Der Begriff "Vergällungsmittel" drückt schon aus, worum es geht. Es sind Stoffe, die einem den Appetit vergällen sollen, d. h. genießbare Stoffe ungenießbar machen. Dabei steht vor allem der Alkohol (Ethanol) im Mittelpunkt, der uns von Spirituosen bestens bekannt. ist. Prinzipiell ist Ethanol ein vergleichsweise preiswerter Stoff. Aber da gibt es noch die Branntweinsteuer1). Die Branntweinsteuer wird auch erhoben, wenn Ethanol nicht zum Verzehr, sondern zu anderen Zwecken - wie z. B. zur Herstellung von Kosmetika - eingesetzt wird. Das macht ihn zu einem teuren Einsatzstoff, obwohl man Kosmetika in der Regel weder trinkt noch isst.
Steuer oder Vergällung
Während es in ähnlichen Fällen wie beispielsweise Mineralölen die Möglichkeit der Einrichtung von Steuerlagern gibt und auch für Alkohol gemäß § 139, Abs. 1 des Branntweinmonopolgesetzes2) eine entsprechende Zulassung beantragt werden kann, ist dies in Deutschland für Lebensmittel, aber nicht für Kosmetika möglich. In § 139 (Steuerfreie Verwendung) ist zu lesen: "Wer Erzeugnisse steuerfrei nach § 132 Abs. 1 verwenden will, bedarf der Erlaubnis. Sie wird Personen auf Antrag unter Widerrufsvorbehalt erteilt, gegen deren steuerliche Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen. Die Erlaubnis schließt die Lagerung der zu verwendenden Erzeugnisse im Betrieb mit ein". Für Kosmetika wird die Erlaubnis verweigert, weil es schlicht keine gesetzlich festgelegte Ausführungsbestimmung gibt, nach der der Kosmetikhersteller mittels einer lückenlosen Bilanzierung von Eingangs- und Ausgangsmenge nachweist, dass Alkohol nicht zu Genusszwecken missbraucht, sondern nur für Kosmetika eingesetzt wird. Auch eine Branntweinsteuer-Rückerstattung ist nicht möglich. Das Bundesfinanzministerium beantwortete eine entsprechende Anfrage wie folgt: "Ohne eine ordnungsgemäße Vergällung ist die steuerfreie Verwendung zur Herstellung von kosmetischen Mitteln nicht möglich"3).
Phthalate - nicht ohne Risiko
Die Folge der staatlichen Reglementierung ist der verbreitete Einsatz von Vergällungsmitteln. Die am häufigsten eingesetzten Vergällungsmittel sind Phthalsäureester (Phthalate). In Kosmetika wird hauptsächlich Diethylphthalat (Phthalsäureethylester; DEP) eingesetzt. Die Mindestkonzentration beträgt gemäß Branntweinsteuerverordnung 0,5% im Alkohol. Im Zusammenhang mit Weichmachern und Kinderspielzeugen aus China wird das Für und Wider immer mal wieder öffentlich diskutiert. Und in der Tat fallen in der Anlage 1 der Kosmetikverordnung (KVO)4), "Stoffe, die bei dem Herstellen oder Behandeln von kosmetischen Mitteln nicht verwendet werden dürfen", folgende Phthalate auf:
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Dibutylphthalat (CAS-Nr. 84-74-2) (Ziffer 675)
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Bis-(2-ethylhexyl)-phthalat (CAS-Nr. 117-81-7) (Ziffer 677)
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Bis-(2-methoxyethyl)-phthalat (CAS-Nr. 117-82-8) (Ziffer 678)
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1,2-Benzoldicarbonsäure, Dipentylester, verzweigt und linear (CAS-Nr. 84777-06-0), n-Pentylisopentylphthalat, Di-n-pentylphthalat (CAS-Nr. 131-18-0), Diisopentylphthalat (CAS-Nr. 605-50-5) (Ziffer 1151)
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Benzylbutylphthalat (BBP) (CAS-Nr. 85-68-7) (Ziffer 1152)
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1,2-Benzoldicarbonsäure Di-C7-11, verzweigte und lineare Alkylester (CAS-Nr. 68515-42-4) (Ziffer 1153)
Bemerkung: 1,2-Benzoldicarbonsäure ist die synonyme Bezeichnung für Phthalsäure.
Interessant ist, dass die amerikanische CTFA (Cosmetic, Toiletry and Fragrance Association) in 20025) explizit und im Dezember 20066) noch allgemein die Verwendungen von Dimethylphthalat (DMP), DEP und Dibutylphthalat (DBP) als "safe" eingestuft hat; in Deutschland enthielten 2005 noch 64 Arzneimittel DBP, obwohl die entwicklungs-, reproduktions- und embryotoxische Wirkung im Tierversuch bereits nachgewiesen war7). Das Umweltbundesamt (UBA) warnte 2007 in einer Stellungnahme allgemein vor dem Einsatz von Phthalaten ("Phthalate - Die nützlichen Weichmacher mit den unerwünschten Eigenschaften"), da sie - insbesondere das in PVC als Weichmacher eingesetzte Bis-(2-ethylhexyl)-phthalat (DEHP) - unter anderem fortpflanzungsgefährdend sind. Das UBA empfiehlt auch, in Kosmetika DMP und DEP durch weniger bedenkliche Alternativen zu ersetzen8). In einem vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Internet 2004 veröffentlichten Fazit heißt es: "Vor dem Hintergrund dieser wissenschaftlichen Bewertung erscheinen die pauschalen Äußerungen zu den gesundheitlichen Risiken von Diethylphthalat in Parfüms in einigen Presseberichten nicht zutreffend."9) Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) kommt in einem am 22.5.2006 aktualisierten Beitrag zu dem Schluss: "In zahlreichen Studien zur Toxizität von DEHP konnten in Tierversuchen verschiedene negative Wirkungen des DEHP nachgewiesen werden. Von größerer Bedeutung ist hierbei offenbar seine negative Wirkung auf die sexuelle Entwicklung der männlichen Nachkommenschaft. Zwar gibt es zurzeit keine Studien, die eine vergleichbare negative Wirkung von DEHP beim Menschen eindeutig belegen, dennoch mehren sich die Hinweise hierfür. Somit besteht zumindest unter dem Gesichtspunkt des vorbeugenden Gesundheitsschutzes aus der Sicht des BfArM die Notwendigkeit, die DEHP-Exposition durch die Anwendung von Medizinprodukten zu minimieren." ("DEHP als Weichmacher in Medizinprodukten aus PVC").10) DEHP ist das produktionsmengenmäßig dominierende Phthalat. In der Medizin wird es unter anderem als Weichmacher in flexiblen Schlauchsystemen und Behältnissen verwendet, wobei die Löslichkeit bei wässrigen Flüssigkeiten als vernachlässigbar angesehen wird. Betreffend des Hautkontaktes sagt das BfArM: "Allgemein kann davon ausgegangen werden, dass der DEHP-Eintrag über die intakte Haut von der Hautbeschaffenheit (z.B. trocken, feucht oder fettig), der Ausdehnung der Kontaktoberfläche und der Dauer des Kontaktes abhängig ist."10) Weiter führt das BfArM aus: "Weil das DEHP insbesondere Wirkungen auf die sexuelle Entwicklung hat, ergeben sich die folgenden Risikogruppen mit erhöhter Sensitivität, bei denen DEHP vermutlich am ehesten einen negativen Einfluss auf die Gesundheit haben könnte:
Das oben zitierte Bayerische Landesamt berichtet von DEP-Konzentrationen über 1% bei Kosmetika, die auf eigenen Messungen basieren9) - d. h. mehr als das Doppelte dessen, was die Branntweinsteuerverordnung vorschreibt. In einer Studie (2008) wurde der Urin von 163 Kleinkindern, die im Zeitraum 2000-2005 geboren wurden, auf Phthalate untersucht. Dabei wurden unter anderem Monoethylphthalat, Monomethylphthalat und Monoisobutylphthalat nachgewiesen, deren Konzentration mit der Anzahl der verwendeten Hautpflegeprodukte anstieg11). Diese Verbindungen entstehen im Körper durch Abspaltung eines Alkoholrestes und stehen damit in Übereinstimmung mit der Metabolisierung längerkettiger oder höhermolekularer Phthalate wie dem DEHP. Aus toxikologischer Sicht ist daher die obige Empfehlung des UBA ernst zu nehmen und die Hersteller von Kosmetika sollten auf DEP verzichten.
Alternativen zu Phthalaten
Folgende Alternativen zu DEP gibt die Branntweinsteuerverordnung1) für die Vergällung an:
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0,5% Thymol
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0,0008% Denatoniumbenzoat und 0,078% tert-Butanol
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5% Isopropanol und 0,078% tert-Butanol
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0,039% Moschusketon und 0,078% tert-Butanol
Thymol (2-Isopropyl-5-methyl-phenol; CAS-Nr. 89-83-8) ist ein Monoterpen mit aromatischem Geruch, tert-Butanol (CAS-Nr. 75-65-0) riecht kampferähnlich, Isopropanol (CAS-Nr. 67-63-0) wird in der Regel mit Haarwasser assoziiert, Moschusketon (3-Methylcyclopentadecanon; CAS-Nr. 541-91-3) ist die wichtigste Komponente des natürlichen Moschus und somit ein typischer Duftstoff. Denatoniumbenzoat (CAS-Nr. 3734-33-6) ist ein synthetischer, selbst in kleinsten Konzentrationen äußerst bitter schmeckender Stoff. Für eine dermatologisch ausgerichtete Kosmetik ohne Duftstoffe und mit möglichst wenigen, nicht physiologischen Hilfsstoffen sind alle angebotenen Vergällungsalternativen nicht akzeptabel. Die Branntweinsteuerverordnung lässt jedoch noch eine weitere individuelle Möglichkeit zu: "Sind die in Absatz 4 genannten Vergällungsmittel im Einzelfall nach den Anforderungen des Erlaubnisinhabers ungeeignet, kann die Bundesmonopolverwaltung auf Antrag andere Vergällungsmittel zulassen. Handelt es sich um in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nachweislich allgemein zugelassene Vergällungsmittel, erteilt sie die Zulassung, wenn Gründe der Sicherung des Steueraufkommens oder des Gesundheitsschutzes nicht entgegenstehen. Der Antragsteller hat der Bundesmonopolverwaltung auf Verlangen unentgeltlich Proben für Untersuchungszwecke zu überlassen". Bei Parfüms kann diese Möglichkeit relativ einfach für Mischungen von Alkohol mit Riechstoffen ("Vergällungsmittel") beantragt werden, da die Mischungen ungenießbar sind und der Alkohol nicht auf einfache Weise zurückzugewinnen ist. Für viele Kosmetika ist dies praktisch nicht realisierbar, weil es keine Komponenten im Endprodukt gibt, mit denen Alkohol von vornherein ungenießbar gemacht werden kann. Entsprechende Anträge aus der Firmengruppe des Autors des vorliegenden Artikels wurden von der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (BfB), die zum Bundesministerium für Finanzen gehört, abgelehnt. Für die Hersteller derartiger Kosmetik gibt es daher nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird Alkohol mit DEP vergällt (niedrige Produktionskosten) und etwaige Gesundheitsrisiken in Kauf genommen oder die Produkte werden mit versteuertem Alkohol hergestellt (hohe Produktionskosten).
Deklarierung der Vergällungsmittel
Beim Einsatz von vergälltem Alkohol erscheint in der INCI nur eine einzige Bezeichnung, nämlich "Alcohol denat". Anders als bei der amerikanischen FDA sieht die Europäische Kosmetikverordnung keine Differenzierung nach dem Vergällungsmittel vor. D. h. der Verbraucher weiß nie, welches Vergällungsmittel enthalten ist. Zum Beispiel bedeutet SD Alcohol 39-C in der amerikanischen Deklarierung "Specially Denaturated Alcohol", vergällt mit 1% Diethylphthalat (DEP). SD Alcohol 39-B enthält 0,5% DEP und 0,125% tert-Butanol.
Verzicht auf Alkohol?
Eine weitere Alternative ist es natürlich, auf Alkohol in Kosmetikpräparaten zu verzichten. Er dient als Lösungsvermittler und ist neben Propylenglykol das häufigste Extraktionsmittel für Naturextrakte. Darüber hinaus entwickelt er in Konzentrationen über 10% antimikrobielle Eigenschaften und kann dann Konservierungsstoffe ersetzen. Im Vergleich zu den in der Kosmetikverordnung zugelassenen Konservierungsstoffen löst Alkohol keine Allergien aus. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung wirkt er in diesen Konzentrationen auch nicht austrocknend. Diese Wirkung tritt erst bei hohen Konzentrationen ein, wie sie in Rasierwässern, Fitness-Produkten und Parfüms vorkommen. Fazit: Es bleibt unverständlich, warum der Gesetzgeber unversteuerten Alkohol in Kosmetika unter Zollaufsicht nicht zulässt und damit sich abzeichnende gesundheitliche Risiken durch unnötige Stoffe vermeidet. Es besteht damit für die Kosmetikhersteller keinerlei Anreiz, den bisherigen Einsatz offiziell zugelassener, aber inzwischen gesundheitlich bedenklicher Stoffe einzustellen.
Literaturquellen
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Branntweinsteuerverordnung vom 21. Januar 1994, aktualisiert am 19.3.2008
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Branntweinmonopolgesetz vom 8. April 1922, aktualisiert am 13.12.2007
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Schreiben der Bundesfinanzdirektion Südwest vom 22.7.2008, Aktenzeichen V 2310 B - 502/08 -Z 331aNW
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Verordnung über kosmetische Mittel (Kosmetikverordnung) in der Fassung vom 7.10.1997, zuletzt geändert durch 47. Änderungsverordnung vom 18.9.2008
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Mitteilung RSTP 02-21 (November 12, 2002) der CTFA, Cosmetics Containing Phthalates Are Safe. Cosmetic Ingredient Review Expert Panel Confirms Safety of Phthalates Used in Cosmetics
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Mitteilung: Personal Care Products Council, December 2006, Cosmetic, Toiletry and Fragrance Association (CTFA), Cosmetics Containing Phthalates Are Safe (www.personalcarecouncil.org; download am 17.1.2009)
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H. M. Koch, J. Müller, H. Drexler und Jürgen Angerer, Dibutylphthalat in Arzneimitteln: ein bisher unterschätztes Risiko für Schwangere und Kleinkinder?, Umweltmed Forsch Prax 10 (2), 144-146 (2005)
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Mitteilung des Umweltbundesamtes (UBA) vom Februar 2007
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Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Diethylphthalat in kosmetischen Mitteln (www.lgl.bayern.de/lebensmittel/diethylphthalat_kosmetik.htm; aktualisiert am 11.03.2004, download am 18.12.2006)
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Empfehlungen des BfArM, Referenz-Nr. 9211/0506, aktualisiert am 22.5.2006: DEHP als Weichmacher in Medizinprodukten aus PVC (www.bfarm.de; download am 17.1.2009)
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S. Sathyanarayana, C. J. Karr, P. Lozano, E. Brown, A. M. Calafat, F. Liu and S. H. Swan, Baby Care Products: Possible Sources of Infant Phthalate Exposure, Pediatrics 121 (2), e260-e268 (2008)
Dr. Hans Lautenschläger |