Wichtigstes Resultat der Kligman-Studien ist die Erkenntnis, dass geeignete Moisturizer und Fettstoffe nicht nur die Integrität der Hornschicht, sondern in der Folge auch die Regeneration tieferer Hautschichten fördern. Wird die Regeneration der Haut gefördert, altert sie nicht vorzeitig. Modulare Systeme Naturgemäß kann man nicht mit einem einzigen Präparat alle Hautbilder behandeln. Eine wichtige Voraussetzung für die Korneotherapie ist daher neben einer exakten Hautanalyse ein individuell passendes Produkt bzw. ein modulares System, das individuell an die Haut angepasst werden kann. Für die gezielte Korneotherapie bieten sich daher spezielle Basiscremes an, die mit pflegenden Wirkstoffen individuell eingestellt werden können. Basiscremes mit Membran- Struktur sind der Struktur der Hautbarriere nachempfunden. Wie die Haut können sie lipophile und hydrophile Wirkstoffe bei Raumtemperatur aufnehmen. Liposomen und Nanopartikel, die ebenfalls zur "Membranfamilie" gehören, sind geeignete zusätzliche Wirkstoffträger. Das in ihnen enthaltene natürliche Phosphatidylcholin kann in der Haut Linolsäure freisetzen und dient so als Substrat für die körpereigene Synthese des im Stratum corneum befindlichen barriereaktiven Ceramid I. Linolsäure ist unter anderem auch wirksam bei der Behandlung der Akne vulgaris 1. und 2. Grades, die unter anderem durch eine Verhornungsstörung am Ausgang der Talgdrüsen ausgelöst wird. Zellalterung Phosphatidylcholin ist darüber hinaus in lebenden Zellen für die Umwandlung von Ceramiden in Sphingomyeline verantwortlich. Der Anstieg der Ceramide ist dort ein Gradmesser für die Zellalterung. Dies dürfte auch der Grund für die in der Praxis zu beobachtende Verbesserung der Hautstruktur sein, wenn Phosphatidylcholin längere Zeit appliziert wird. Interessant ist die Tatsache, dass die Durchlässigkeit (Fluidität) der Hautbarriereschichten mit linolsäurehaltigem Phosphatidylcholin kurzzeitig erhöht werden kann. Diese Eigenschaft bewirkt die verstärkte Penetration bei liposomal verkapselten Wirkstoffen. Andererseits wird die Fluidität der Hautbarriere mit einer Basiscreme mit Membranstruktur erniedrigt. Die Hautbarriere kann so ganz gezielt auf Durchlass (Transport) oder Sperrfunktion (Hautschutz) eingestellt werden. Physiologische Cremegrundlagen Bei der Korneotherapie ist die Emulgatorfreiheit der Cremegrundlagen vorteilhaft, da Emulgatoren die Integrität der natürlichen Barriereschichten stören. Stattdessen ist die Verwendung von Stoffen empfehlenswert, die mit der Physiologie der Haut vereinbar sind. Mineralölbestandteile wie Petrolatum und Paraffinöl sind daher ebenfalls ungeeignet. In den korneotherapeutisch brauchbaren Basiscremes werden vielmehr Triglyceride eingesetzt, die den Fetten des Stratum corneums gleichen. Ein wichtiger Barrierebestandteil ist auch das Cholesterin, das als tierischer Rohstoff durch pflanzliche Sheabutter ersetzt werden kann. Sheabutter besitzt einen hohen Anteil pflanzlicher Sterine (Phytosterine), die dem Cholesterin strukturell sehr ähnlich sind. Vitamine Für individuell angepasste Korneotherapeutika stehen eine Vielzahl von Wirkstoffen zur Verfügung. Als Beispiel ist das Retinyl Acetate (INCI) zu nennen, das in tieferen Hautschichten in freies Vitamin A umgewandelt wird. Vitamin A beschleunigt zusammen mit der daraus entstehenden Vitamin A-säure die Zellerneuerung. Diese Erneuerung ist z. B. bei unreiner und zu Akne neigender Haut erwünscht. Der Wirkstoff wird auch bei Altershaut in Kombination mit den Vitaminen C und E mit guten Resultaten eingesetzt. Vitamin E fängt freie Radikale ab und bildet dabei selbst ein Radikal, das durch Reaktion mit Vitamin C wieder in Vitamin E überführt wird. D-Panthenol kann eine gute Ergänzung bei entzündeter Haut sein. In diesem Zusammenhang ist das Vitamin K zu nennen, das eine gute Hilfe bei Hautrötungen bietet und daher in der Praxis auch zur Beruhigung verwendet wird. Vitamin K ist vor allem zur Behandlung von Couperose- und Rosacea-Haut geeignet. Umgekehrt wird die Haut mit grünem Tee durch die Anregung der Mikrozirkulation belebt, was bei älterer Haut erwünscht ist. Atrophische Haut Bei atrophischer Haut können Kombinationen mit Coenzym Q10 sinnvoll sein. Coenzym Q10 spielt eine Schlüsselrolle in der Atmungskette. Coenzym Q10 ist bei älteren Menschen mengenmäßig reduziert. Das bedeutet, dass insbesondere der Lipidstoffwechsel mit dem Alter abnimmt. Coenzym Q10 ist ein fettlösliches Molekül, das ähnlich wie die Vitamine E und K aufgebaut ist und in den Membranen der Mitochondrien ("Kraftwerke der Zellen") vorkommt. Hauptkomponente dieser Membranen ist auch hier Phosphatidylcholin. Topisch appliziertes Coenzym Q10 kann entzündliche Prozesse beeinflussen und den Stoffwechsel aktivieren. Es ist besonders effektiv, wenn es zusammen mit Phosphatidylcholin in Nanopartikeln in die Haut transportiert wird. Pflanzliche Extrakte Interessante Extrakte sind Echinacea, das bei Couperose und Sonnenbrand hilft, und Algen mit ihrem feuchtigkeitsspendenden und antimikrobiellen Spektrum. Hamamelis wird wegen seiner adstringierenden Wirkung vor allem bei aufgesprungener und rissiger Haut angewandt. Aus pflanzlichen Extrakten bestehen auch Bleichkonzentrate gegen Pigmentstörungen, die sich speziell durch Tyrosinase-hemmende Komponenten auszeichnen. Sie lassen sich gut mit liposomal verkapseltem Vitamin C kombinieren, das ebenfalls aufhellend wirkt. Wirkstoffkonzentrate werden naturgemäß auf die gereinigte Haut aufgetragen, gegebenenfalls nach Vorbehandlung mit wässrigen, D-Panthenol-haltigen Präparaten oder Leerliposomen die die Haut aufnahmefähig machen. Hautfeuchte Phosphatidylcholin wird nicht nur in Basiscremes, Liposomen oder Nanopartikeln eingesetzt, sondern auch in speziellen Oleogelen. Oleogele sind praktisch wasserfrei und werden bevorzugt, wenn ein besonders hoher Lipid-Anteil für die Korneotherapie notwendig ist. Dies ist in seltenen Fällen bei Personen indiziert, die wässrige Lösungen nicht vertragen, oder bei besonders trockener Haut. Ein interessanter Anwendungsbereich ist die Fußpflege: Verhornungen werden spürbar weicher. Von der exakten Hautdiagnose und dem individuellen Hautzustand hängt es ab, welcher Produkttyp im Einzelfall am zweckmäßigsten ist. So zeigen die Mitglieder der "Membranfamilie" und Oleogele ganz unterschiedliche Charakteristika im Hautfeuchte-Verlauf. Ähnlich verhält es sich mit den Oberflächenlipiden der Haut und dem transepidermalen Wasserverlust (TEWL). Um die Hautfeuchte stärker zu erhöhen, werden physiologische Moisturizer wie Glycerin, Harnstoff, Aminosäuren und Salze eingesetzt. Ihre Wirksamkeit kann messtechnisch leicht nachgewiesen werden. Hauptanwendungsgebiet ist naturgemäß die ältere, zu Fettarmut und Trockenheit neigende Haut. Hier können unter anderem bei atopischer Haut klinisch relevante Verbesserungen des Hautzustandes festgestellt werden. Hautglättung Natürliche Öle beeinflussen ebenfalls den Feuchtigkeitshaushalt der Haut. Die Hautrauigkeit nimmt ab, die Haut wird weich und geschmeidig und die mechanische Belastbarkeit erhöht sich. Ein herausragendes Öl ist z. B. das Avocadoöl. Hautglättung kann auch mit natürlichen Schleimstoffen, z. B. Aloe-Extrakten, erreicht werden. Schleimstoffe binden Wasser und umschließen die Haut mit einem durchlässigen Feuchthaltefilm. Ähnliche Filme werden durch Hyaluronsäure, Glucane und Celluloseverbindungen erreicht. Hyaluronsäure und Glucane verbinden sich aufgrund ihrer besonderen chemischen Zusammensetzung gut mit den Hautproteinen; ihr Filmcharakter ist daher viel weniger spürbar als bei Celluloseverbindungen. Die oberflächlichen Filme führen ähnlich wie Proteinpräparate nach der Antrocknung des Präparates zu einer leichten Hautstraffung. Präventive Korneotherapie Geeignet zusammengesetzte Präparate der Korneotherapie helfen, vorzeitige Hautalterung zu vermeiden. Ein weiterer Punkt ist die unbedingte Vermeidung von Langzeitschäden der Haut, wie sie z. B. durch ungenügenden Lichtschutz, Dauereinwirkung scheinbar harmloser Stoffe und in Form fortgesetzter Irritationen bei Schälungen entstehen. Wichtig sind vor allem Basiscremes und Wirkstoffe, die der Physiologie der Haut entsprechen. Dr. Hans Lautenschläger |