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Huckepack - Übersicht Trägersysteme

 

Bei Transportsystemen für kosmetische Wirkstoffe denkt man unwillkürlich an kleine gefüllte Kügelchen, die sich durch die Lücken zwischen den Korneozyten winden und in den tieferen Epidermisschichten ihren Inhalt entleeren. Eine gute Story, die aber so nicht stimmt. Was wirklich passiert, erfahren Sie hier.

 

Vesikuläre Strukturen gehören zu den modernen kosmetischen Strukturen. Der Begriff Vesikel stammt ursprünglich aus der Biologie und bezeichnet kapselförmige Membranen, die eine Flüssigkeit enthalten, deren Zusammensetzung sich von der Umgebung unterscheidet, in der sich die Kapseln befinden. In der Kosmetik können es beispielsweise Liposomen sein, in deren Innerem wässrige Wirkstoffe "verkapselt" sind. Man spricht dann von "beladenen" Liposomen. Das Liposom ist neudeutsch ein "Carrier".

Membranen mit Eigenwirkung

Die Hauptfunktionen eines Carriers sind:

  • Schutz des Inhalts vor Oxidation oder vor der Einwirkung anderer Stoffe
  • Bequeme Applikationsform für Wirkstoffe
  • Konditionierung der Haut und Erhöhung der dermalen Bioverfügbarkeit von Wirkstoffen

Die Konditionierung der Haut setzt eine Reaktion des Kapselmaterials mit der Haut voraus. In der Tat verbinden sich die Membranen der Vesikel mit den Membranen der Hautbarriere und machen sie durchlässiger (fluider). Die eingeschlossenen Wirkstoffe können die Hautbarriere passieren. Die ursprüngliche Membran löst sich dabei völlig auf und ihre Einzelbestandteile permeieren in Form von Molekülen langsam in die Haut. In der Regel handelt es sich bei dem Membranmaterial um Phosphatidylcholin (PC), das selbst eine hohe Eigenwirkung besitzt. Daher werden in der Kosmetik auch "Leerliposomen" eingesetzt, für die etwa die Akneprävention eine typische Anwendung ist. Vereinfacht spricht man in der Summe der beschriebenen Vorgänge zwar von einem "Transport", aber das "Transportmittel", der Träger, verhält sich spätestens nach dem Kontakt mit der Hautbarriere physikalisch nicht anders als gewöhnliche Kosmetikbestandteile.

Wirkung - ganz anders

Durch die hohe dermale Bioverfügbarkeit vesikulärer Präparate lassen sich die Konzentrationen von Wirkstoffen senken. Dies ist nicht nur ökonomisch interessant; es kann auch die Verträglichkeit verbessern und bei pharmazeutischen Stoffen sogar die Nebenwirkungen verringern. Die Wirkung kann aber auch eine ganz andere Qualität bekommen. Beispiel: Freies Vitamin C (Ascorbinsäure) hat in hohen Konzentrationen den keratolytischen Effekt einer Fruchtsäure und kann Hornschichtzellen ablösen. Der Einfluss auf die Kollagensynthese ist allerdings gering, da die Säure an der Oberfläche bleibt. Verkapselt man jedoch kleine Konzentrationen von Ascorbinsäureestern der Phosphor-, Stearin- oder Palmitinsäure in Liposomen (wasserlösliche Ester) oder in biologisch abbaubaren Nanopartikeln (fettlösliche Ester), gelingt es, die Ascorbinsäure dorthin zu bringen, wo sie benötigt wird. Die Ester sind wesentlich oxidationsstabiler als die freie Ascorbinsäure. Die Trägerkörper sind etwa 50 bis 200 nm (Nanometer) groß. Nach dem "Transport" in die Haut werden die Ester enzymatisch in körperidentische Substanzen gespalten, im vorliegenden Fall in freie Ascorbinsäure und Phosphorsäure, Stearinsäure oder Palmitinsäure. Nun kann die Ascorbinsäure ihre volle Wirkung entfalten.

Gegenverkehr

Die oben genannte Fluidisierung der Hautbarriere lässt sich bei Liposomen äußerlich leicht beobachten. Es kommt zu einem messbaren, zeitlich begrenzten erhöhten transepidermalen Wasserverlust (TEWL), denn die Erhöhung der Durchlässigkeit der Barriere ist keine Einbahnstraße: Es kann umgekehrt Wasserdampf leichter aus der Haut entweichen. Nanodispersionen kompensieren die TEWL-Erhöhung mit ihrem blockierenden Fettanteil. Auf längere Sicht findet sich die im Phosphatidylcholin gebundene Linolsäure im Ceramid I wieder - dem wichtigsten Barrierebestandteil. Bei trockener Haut kann man den temporären Effekt von Liposomen durch die nachfolgende Applikation einer Creme ausgleichen.

Noch mehr Membranen...

Man hört immer wieder mal das Argument, dass multilamellare Liposomen (mehrschalige, zwiebelförmige Vesikel) größere Mengen Wirkstoff transportieren können als unilamellare (einschalige Vesikel). Dies ist eine Scheindiskussion, da alle kosmetischen Liposomen auf Grund ihrer Herstellung eine bunte Mischung ein- und mehrschaliger Vesikel darstellen. Die Herstellung unilamellarer Liposomen wäre viel zu teuer. Darüber hinaus hat die Anzahl der Schalen (Membranen) bei dem oben beschriebenen "Transportmechanismus" keinerlei Bedeutung. Maßgebend für die Effektivität von Liposomen ist einzig und allein die niedrige oder hohe Dosierung des fluidisierend wirkenden Membranbausteins (PC).

Nanodispersionen

Bei Nanodispersionen sind mittlerweile vier unterschiedliche Systeme zu unterscheiden:

  • Flüssige, biologisch abbaubare Nanopartikel auf PC-Basis. Sie eignen sich neben der oben beschriebenen Verkapselung von Ascorbinsäureestern auch als Medium für Vitamin A, E und deren Ester (z. B. Tocopheryl Acetate, Retinyl Acetate). Ein großer Anwendungsbereich besteht für Pflanzenöle mit ihren Triglyceriden, deren Säurekomponenten langkettig und vielfach ungesättigt sind (Omega-3- und Omega-6-Säuren). Diese emulgatorfreien Dispersionen lassen sich wie Wasser applizieren, fetten nicht, ziehen sofort ein und zeigen durch die in der Haut gebildeten Metabolite der essenziellen Fettsäuren ein hohes entzündungshemmendes Potenzial. Typische Anwendungen sind die Pflege sonnengeschädigter und atopischer Haut.
  • Feste, biologisch nicht abbaubare Nanopartikel (Solid Lipid Nanoparticles; abgekürzt: SLN) auf Wachs-, Mineralwachs- oder Polymer-Basis. Sie enthalten keine membranaktiven Bestandteile wie PC und können daher die Barriere nicht fluidisieren. Die emulgatorfreien Lipid-in-Wasser-Dispersionen legen sich wie ein feiner Film auf die Haut und entlassen die eingekapselten Wirkstoffe aus dem geschlossenen Film heraus in das Hautinnere. Das Trägermaterial selbst hat ähnlich wie ein Paraffin keine Wirkstoffeigenschaften und wird von der Haut nicht verwertet. 
  • Feste, biologisch abbaubare Nanopartikel. Sie können unter anderem Barriere-Bestandteile wie Ceramide, Sterine und langkettige Carbonsäuren enthalten und sind meist zusätzlich mit Wirkstoffen ausgestattet. Sie sind emulgatorfrei und im Gegensatz zu Nanopartikeln auf PC-Basis, die natürliche Antioxidantien (Harnstoff, Vitamin C, E etc.) benötigen, oxidationsstabiler, da ihnen die ungesättigten essenziellen Fettsäuren des PC fehlen. Dadurch liegen allerdings auch die Phasenumwandlungstemperaturen wesentlich höher als bei PC-haltigen Nanopartikeln (natives PC < 0 ºC). Die Partikel können aus diesem Grund die Hautbarriere nicht fluidisieren; ihre penetrationsverstärkende Wirkung für inkorporierte Wirkstoffe ist gering. Bei geeigneter Zusammensetzung können sie aber Lücken in der Barriere (trockene Haut) füllen.
  • Feste anorganische, biologisch nicht abbaubare Nanopartikel aus Metalloxiden (Titandioxid, Eisenoxid) oder Nanosilber. Diese Partikel eignen sich ganz und gar nicht zum Transport von Wirkstoffen. Sie finden als UV-Filter oder Konservierungsstoffe (Nanosilber) Verwendung.

Masken

Die erhöhte Durchlässigkeit der Hautbarriere für Wirkstoffe bei der Verwendung von PC-haltigen Liposomen und Nanopartikeln lässt sich vorteilhaft bei Masken nutzen. Will man die Durchlässigkeit nach der Maske kurzfristig wieder rückgängig machen, verwendet man membranaktive Cremes. Ihre Membranstrukturen werden von gesättigten Phosphatidylcholinen mit hoher Phasenumwandlungstemperatur sowie Ceramiden und Phytosterinen gebildet. Beispiel: Der Umwandlungspunkt von der kristallinen zur flüssig-kristallinen Phase des physiologischen Dipalmitoylphosphatidylcholins (DPPC) beträgt 42 °C. Ähnlich verhält sich gesättigtes PC (PC-H), das aus nativem PC durch Hydrierung gewonnen wird und sowohl Palmitinsäure als auch Stearinsäure chemisch gebunden enthält. Es ist wie DPPC physiologisch.

Grenzen der Systeme

Liposomen und Nanopartikel auf PC-Basis vertragen sich nicht mit einigen für kosmetische Präparate üblichen Stoffen. Vor allem auf Emulgatoren, Tenside und Lösungsmittel reagieren sie empfindlich - ähnlich wie die Haut unter Auflösung der lamellaren Strukturen. SLN sind diesbezüglich wesentlich unempfindlicher. Dagegen sind sie entsprechend ihrer Herstellungstechnologie nicht für alle kosmetischen Wirkstoffe geeignet.
Bei der Verkapselung ist das Molekulargewicht der Wirkstoffe von Bedeutung. Makromoleküle wie Hyaluronsäure, Polysaccharide und Proteine ergeben lediglich physikalische Mischungen mit PC-haltigen Carriern. Diese Mischungen sind aber aufgrund des oben beschriebenen Verhaltens der Carrier nicht ohne Bedeutung. Im Gegenteil: Sie können sich recht gut ergänzen, wenn es z. B. um Hautfeuchte und Hautglättung geht.
Im Übrigen stellt man fest, dass auch beigemischte, nicht verkapselte niedermolekulare Substanzen von der Fluidisierung der Barriere profitieren und ihre dermale Bioverfügbarkeit steigt. Selbst stark polare Substanzen wie etwa Aminosäuren, Azelainsäure, Fumarsäure, Koffein sowie hydrophile pflanzliche Extrakte wie z. B. Grüner Tee, Augentrost oder Mäusedorn können die Hautbarriere passieren. Diese Effekte findet man bei SLN nicht. Da die meisten Konservierungsstoffe und Parfümkomponenten ebenfalls niedermolekular sind, können PC-haltige Carrier in ihrer Anwesenheit die Neigung zu Irritationen oder Allergien verstärken. Ihr Einsatz verbietet sich deshalb in lamellaren Formulierungen. Bei SLN spielt dieser Aspekt keine Rolle.
Im Zusammenhang mit der Novellierung der europäischen Kosmetikverordnung, wird die Partikelgröße von Carriern diskutiert. Jedoch werden an biologisch abbaubare Liposomen und Nanopartikel hinsichtlich der Sicherheitsbewertung keine strengeren Maßstäbe gelegt, weil ein Übergang kleiner intakter Partikel in den Körper selbst bei gestörter Hautbarriere nicht stattfindet. Bei SLN hängen das sensorische Verhalten und die Ausprägung eines äußerlichen Films von der Teilchengröße und den Phasenumwandlungstemperaturen der Partikel ab.

Literatur:
H. Lautenschläger, Nanopartikel in Kosmetika - gut oder schlecht? Beauty Forum 2009 (5), 44-47

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
medical Beauty Forum
2013 (1), 16-18

 
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