Die mikrobiologische Stabilität von Kosmetika ist neben der physikalischen und chemischen Stabilität ein entscheidender Faktor für ihre Haltbarkeit. Keime wachsen vor allem da, wo Wasser ist. Deshalb müssen alle wasserhaltigen Produkte in irgendeiner Weise geschützt werden. Reine Öle und Fette benötigen dagegen keinen Schutz. Je nach Zusammensetzung können sie zwar ranzig werden; doch ist dies nicht auf eine Instabilität gegenüber Mikroorganismen, sondern gegenüber dem Luftsauerstoff zurückzuführen. Mitunter anzutreffende werbliche Aussagen "Ohne Konservierungsstoffe" sind daher bei Ölen und Fetten unzulässig, weil dies eine Selbstverständlichkeit ist.
Wann ist was stabil?
Produkte sind besonders gefährdet, wenn Öle und Fette in Wasser fein dispergiert sind (O/W-Emulsionen). Umgekehrt sind Wasser-in-Öl-Emulsionen (W/O) tendenziell unempfindlicher, da die zur Außenwelt gekehrte Phase nahezu wasserfrei ist. Tiegelprodukte sind gegenüber Spendern mit doppeltem, wanderndem Boden im Nachteil, da sie beim Entnehmen der Creme durch die Berührung mit der keimbesiedelten Haut immer wieder neu "beimpft" werden. Dies ist im Übrigen der Hauptgrund, warum der Gesetzgeber neuerdings bei Produkten, die länger als 30 Monate haltbar sind und kein Haltbarkeitsdatum ausweisen müssen, eine Angabe über die maximale Verwendungsdauer nach Öffnung des Produktes fordert - Symbol des offenen Tiegels mit Monatsangabe. Diese neue Regelung gilt für alle Zusammensetzungen, obwohl z. B. in Tiegeln abgefüllte, wasserfreie Oleogele gefahrlos mit den Fingern entnommen werden können. Keime sind in diesen Produkten nicht lebensfähig. Gleiches gilt für wasserfreie Massageöle. Eine Besonderheit wasserhaltiger Produkte ist ihre konzentrationsabhängige Anfälligkeit, eine Eigenschaft, die seit alters her bekannt ist. So verderben z. B. Fruchtsäfte (niedriger Zuckergehalt) sehr schnell, während Konzentrate und Marmeladen (hoher Zuckergehalt) in der Regel unempfindlich sind. Ähnliches gilt für stärker salzhaltige Lösungen (Konservierung von frischem Fisch) oder alkoholhaltige Lösungen; der Alkohol des Weines kann von Bakterien noch in Essig umgewandelt werden, Branntwein ist für Keime jedoch ein absolut lebensfeindliches Medium. Alkohol, alkoholähnliche und zuckerverwandte Stoffe sind daher eine Alternative zu den zugelassenen Konservierungsstoffen der Kosmetikverordnung (KVO).
Die Stoffe im Einzelnen
Ein Anhang der KVO regelt die maximalen Einsatzkonzentrationen der Konservierungsstoffe und vor allem, welche Stoffe unter welchen Bedingungen eingesetzt werden dürfen. Damit will der Gesetzgeber Gefährdungen durch Sensibilisierungen bei der Verwendung kosmetischer Mittel minimieren. Diese Bedingungen gelten allerdings für die gesunde Haut. Eine barrieregestörte Haut kann im Einzelfall wesentlich empfindlicher sein. Für diese Personengruppe sind Produkte ohne Konservierungsstoffe besser geeignet. Konservierungsstoffe töten Bakterien, Hefe oder Schimmelpilze ab oder hemmen deren Wachstum - das bedeutet, sie greifen in den Stoffwechsel bzw. andere lebenswichtige Vorgänge der Mikroorganismen ein. Dies ist nur möglich, wenn sie über eine partielle Wasserlöslichkeit, eine gute Penetrationsfähigkeit und eine hohe chemische Reaktivität verfügen. Daher überwiegen bei den Konservierungsstoffen kleine, amphiphile (wasserund zugleich fettliebende) Moleküle, die bevorzugt in die Grenzflächen von Wasser und Fettphasen wandern. Genau hier halten sich die Keime auf.
Natürlich oder synthetisch?
Chemisch gesehen überwiegen Konservierungsstoffe mit Aldehydgruppen, Schwefel-Stickstoffbindungen, Halogenresten (Chlor, Brom, Jod) oder phenolischen Resten sowie aromatenhaltige Alkohole und Säuren bzw. deren Ester. Dabei ist es für die Wirkung und das Sensibilisierungspotenzial unerheblich, ob es sich um synthetische, natürliche oder naturidentische Stoffe handelt. Benzylalkohol und Benzoesäure kommen beispielsweise ubiquitär im Pflanzenreich vor, Parabene im Tierreich und Aldehyde sowohl als auch. Die Produktwerbung "Mit natürlichen Konservierungsstoffen" ist daher gemäß dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht zulässig, weil sie dem Verbraucher einen Vorteil suggeriert, den es nicht gibt. Auch viele Duftstoffe, z.B. Rosenöl oder Rosenwasser, wirken aufgrund ihres Gehaltes an Aldehyden, Ketonen und aromatenhaltigen Alkoholen keimhemmend; sie bieten aber keine Vorteile. Im Gegenteil, ein Allergiker hat es hier viel schwerer, da nicht alle relevanten Komponenten in der INCI deklariert sind und der Hersteller sein Produkt als "konservierungsstofffrei" anbieten darf, wenn es keine Konservierungsstoffe der KVO enthält.
Warnhinweise berücksichtigen
Bei vielen in der KVO zugelassenen Konservierungsstoffen ist ein Warnhinweis zu berücksichtigen, z. B. bei Jodpropinylcarbamat: "Enthält Jod" (Dosierung über 0,02%); dies gilt allgemein auch für Quecksilberverbindungen, Chlorbutanol, Chloracetamid und Glutaraldehyd. 5-Brom-5-nitro-1.3-dioxan und 2-Brom-2-nitro-1.3.-propandiol können mit Aminen krebserzeugende Nitrosamine bilden; hier wird der Hersteller in die Pflicht genommen: "Nitrosaminbildung vermeiden". Einige Konservierungsstoffe dürfen nur in Produkten verarbeitet werden, die nach der Anwendung nicht auf der Haut verbleiben. Weit verbreitet sind Formaldehydabspalter, z. B. Imidazolidinylharnstoff (INCI: Imidazolidinyl Urea), Benzylhemiacetal (setzt auch Benzylalkohol frei) und 4.4-Dimethyl-1.3-oxazolidin. Bronidox (5-Brom-5-nitro-1.3-dioxan) und Bronopol (2-Brom-2-nitro-1.3-propandiol) können ebenfalls Formaldehyd freisetzen. Dibromdicyanobutan (Methyldibromglutaronitril) ist heute in sehr vielen Kosmetika zu finden. Die Allergierate auf diesen Stoff ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Auch das in sehr niedrigen Dosierungen eingesetzte Methyl- bzw. Chlormethylisothiazolinon rangiert schon länger in der Hitliste der Sensibilisierungsraten recht weit oben. Es ist ein sehr reaktives Molekül, da es sowohl mit den Sulfhydryl- als auch den Amino-Gruppen von Aminosäuren und Peptiden reagieren kann. Bei trockener und atopischer Haut, die besonders durchlässig ist, sollte man entsprechende Produkte nur mit Vorsicht anwenden.
Parabene & Co
Die Ester der para-Hydroxybenzoesäure (Paraben), Methylparaben, Ethylparaben, Propylparaben und Butylparaben sind sozusagen die Standardvertreter unter den Konservierungsstoffen. Sie müssen vergleichsweise hoch dosiert werden. Zu ihrer Verwendung liegen aber die meisten Erfahrungswerte vor. Da sie nicht sehr gut löslich sind, wird zusätzlich häufig Phenoxyethanol als Lösungsvermittler verwendet. Schwächer wirksam sind auch Säuren wie Sorbinsäure, Propionsäure, Benzoesäure, Dehydracetsäure oder Salicylsäure. Sie werden daher nicht mehr so oft eingesetzt. Ihre Wirkung ist naturgemäß pH-abhängig und nimmt mit steigendem pH durch Bildung der entsprechenden Salze stetig ab. Meist werden mehrere Konservierungsstoffe zusammen verwendet, da jeder Stoff für sich nicht in gleicher Weise auf alle Keimfamilien wirkt. Konservierungsstoffe haben den Vorteil, dass man sie in sehr kleinen, Kosten sparenden Konzentrationen einsetzen kann. Dies dürfte heute der Hauptgrund sein, dass die nachfolgend beschriebenen Alternativen zu Konservierungsstoffen unter den Herstellern noch so wenig populär sind.
Es gibt Alternativen ...
Terpene sowie Mono- und Diglyceride spezieller Säuren können die mikrobioziden Eigenschaften von Deodorants bei niedrigem pH verstärken, werden aber in anderen Produkten nur selten eingesetzt. Es wird darüber hinaus immer wieder nach Stoffen gesucht, die nicht in der Liste der KVO registriert sind, aber vergleichbare Wirkungen zeigen und die Produktaussage "Frei von Konservierungsstoffen" erlauben. Es empfiehlt sich daher, genau auf die INCI zu sehen. Zuweilen werden Produkte mit vorkonservierten Extrakten versehen und die Vorkonservierung nicht deklariert. Die Produkte werden dann als "Naturkosmetik" angeboten. Doch die Untersuchungsämter sind diesbezüglich erfolgreich tätig. Zu den wirklichen Alternativen gehört neben der Verwendung wasserfreier Öle und Fette die Sterilherstellung. Hierbei werden die Einsatzstoffe steril gemischt und abgefüllt; ein teures Verfahren, das auf Präparate beschränkt ist, die nach dem Öffnen in kurzer Zeit verbraucht werden, wie z. B. Ampullenpräparate. Bei der Hitze-Sterilisierung können jedoch viele empfindliche Naturstoffe nicht verwendet werden. Eine weitere Alternative kann - wie oben schon angedeutet - Alkohol sein. Alkohol ist ein multifunktioneller Stoff, der u. a. auch als Lösungsmittel, Penetrationsverstärker oder wegen seines kühlenden Effektes eingesetzt wird. Alkohol wirkt in mittleren Konzentrationen keimhemmend und ist im Gegensatz zu den Konservierungsstoffen der KVO ein Lebensmittel, das problemlos abgebaut wird und kein Allergiepotenzial besitzt. Alkohol ist allerdings mehr für die fettreiche Haut geeignet, da er insbesondere bei höheren Konzentrationen austrocknend wirken kann. Die Herstellung alkoholhaltiger Kosmetika ist vergleichsweise kostenaufwendig, da eine Mindestkonzentration von ca. 10-12% eingehalten werden muss, während manche Konservierungsstoffe der KVO bereits in Promille und ppm-Bereichen wirksam sind. Da Alkohol flüchtig ist, sind die Behälter alkoholhaltiger Produkte nach dem Gebrauch immer wieder gut zu verschließen. Andernfalls wird die Mindestkonzentration unterschritten und die Produkte werden gegenüber Mikroorganismen anfällig. Dem Alkohol chemisch verwandt ist das in der Haut frei vorkommende Glycerin. Glycerin liegt in tierischen und pflanzlichen Fetten an Fettsäuren gebunden vor und wird beim biochemischen Abbau der Fette frei. Es verfügt im Gegensatz zum Alkohol (eine alkoholische Gruppe) über 3 alkoholische Gruppen und ist nicht flüchtig. Ähnlich aufgebaut sind Butylenglykol, Pentylenglykol, Propylenglykol und Hexylenglykol (jeweils 2 alkoholische Gruppen) sowie Sorbitol (6 alkoholische Gruppen; bekannt als Zuckeraustauschstoff für Diabetiker) und alle natürlichen Zucker (in der Regel 5 alkoholische Gruppen). Im Gegensatz zu Alkohol entfalten alle diese Stoffe einen wasserbindenden Effekt und dienen dementsprechend als effektive Moisturizer. Bereits bei niedrigeren Konzentrationen im Vergleich zu Alkohol tritt bei Glykolen Keimfreiheit ein.
... ohne allergenes Potenzial
Ein allergenes Potenzial wie bei den Konservierungsstoffen der KVO ist praktisch nicht vorhanden. Selbst beim Propylenglykol traten entgegen älteren Berichten in den letzten Jahren praktisch keine Fälle von Sensibilisierungen mehr auf (Untersuchungen der Universitätshautklinik Karlsruhe). Dies ist vermutlich auf Qualitätsverbesserungen und die Eliminierung von Verunreinigungen zurückzuführen. Je nach kosmetischem Produkt werden die genannten Stoffe einzeln oder in Kombination angewandt. Einsatzgebiete sind vor allem Produkte, bei denen mit verstärkter Penetration von Einzelbestandteilen gerechnet werden muss, d. h. Liposomen, Nanopartikel und emulgatorfreie Systeme mit Membranstrukturen. Da diese Produkte insbesondere bei empfindlicher Problemhaut Anwendung finden, verbieten sich die Konservierungsstoffe der KVO geradezu. Auch die Kombination mit konservierten Präparaten ist in diesen Fällen nicht angeraten.
Dr. Hans Lautenschläger |