkstoffe in die Haut hinein zu transportieren.
Signifikant ist die Eliminierung vieler Stoffe aus den Kosmetika selbst. Diesbezüglich boomen die "Ohne"-Präparate, also diejenigen ohne Konservierungsstoffe der KVO, ohne Emulgatoren, Mineralöle, Silikone, Duftstoffe und Mikroplastik. Häufig wird aber auch nur auf eine einzelne Substanzgruppe wie die Parabene Bezug genommen, um dann andere Konservierungsstoffe der KVO zu verwenden, die nicht erwähnt werden. Eine ähnliche Entwicklung ist bei den Sonnenschutzmitteln festzustellen, die damit beworben werden, alte, zum Teil endokrin disruptiv wirkende UV-Filter wie Ethylhexyl Methoxycinnamate, Butyl Methoxydibenzoylmethane, Octocrylene, 4-Methylbenzylidene Camphor und Benzophenone nicht zu enthalten.
Ein weiterer Grund auf Stoffe zu verzichten, sind wachsende Erkenntnisse über den Beitrag der individuellen Hautflora (Mikrobiom) zur Gesunderhaltung der Haut. Denn viele Stoffe in Kosmetika sind für ein ausgeglichenes Mikrobiom kontraproduktiv. Dabei handelt es sich nicht nur um Konservierungsstoffe, die eine Negativauslese in den Populationen des Mikrobioms und eine Resistenzentwicklung unerwünschter Keime verursachen können. Einflüsse anderer Stoffgruppen, hocheffektive und hochdosierte Antioxidantien eingeschlossen, sind bisher unerforscht. Starke Komplexbildner wie EDTA beispielsweise, die vor allem bei der Abwasserreinigung nicht eliminiert werden können, gehören auch dazu. Das individuelle, vielfach übertriebene Hygienemanagement, das Barrierestörungen und Infektionen begünstigt, wird zunehmend kritisch gesehen. Optimierungen sind hier erst am Anfang, nehmen aber trendmäßig zu.  

Minimalismus-Trend

Der Minimalismus-Trend geht noch einen Schritt weiter und eilt den wissenschaftlich bestätigten Erkenntnissen in vielen Dingen voraus. Beispiele:

  • Reduzierung der Wirkstoffe auf wenige oder manchmal nur einen, wie beispielsweise in Seren, in möglicherweise dann höherer Konzentration. Damit wird die Effektivität erhöht und das Allergierisiko statistisch gesenkt.
  • Personalisierte Produkte für spezifische Einsatzzwecke, indem Hautdiagnosen durchgeführt werden und Grundlagen-Präparate wie Basiscremes und -gele nur mit den notwendigen Komponenten ausgestattet werden.
  • Konsequente Vermeidung kontraproduktiver Überpflegung: Dadurch lassen sich Hautunreinheiten reduzieren. Die Förderung der hauteigenen Regeneration bekommt eine Chance.
  • Die weitestgehende Reduzierung von Hilfsstoffen schont das Haut-Mikrobiom.
  • Verzicht auf regelmäßige chemische Peelings, die das Risiko für periorale Dermatitis und Rosacea erhöhen.
  • Verzicht unnötiger UV-Filter in Tagescremes

Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist zu einem wichtigen Aspekt geworden, dessen Natur allerdings nicht immer gleich erkennbar ist. Eine Zusammensetzung kann nachhaltig bezüglich der Gewinnung von Inhaltsstoffen sein, aber auch hinsichtlich ihrer langfristigen Wirkung auf der Haut oder aber ihrer Umwelteigenschaften nach der Verwendung. Fraglich ist die Nachhaltigkeit bei den boomenden Nutraceuticals im Vergleich zur sprichwörtlichen normalen Ernährung, die diese Produktgruppe wie die meisten anderen Nahrungsergänzungsmittel überflüssig macht.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Beauty Forum
2020 (8), 52-55

 
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