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Was versteht man unter Nanodispersionen?

 

Nanodispersionen, d. h. Flüssigkeiten, die Partikel in Nanogröße, d. h. < 1 µm = < 1000 nm, enthalten, werden in der Hautpflege und in der dermatologischen Kosmetik verbreitet eingesetzt.1,2,3,4,5 Bei nanodispersen Fetten & Ölen ergibt sich eine optimale Haptik. So können unangenehm ölige und fettende Komponenten in wässrige Lotionen überführt werden, die sehr schnell in die Haut einziehen. Wasserlösliche Wirkstoffe – insbesondere solche mit hoher Polarität – werden in Liposomen verkapselt, die ebenfalls zu den Nanodispersionen gehören.

Unabhängig von ihrer biologischen Abbaubarkeit und ihrem lipophilen (Öle, Fette, Wachse, organische Wirkstoffe), hydrophilen (Liposomen mit wässrigem Innenraum) oder anorganischen Aufbau zeigen Nanodispersionen eine hohe Verfügbarkeit der Wirkstoffe und ermöglichen dementsprechend niedrige Wirkstoff-Dosierungen. Flüssige, mit Retinylpalmitat (Vitamin A) beladene Nanopartikel erreichen beispielsweise früher als konventionelle Emulsionen die auf der Bildung von Vitamin-A-Säure beruhende Irritationsschwelle. Liposomen mit Natriumascorbylphosphat (Vitamin C) inhibieren die Melaninbildung in sehr niedriger Konzentration (≤ 1%).

Nanodispersionen, die Partikel in einer Größenordnung unter 1 µm enthalten, erlauben gegenüber konventionellen Formulierungen die Einsparung oder Eliminierung von Hilfsstoffen wie Emulgatoren, Spreitern und Penetrationsverstärkern. Hilfsstoffe stellen oft eine Belastung der Haut dar und können sogar kontraproduktiv sein, wenn sie Auswascheffekte oder Irritationen begünstigen. Darüber hinaus scheitert die Kombination von Nanodispersionen mit konventionellen Rezepturen meistens aufgrund der Inkompatibilität mit Emulgatoren.7
Da bei den Konservierungsstoffen des Anhangs der EU-Kosmetikrichtlinie die Gefahr von Sensibilisierungen mit der Permeation steigt, werden Nanodispersionen durchweg steril in Ampullen oder ohne Konservierungsstoffe produziert. Vorteil: Zwangsläufig werden weitgehend physiologische Konzepte realisiert.

Ein wichtiges Kriterium bei den topisch applizierten Nanopartikeln ist naturgemäß ihre humanbiologische Abbaubarkeit. Problemlos abbaubar sind:

  • Nanokristalle schwerlöslicher oder hoch schmelzender organischer Substanzen wie Boswelliasäuren (Weihrauch), Phytosterine, Flavonoide und deren Glycoside wie z. B. Rutin sowie Ceramide.
  • Flüssige Nanopartikel auf Phosphatidylcholin-Basis – bei ihnen penetrieren nicht die Partikel, sondern die molekularen Einzelkomponenten in die Haut. Sie können z. B. fettlösliche Wirkstoffe wie Vitamine, Coenzym Q10, Ceramide, Pflanzenöle und essenzielle Fettsäuren enthalten.
  • Liposomen mit wasserlöslichen Vitaminen, Antioxidantien, Glycosiden, Moisturizern etc.

Bei anderen Nanopartikeln sind die Trägersubstanzen und mitunter auch die Wirkstoffe biologisch nicht abbaubar:

  • Lipid-Nanopartikel aus Wachsen, Poly-alpha-Olefinen und anderen Kohlenwasserstoffen. Sie fließen auf der Haut zu okklusiven Filmen zusammen, aus denen lipophile Wirkstoffe wie etwa Coenzym Q10 freigesetzt werden.
  • Polymer-Kügelchen aus Polyamiden, Polypeptiden oder Polysacchariden mit eingebetteten, meist pharmazeutischen Wirkstoffen.
  • Silica-Nanopartikel (Kieselsäure), die in ihren Poren amorphe Wirkstoffe und Pigmente aufnehmen und stabilisieren.
  • Anorganische Stoffe wie Titandioxid, Zinkoxid und Kohlenstoff (Carbonblack) für den Sonnenschutz oder die dekorative Kosmetik.
  • Elementare Edelmetalle wie Silber und Gold. Gold bildet rote Dispersionen; Silber wirkt antibakteriell und entzündungshemmend.

Wässrige Nanodispersionen mit kleinen Teilchen gleichen wässrigen Lösungen, während Teilchen über 400 nm eine trübe oder gar milchige Konsistenz aufweisen. Sie können auch gefärbt sein, wie z. B. Golddispersionen.

Einsatzgebiete in der dermatologischen Kosmetik sind die unterstützende Prävention und die adjuvante Hautpflege bei Hautstörungen.8 Hier werden sowohl einzelne Substanzen als auch Substanzmischungen und pflanzliche Extrakte eingesetzt. Der Schwerpunkt liegt bei biologisch abbaubaren und mit der humanen Physiologie kompatiblen Nanodispersionen.

Nanopartikel, die 100 nm oder kleiner sind, sind laut Verordnung EC1223/2009 der EU-Kosmetikrichtlinie – gültig seit 11.07.2013 – als Nanomaterial zu kennzeichnen. Für sie sind strenge Auflagen zu erfüllen. Von der Verordnung ausgenommen sind daher Nanopartikel mit einer Partikelgröße  > 100 nm sowie flüssige, biologisch abbaubare Nanopartikel, die sich bereits in der Hautbarriere in ihre Einzelbestandteile zerlegen.

Tabelle: Beispiele häufig verwendeter Nanopartikel und Wirkstoffe
Liposomen (L); flüssige (N), feste (SN) Nanopartikel; biologisch abbaubar (+), nicht abbaubar (-)


 Wirkstoff

 Carrier

 Anwendung

 Wirkprinzip

 Aescin

 L+

 Rosacea, Couperose

 Gefäßpermeabilität ↓, Ödeme ↓

 Aminosäuren

 L+

 Trockene Haut

 Moisturizer, Radikalfänger

 Augentrost

 L+

 Augenpflege

 Unbekannt

 Azelainsäure

 L+

 Akne, Rosacea, periorale Dermatitis (POD)

 5-α-Reduktase-Hemmung

 Boswellia-Säuren

 L+, N+, SN+

 Akne, POD, Rosacea, Neurodermitis, Erytheme

 Proteasehemmung, 5-Lipoxygenase-Hemmung

 Carbonblack

 SN-

 Make-up

 Pigment

 Ceramide

 SN+

 Hautschutz

 TEWL ↓

 Coenzym Q10

 N+, SN-

 Antiaging

 Stoffwechsel ↑

 Coffein

 L+

 Mikrozirkulation, Cellulite

 Periphere Vasodilatation, Lipolyse

 Diverse Pflanzenextrakte

 L+

 Hyperpigmentierung, Laser

 Tyrosinasehemmung

 Fumarsäure

 L+

 Psoriasis

 Kollagenstoffwechsel ↑?

 Hesperidin

 SN+

 Antiaging

 Gefäßpermeabilität ↓, Ödeme ↓, Antioxidans

 Isoflavone

 L+

 Östrogene Effekte

 Phytohormone

 Kigelia-Extrakt

 L+

 Rosacea, Couperose

 Gefäßpermeabilität ↓, Ödeme ↓

 Mäusedorn-Extrakt

 L+, N+

 Rosacea, Couperose

 Gefäßpermeabilität ↓, Ödeme ↓

 Natriumascorbylphosphat

 L+

 Hyperpigmentierung, Laser

 Vitamin C, Tyrosinasehemmung

 Niacinamid

 L+

 Akne, unreine Haut, Regeneration

 Vitamin B3

 Öle mit gebundener Linolsäure

 N+

 Barrierestörungen, Erytheme

 Ceramid-Substrat, Metabolisierung durch 15-Lipoxygenase (LOX)

 Öle mit gebundener α-Linolensäure

 N+

 Erytheme

 Metabolisierung durch 15-LOX

 Öle mit gebundener γ-Linolensäure

 N+

 Neurodermitis, Erythem

 δ-Desaturase-Defekt, Metabolisierung durch 15-LOX

 Phosphatidylcholin (mit gebundener Linol- und α-Linolensäure)

 L+, N+

 Akne, Barriere-, Verhornungsstörungen

 Ceramid-Substrat, Metabolisierung durch 15-LOX

 Retinylpalmitat

 N+

 Akne, Narben, Regeneration

 Vitamin A

 Rutin

 SN+

 Rosacea, Couperose

 Gefäßpermeabilität ↓, Ödeme ↓

 Silber

 SN-

 Entzündungen

 Antibakteriell

 Silica

 SN-

 Make-up

 Pigment

 Spilanthol

 L+

 Faltenreduzierung

 Muskelentspannung

 Titandioxid

 SN-

 Lichtschutz, Make-up

 UV-Filter, Pigment

 Tocopherylacetat

 N+

 Hautschutz

 Vitamin E

 Tranexamsäure

 L+

 Hyperpigmentierung, Rosacea

 Tyrosinasehemmung, Gefäßpermeabilität ↓

 Traubenkernextrakt

 L+

 Antiaging

 Radikalfänger (OPC)

 Zinkoxid

 SN+

 Lichtschutz

 UV-Filter

 Zinksalze

 L+

 Akne, unreine Haut

 Superoxiddismutase (SOD)-Substrat

Literatur
  1. H. Lautenschläger, Nanopartikel von fest bis flüssig, medical Beauty Forum 2016 (2), 12-16
  2. H. Lautenschläger, Cosmeceuticals, medical Beauty Forum 2014 (4), 16-18
  3. H. Lautenschläger, Indikationsgemäße Anwendungen von Nanodispersionen, Vortrag auf der 19. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) in Berlin am 18.3.2015
  4. H. Lautenschläger, Geschichte und aktuelle Gesichtspunkte der Korneotherapie, Kosmetische Medizin 26 (2), 58-60 (2005)
  5. H. Lautenschläger, Mikrokosmos modularer dermaler Zusammensetzungen, Vortrag auf der 18. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) in Berlin am 9.4.2014
  6. J. Cornier, C.M. Keck, M. van de Voorde, Nanocosmetics – From Ideas to Products. Springer. (2019).
  7. H. Lautenschläger, Huckepack – Übersicht Trägersysteme, medical Beauty Forum 2013 (1), 16-18
  8. H. Lautenschläger, Nutzen von lamellaren Präparaten in der Hautpflege, im Hautschutz und in der dermatologischen Therapie, Vortrag auf der 17. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) in Mainz am 23.3.2013

Hans Lautenschläger & Cornelia Keck



 
 
 
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Revision: 30.11.2021