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Wachse - eine unverzichtbare Stoffklasse

 

Was fällt Ihnen zum Stichwort Wachs ein? Bienen-, Kerzen- und Bohnerwachs? Das mag nicht sehr kosmetisch klingen. Aber dennoch sind Wachse in Kosmetika weiter verbreitet, als Sie vielleicht denken.

 

Bis auf Bienenwachs, das heute noch in einigen Naturkosmetika verwendet wird, scheinen Wachse recht wenig mit moderner Kosmetik zu tun haben. Aber diese Substanzklasse spielt eine wichtigere Rolle, als man gemeinhin denkt. Im Bereich der Kosmetik ist sie unverzichtbar - auch wenn der einzelne Stoff in einer Creme nicht leicht zu erkennen ist.
Die meisten Wachse zeichnen sich durch eine halbfeste bis feste Konsistenz und fettige Haptik aus. Die exakte physikalisch-technische Definition dieser Stoffklasse ist recht komplex. Dies gilt auch für ihre sehr unterschiedlichen chemischen Zusammensetzungen und die Namensgebung der einzelnen Vertreter. Augenfällig sind Bezeichnungen, die mit "Cera" beginnen. Cera ist der lateinische Name für Wachs. Als Cera flava bezeichnet man das Bienenwachs, dessen gelbe Farbe durch Carotinoide geprägt wird. Durch Reinigung und Bleichung entsteht die farblose Cera alba. Es ist als Emolliens (glättender Bestandteil mit Fettcharakter) in Kosmetika zu finden - vor allem in den klassischen Coldcream-Rezepturen, die sich durch einen hohen Lipid- und geringen Wasser-Gehalt auszeichnen. Coldcreams lassen sich ohne Konservierungsstoffe herstellen, sind aber nur begrenzt haltbar. Typisch für das Bienenwachs sind Wachsester, die aus langkettigen Säuren und Alkoholen (C16-C30) bestehen. Die Alkohole sind das Unterscheidungsmerkmal gegenüber den Fetten (Triglyceride), die aus langkettigen Säuren und Glycerin zusammengesetzt sind. Sind Wachse in Hautpflegemitteln höher konzentriert, handelt es sich in der Regel um Wasser-in-Öl-Emulsionen (W/O). Dies gilt auch für Cremes und Salben mit Cera lanae (Wollwachs).

Unverseifbares pflanzlicher Öle

Gereinigtes Wollwachs stammt ursprünglich aus dem Talgdrüsensekret von Schafen. Es enthält neben den oben erwähnten Wachsestern weitere für tierische und pflanzliche Wachse typische Komponenten, nämlich Sterine (Steroidalkohole), die wiederum mit langkettigen Säuren (bis über C40) verestert sind. Im Wollwachs kommt unter anderem das Cholesterin vor, das in der Haut eine wichtige Schutzfunktion ausübt. Lanolin besteht nach dem Deutschen Arzneibuch (DAB 10) aus einer Mischung von 65% Wollwachs, 20% Wasser und 15% dickflüssigem Paraffin. In der Schweizer Variante (Ph. Helv. 7) ist statt Paraffin Olivenöl enthalten. Auch Wollwachs eignet sich für Coldcreams, da die hydrophilen Gruppen der Steroide, der Hydroxyfettsäuren und der teils mehrwertigen Alkohole Wasser in W/O-Form stabilisieren können. Das Europäische Arzneibuch beschreibt die Rezeptur eines wasserhaltigen Wollwachses mit 25% Wasser. Während Wollwachs in der Pharmazie als Basis für die Aufnahme von Arzneistoffen dient, wird es kosmetisch in barriereaktiven Cremes verwendet. Für fettende, unreine oder zu Akne neigender Haut ist es allerdings nicht geeignet. Denn wie andere adhäsiv fettende Grundlagen kann es die Komedonenbildung verstärken. Ein weiterer Kritikpunkt veganer Konsumenten ist der tierische Ursprung. Die auf Pestizidrückstände zurückzuführende Allergenität des Wollwachses kann man heute aufgrund des hohen Reinigungsgrades praktisch vernachlässigen. Jedoch sind individuelle Reaktionen auf einzelne Bestandteile oder Additive wie BHT (Antioxidans) nicht ganz auszuschließen.

Das pflanzliche Pendant zu Cholesterin und den im Wollwachs vorkommenden Sterinen sind die strukturell verwandten Phytosterine. Sie können das barriereaktive Cholesterin tierischer Provenienz in der Hautpflege ersetzen. Phytosterine sind ein Hauptbestandteil des "Unverseifbaren" (INCI: Unsaponifiable) der pflanzlichen Öle. Die Bezeichnung „unverseifbar" stammt noch aus einer Zeit, in der man Seifen größtenteils aus Pflanzenölen produzierte. Dabei entstehen aus den Triglyceriden der Öle Fettsäuresalze (Seifen) und Glycerin sowie Rückstande phytosterinreicher Wachse - in unterschiedlichen Mengen. Reich an Unverseifbarem ist unter anderem Avocadoöl, was seine hervorragenden Pflegeeigenschaften erklärt.

Eine andere Quelle für Phytosterine ist die in der Kosmetik sehr oft verwendete Sheabutter. Sie wird aus der Kariténuss gewonnen und ist ein häufiger Bestandteil von Barrierecremes. Ihr Schmelzpunkt liegt knapp unter oder über der Körpertemperatur. Daher lässt sie sich bereits als reiner Stoff recht gut auf der Haut verteilen. Weitere Bestandteile sind langkettige Fettsäuren, die sich ebenfalls gut in die Hautbarriereschichten integrieren.

Während Sheabutter den Wachsen zugeordnet werden kann, gilt dies nicht für die hauptsächlich aus Triglyceriden bestehende Kakaobutter. Sie ist also definitionsgemäß ein typisches Fett. "Butter" muss also nicht gleich "Wachs" sein. Die Übergänge sind bei den vielen im Markt befindlichen pflanzlichen "Butter"-Rohstoffen aber fließend.

Im wahrsten Sinne des Wortes fließend ist auch das Jojobaöl, das hinsichtlich seines Gehaltes an Wachsestern eindeutig ein Wachs ist, aber entgegen der eingangs erwähnten Definition flüssig ist. Der Jojobastrauch wird in Wüsten und Halbwüsten kultiviert. Das aus den Samen gewonnene Öl wird aufgrund seiner weitgehenden Oxidationsstabilität nicht ranzig und zieht gut in die Haut ein. Unraffiniert enthält es Vitamin E und Carotinoide - erkennbar an seiner gelblichen Farbe. Wegen seiner universellen Einsatzmöglichkeiten ist Jojobaöl in Pflegemitteln weit verbreitet.
Wachsester sind ein wichtiger Bestandteil der pflanzlichen Cuticula (Fruchtschalen, Blätter, Blüten), wo sie - ähnlich wie auch im Rahmen der Hautpflege - den Wasserverlust reduzieren. Das menschliche Sebum enthält rund 25% Wachsester, die auch hier aus langkettigen Alkoholen und langkettigen Fettsäuren bestehen.

Synthetisch hergestellt

Im menschlichen Sebum finden sich unter anderem Wachsester aus gesättigten oder einfach ungesättigten C16-Alkoholen und -Estern. Diese kommen auch im Walrat (Vorderkopf des Pottwals) vor und eignen sich aus diesem Grund sehr gut zur Pflege trockener Haut. Nachdem die tierische Quelle nicht mehr genutzt werden kann, wird das Cetylpalmitat (Palmitinsäurehexadecylester) synthetisch hergestellt. Der niedrige Schmelzpunkt von 43-45 ºC erleichtert die Verteilung auf der Haut - im Gemisch mit anderen Cremebestandteilen. Die Verbindung wurde in das Europäische Arzneibuch zur Verwendung als Wirkstoffträger, Fettungsmittel und Konsistenzgeber für pharmazeutische Cremes aufgenommen. Es ist Bestandteil von Kühlsalben, die analog den oben genannten Coldcreams aufgebaut sind. Mittlerweile gibt es viele Varianten von Wachsestern mit ähnlicher Funktionalität.

Länger anhaltend

Wachsester werden langsamer abgebaut als Triglyceride (Fette), auf die der menschliche Körper eingestellt ist. Daher kann es beim Verzehr wachsesterreicher Fische wie der "geräucherten Buttermakrele" zu Magen-Darm-Störungen in Form von vorübergehenden Durchfällen kommen (vgl. Stellungnahme des BfR [Bundesinstitut für Risikobewertung] vom 2.11.2009). Für die Hautpflege ist der im Vergleich zu den triglyceridhaltigen Pflanzenölen langsame Abbau von Vorteil. Denn der Hautschutz hält auf diese Weise länger an. Am Ende ist der Abbau aber gewährleistet - im Gegensatz zu den für gleiche Zwecke genutzten Paraffinen (siehe unten).

Schwerer vom Organismus abbaubar sind auch höher schmelzende pflanzliche Wachse wie das Carnaubawachs (Schmelzpunkt ca. 80-87 ºC) und das Candelillawachs (67-79 ºC). Die aus Blättern und Stängeln gewonnenen Wachse gelten als unverdaulich und sind als Lebensmittelhilfsstoffe (E 903 bzw. E 902) - z. B. als Trenn- und Konsistenzmittel - (auch in Kosmetika) ohne Höchstmengenbegrenzung zugelassen. Man findet sie als Bestandteile von Lippenstiften, Camouflage-Präparaten, Kajalstiften und anderen Make-up-Produkten.
Die natürlichen Wachse enthalten neben Wachsestern, Phytosterinen, Wachsalkoholen und freien Fettsäuren häufig Kohlenwasserstoffanteile: Bienenwachs 15%, Carnaubawachs 2%, Candelillawachs 45%. Ihr Vorkommen in den Wachsen von Fruchtschalen ist besonders hoch.
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Wachse sind auch in der unbelebten Natur weit verbreitet. Man spricht von mineralischen Wachsen. Hinsichtlich ihrer Zusammensetzung bewegen sie sich von hoch angereicherten Wachsestern bis hin zu reinen Kohlenwasserstoffen. Als Montanwachs bezeichnet man Braunkohleextrakte (INCI: Montan Cera, Montan Wax), die z. B. in Mascara verarbeitet werden. Die Eigenschaften ähneln denen des Carnaubawachs. Daher findet man auch häufig Kombinationen beider Wachse. Montanwachs besteht überwiegend aus Wachsestern - z. B. der Montansäure (C28; Octacosansäure). Da das Wachs preiswert ist, wird es auch zum Polieren von Fruchtschalen (E 912), zur Herstellung von Bohnerwachs und von Schuhcreme verwendet.
Nahezu nur aus Kohlenwasserstoffen bestehen Erdwachse (INCI: Ozokerite) und das daraus hergestellte Ceresin. Zusammen mit Mikrokristallinem Wachs (INCI: Cera Microcristallina), das aus Erdölrückständen gewonnen wird, werden diese Wachse in der Fettphase kosmetischer Cremes verarbeitet. Sie senken den transepidermalen Wasserverlust (TEWL) und glätten die Haut. In der Haarpflege dienen sie mitunter als Konditionierer. Sie gehören zusammen mit Vaseline (Petrolatum) zu den Paraffinen und sind nicht unumstritten. Denn in höheren Dosierungen beeinträchtigen sie auf Dauer die Regenerationsfähigkeit der Haut.
Hochgereinigte Fraktionen haben als Salben- und Zäpfchengrundlagen Eingang in die Arzneibücher gefunden. Ihre Hautverträglichkeit ist durchweg gut, wobei allerdings höhere Dosierungen Hautquellungen verursachen. Diese für die Haut nachteilige Eigenschaft wird immer noch in Nacht- und Antifaltencremes konventioneller Bauart genutzt. Hartparaffine sind im Übrigen auch die Grundlage der eingangs erwähnten Kerzenwachse. Unterschiedliche Qualitäten dienen in Form von Heißwachs der Epilation, indem sie in geschmolzenem Zustand auf die Haut aufgetragen und in kaltem Zustand wieder abgezogen werden. Okklusive Paraffinmasken verstärken die Penetration von Wirkstoffkonzentraten und Seren, die zuvor appliziert wurden.
Wachse mit vergleichbaren Eigenschaften bestehen aus Poly-alpha-Olefinen (PAO). So werden synthetische Kohlenwasserstoffe wie Propylen, Buten und Decen zu Wachsen mit einer maßgeschneiderten Konsistenz ohne störende Verunreinigungen polymerisiert. Die ADI-Werte (ADI = acceptable daily intake) von PAO's sind vergleichsweise günstiger als die von Paraffinen aus der Erdölproduktion. Sie werden daher auch in Lippenstiften eingesetzt.

Polyethylenglykole

Eine ganz andere Art von Wachsen stellen hochmolekulare Polyethylenglykole (PEG) und ihre methylierten Vertreter (MPEG) dar. Sie werden in der Pharmazie für Salben- und Zäpfchengrundlagen oder als Tablettenhilfsmittel genutzt. Die Handelsbezeichnung lautet häufig Carbowax. In der Kosmetik kommen sie als Konsistenzgeber zum Einsatz. PEG-Derivate von Bienenwachs und Lanolin heißen PEG Beeswax oder PEG Lanolin. Sie dienen zum Beispiel als Gelbildner in Oleogelen oder Rückfetter in Reinigungspräparaten wie Shampoos und Duschcremes.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetik International
2014 (10), 52-56

 
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