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Minimalistisch und effektiv

 

Kosmetische Produkte, reduziert auf das Wesentliche: Der Trend des Skinimalism folgt der Annahme, dass auch in der Kosmetik das Maximale keineswegs immer das Beste ist. Und zwar weder für die Haut, noch für die Umwelt.

 

Das "All-round carefree package" – um es einmal auf neudeutsch auszudrücken – zum Super-Sparpreis ist vielen von uns am allerliebsten. Da müssen wir uns wenig Gedanken machen, denn es ist ja für alles gesorgt. Die Shopping-Plattformen im Netz präsentieren uns diese attraktiven Angebote Tag für Tag mit steigender Intensität. Das gilt auch für Kosmetika. Die Fachfrau erkennt natürlich sofort, dass universelle Präparate – marketingstrategisch ausgerüstet mit allem, was gerade Rang und Namen hat – wenig geeignet sind, allen Hautkonditionen gerecht zu werden. Schon deshalb nicht, weil die zahlreichen vermeintlichen Wirkstoffe zwangsläufig in suboptimalen Konzentrationen vorliegen und nicht alle für die individuelle Haut geeignet sind.

Begleitende, belastende Helfer

Mit vielen Inhaltsstoffen ist eine hohe Anzahl von Hilfsstoffen verbunden, die Wirkstoffe und Grundlage stabilisieren:

  • Emulgatoren dienen der physikalischen (Langzeit-Lager-)Stabilität.
  • Synthetische Antioxidantien und Komplexbildner schützen vor oxidativem Abbau.
  • Konservierungsstoffe verhindern den mikrobiologischen Abbau.
  • Duftstoffe sorgen für angenehme sensorische Noten.
  • Andere Hilfsstoffe erleichtern die Verteilung von Präparaten und erzeugen haptisch ansprechende Hautoberflächen.

Hilfsstoffe belasten Haut und Umwelt und erzeugen zum Teil Unverträglichkeiten. Sie bestimmen aber ganz wesentlich die (niedrige) Preisgestaltung. Auf viele von ihnen kann man verzichten, ohne die substanzielle Effektivität der Präparate zu schmälern.

Die wichtigen "Zutaten"

Aber zurück zu den Wirkstoffen. Sind sie nachhaltig bezüglich ihrer ökologischen Eigenschaften und ihrer biologischen Wirkung?
Sie in ihrer Anzahl zu reduzieren und in der Dosierung zu erhöhen ist ein Weg, um die Effektivität der Wirkstoffe – bezogen auf einzelne Hautkonditionen – zu steigern. Aber wo erhält man darüber verlässliche Informationen? Die Fachliteratur ist vielfach nicht direkt zugänglich und verständlich. Die wissenschaftlich basierte Internetplattform Google Scholar kann hier eine Quelle und wichtige Ergänzung zu den Erfahrungswerten aus der Institutspraxis sein. Eigene Recherchen kosten allerdings Arbeitszeit. Sie sind aber letztendlich der Schlüssel für ein nachhaltiges, langfristig angelegtes Geschäft und eine kompetente, persönliche Beratung der Kundschaft – übrigens ein großer Vorteil gegenüber den substanzlosen Worthülsen der Online-Shops!

Weniger ist hier eindeutig mehr

Die angesprochene Reduzierung von Hilfs- und Wirkstoffen hat den entscheidenden Vorteil, das Risiko von individuellen Allergien und Irritationen zu senken, da dieses nahezu proportional mit der Anzahl der Inhaltstoffe abnimmt. Ein weiteres Kriterium ist die Dosierung: Die Effektivität von Wirkstoffen hat bei steigender Dosierung und Anwendungsfrequenz ein Maximum und fällt dann in der Regel ab. Das damit verbundene Stichwort "Überpflegung" umfasst viele unerwünschte, meist unbewusste Nebenwirkungen. Hier einige Beispiele:

  • Zuviel Hygiene (Reinigung) birgt die Gefahr von Barrierestörungen und höherer Infektionsanfälligkeit. Ständig durchgeführte chemische Peelings (AHA-Säuren) erhöhen bei entsprechender Veranlagung die Inzidenz von Rosacea und perioraler Dermatitis.
  • Hautunreinheiten werden unter anderem erzeugt, wenn zu viele Lipide auf die Haut gelangen und anaerob lebende Mikroorganismen ideale Lebensbedingungen vorfinden. Okklusive Verhältnisse bremsen die hauteigene Regeneration aus.
  • Hochkonzentrierte Antioxidantien hemmen die Melanin-Synthese und beeinflussen die Tätigkeit der dermalen Oxidoreduktasen der Haut und des Mikrobioms.
  • UV-Filter in normalen Tagescremes belasten die Haut. Reststrahlung, die der Vitamin D-Produktion zugutekommen könnte, wird nicht genutzt.

Schadstoffe in Kosmetika sind schwer zu erkennen, da es sich vielfach um Beimengungen oder Verunreinigungen handelt, die nicht deklariert sind. Beispiele sind Schwermetallkontaminationen in Pigmenten und MOAH (Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons) oder PAK (polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe) in Mineralölkomponenten.
Andere Substanzen wie Polyethylenglykole (PEG) oder ätherische Öle reagieren wiederum erst nach der Applikation auf der Haut mit anderen Stoffen. PEGs setzen aus Modeschmuck allergenes Nickel frei. Diverse ätherische Öle bilden manchmal erst an der Luft toxische oder allergene (Per-)Oxide.
Umgekehrt sind die schadstoffminimierenden synthetischen Stoffe der Anti-Pollution-Präparate überflüssig, wenn die Hautbarriere regelmäßig mit den für sie notwendigen physiologischen Hautbestandteilen versorgt wird. Das gilt gleichermaßen für "entgiftende" Produkte. Auf Substanzen, die Irritationen anderer Rezepturbestandteile unterdrücken, ist laut Empfehlung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zu verzichten.

Ökologische Aspekte

Veganer legen Wert darauf, dass tierische Stoffe weder verarbeitet werden, noch in Produktionsprozessen der Inhaltsstoffe und Fertigprodukte vorkommen. Damit wird die wünschenswerte Reduzierung der industrialisierten Tierhaltung berührt. Bei den umweltrelevanten Themen sind jedoch auch der Umverpackungsmüll und die Recyclingfähigkeit von Spender- und Tiegelmaterialien zu berücksichtigen.
Wie steht es allgemein mit der ökologischen Nachhaltigkeit der eingesetzten Rohstoffe? Stehen ihr lokaler Abbau, Anbau oder ihre chemische Synthese im Einklang mit der Erhaltung der Umwelt und der Erreichung der Klimaziele? Ist die gefahrlose Entsorgung über Müll und Klärwerke gesichert? In diesen Themenbereich gehören zum Beispiel die Eliminierung von schwer abbaubaren Komplexbildnern, endokrinen Disruptoren sowie Dioxin-bildenden chloraromatischen Konservierungsstoffen.

Der modulare Ansatz

Stoffe aus Kosmetika zu verbannen gemäß der "free from" bzw. "ohne"-Philosophie ist eine Möglichkeit der Minimierung. Ein anderer Ansatz ist hingegen die modulare Hautpflege. Sie stellt die grundsätzliche Frage "Was benötigt die individuelle Haut?" und beginnt mit der Hautanalyse, die Schritt für Schritt eine auf die Person zugeschnittene Rezeptur entstehen lässt.
In diesem Fall werden Basiscremes, -gele und -lotionen mit Seren (Wirkstoffkonzentraten) an die jeweilige Hautkondition angepasst. Überflüssiges wird von vornherein ausgespart. Dieses Vorgehen führt zur minimalen Lagerhaltung vielfältiger Fertigprodukte. Allerdings lassen sich die so für die Heimpflege zusammengestellten Produkte nur als ausgewiesene, individuelle Dienstleistungen verkaufen. Alternativ werden die Grundlagen und Seren als eigenständige Präparate abgegeben und hintereinander verwendet.

Resümee

Das Potenzial minimalistischer Möglichkeiten in der Kosmetik ist hoch. Die "ohne" Philosophie ist ein zunehmender starker Trend. Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, kommt der Hautphysiologie und der Umwelt entgegen, ohne die Lebensqualität einzuschränken.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetik International
2022 (3), 46-48

 
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