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Sparsames und nachhaltiges Pflegekonzept

 

Seit einigen Jahren ist die minimalistische Hautpflege ein wichtiges Thema geworden – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit, aber auch hinsichtlich der Kostenreduzierung. Was ist wirklich erstrebenswert, welche Konzepte gibt es und wie können sie realisiert werden?

 

Bei der Verwendung von Kosmetika stehen Prävention alias Antiaging, Hautschutz und die optimale Präsentation sprich Make-up im Vordergrund, aber auch die Absicht, ein gutes Hautgefühl und einen angenehmen Körpergeruch zu besitzen. Sind diese Ziele mit minimalistischer Pflege weiterhin erreichbar?
Um das herauszufinden gibt es prinzipiell zwei Strategien. Die erste und übliche Strategie besteht darin, den Ist-Zustand zu optimieren, indem die angewandten Produkte und Behandlungen auf den Prüfstand kommen, ineffektive aussortiert und andere zusammengelegt werden. Das hat allerdings zumeist den Nachteil, dass ungern auf Gewohntes verzichtet wird, die Entscheidung schwerfällt und frau auf diese Art und Weise nicht weiterkommt.
Die zweite Strategie ist eher grundsätzlicher Natur und zieht den Prozess vom anderen Ende her auf, indem die Frage gestellt wird, was die Haut wirklich benötigt und was gegebenenfalls durch andere Maßnahmen kompensierbar ist. Wenn wir von der "normalen" Haut im "Urzustand" ausgehen, dann ist als Erstes festzustellen, dass die Haut weder Pflege, noch Reinigung braucht. Denn beides tut sie selbst. Die Talgdrüsen fetten und glätten die Hautoberfläche, der NMF (Natural Moisturizing Factor) spendet Feuchtigkeit und hält atmosphärische Radikale fern. Die Hautbarriere und das Mikrobiom verhindern das Eindringen von Fremdstoffen und exogenen Mikroorganismen. Die Reinigung findet durch die kontinuierliche Hauterneuerung und das Abstoßen toter Zellen statt, die noch dazu den Müll entsorgen. Also eigentlich alles bestens in Ordnung oder? Nein, natürlich nicht, denn da ist ja noch das Kulturverhalten.

Qualität und Quantität

Um mit der Reinigung zu beginnen: Selbstverständlich ist ein Verzicht auf Hautreinigung realitätsfern, da wir täglich mit den unterschiedlichsten Stoffen in Berührung kommen, die nicht von Natur aus auf die Haut gehören und dementsprechend entfernt werden müssen. Aber es gibt auch Zeiten, wo dies nicht der Fall ist, z. B. morgens nach dem Aufstehen. Die Dusche, ob warm, kalt oder beides, belebt den Organismus. Aber benötigen wir dann ein Shampoo oder Reinigungsgel?
Auch wenn sich diese Produkte inzwischen mit wenigen Ausnahmen durch hohe Qualität1 auszeichnen, gut hautverträglich und biologisch abbaubar sind, kann man in diesem Fall auf sie völlig verzichten, mit dem Vorteil, dass die Hautbarriere nicht ausgelaugt wird. Eine intakte Hautbarriere reduziert wiederum quantitativ den späteren Pflegeaufwand durch Barriere-regenerierende Präparate wie Cremes und Lotionen. Mit anderen Worten: Die Reinigungsmittel lassen sich quantitativ über den Tag zu verschiedenen Gelegenheiten ohne Nachteile reduzieren oder weglassen.
Aber da ist ja noch die Psyche. Aufgrund langjähriger Einübung, beginnend und anerzogen in der Kindheit, wird das Duschen mit Tensiden unbewusst mit Sauberkeit assoziiert. "Ohne" lässt das Gefühl aufkommen, nicht perfekt zu sein; es fehlt irgendetwas. Auch das Hautgefühl nach dem Duschen ist naturgemäß anders. Das erzeugt eine gewisse Unsicherheit und hemmt die Umstellung.
Im Übrigen ist es nicht selten, dass Personen mit atopischer Haut ein gewisser Waschzwang eigen ist, der eine latente Disposition erst zum Ausbruch bringt.

Pflegeaufwand

Reduzierte Reinigung verringert also den Pflegeaufwand. Aber das ist nicht der einzige Faktor. Auch hier wurde uns in der Kindheit eingebläut: Wenn Du raus gehst, creme Dich ein – vor allem im Winter. Sofern die Hautbarriere nicht intakt ist, wie nach der Reinigung, ist das ja nicht falsch. Aber es wurde zur ständigen Angewohnheit und die führt dazu, dass insbesondere bei Zusammensetzungen, die ausdauernde Lipidfilme auf der Haut hinterlassen, eine Abhängigkeit entsteht.
Und das funktioniert so: Die Haut ist ein sensibles Organ, das vor allem Schutzsubstanzen produziert, wenn sie diese braucht. Das verlernt die Haut aber, wenn der Schutz von außen immer schon da ist – im Extremfall mit einer Wirkung, die einem Pflaster gleicht, wenn paraffinische, physiologisch nicht abbaubare Öle verwendet werden. Langkettige Silikone vermitteln ein angenehmeres Gefühl, zeigen aber eine ähnliche Wirkung.
Das ist aber noch nicht alles. Und hier kommt schon wieder der Kopf ins Spiel. Wenn nämlich einmal das Eincremen vergessen wir, dann kommt der Eindruck auf, dass die Haut trocken ist. In der Tat ist sie wirklich trocken, weil die Regeneration aus der Übung gekommen und nicht schnell genug ist, die gestörte Hautbarriere in einen intakten Zustand zu versetzen. Außerdem fehlt das gewohnte glatte Filmgefühl und lässt die meisten Zeitgenossinnen glauben, dass ihre Haut von Natur aus trocken ist. Umfragen bestätigen genau das und fördern den Absatz der Pflegemittel.
Minimalistischer Tipp: Schauen Sie bei den Pflegemitteln, wenn sie nötig sind, auf die Zusammensetzung (INCI) und lassen Sie nur physiologische, d. h. mit Epidermis und Mikrobiom kompatible, biologisch abbaubare Komponenten in den Präparaten zu. Diese Zusammensetzungen haben darüber hinaus den Vorteil, dass man sie sparsam verwenden kann. Sie sind auch für den Hautschutz geeignet.

Problemhaut

Sparsame Verwendungen sind auch bei Problemhäuten angesagt, die in unterschiedlicher Ausprägung einen hohen Prozentsatz von Verwendern betreffen. Sparsam ist allerdings nicht allein ausschlaggebend, es muss auch das optimale Produkt sein. Dazu drei Beispiele:

  • Bei einer Rosazea sind filmbildende Komponenten tabu. Dies vorausgesetzt lassen sich lamellare Barriere-ähnliche Präparate einsetzen, die spezielle Wirkstoffe wie Tranexamsäure, Azelainsäure oder/und Phosphatidylserin2 enthalten. Eine andere Variante sind physiologisch abbaubare Oleogele (siehe unten), die die gleichen Stoffe enthalten, aber wasserfrei sind. In beiden Fällen besteht der Minimalismus neben der geringen Dosierung in der Abwesenheit kontraproduktiver Hilfsstoffe.
  • Ähnlich verhält es sich mit der perioralen Dermatitis, die im akuten Zustand am besten ohne irgendein Präparat auskommt und später nur mit liposomalen Dispersionen, ebenfalls ohne Hilfsstoffe, gegebenenfalls adjuvant behandelt wird. Die Wahl der Wirkstoffe ist ähnlich wie bei der Rosazea.
  • Liposomale Dispersionen, auf der Basis von Phosphatidylcholin, sind in der Regel bereits als solche ohne weitere Wirkstoffe bei den meisten Formen von Akne wirksam.3 Der Zusatz eines Proteasehemmers und/oder einer gegen Anaerobier wirksamen Substanz wie Azelainsäure in niedriger Konzentration erhöht die Effektivität.

Technische Minimalisierung

Die Behandlungen von Problemhaut zeigen einen technischen Trend, der nicht nur das Vermeiden von Hilfsstoffen, sondern auch ein Minimum an Wirkstoffen hinsichtlich Anzahl und Dosierung beinhaltet. Das setzt allerdings Grundlagen mit einer hohen Freisetzungsrate voraus.

  • Die bereits genannte Azelainsäure ist ein typisches Beispiel. Sie wird in medizinischen Salben4 in zweistellig-prozentualer Konzentration eingesetzt, während man in liposomalen, nanodispersen und lamellaren Grundlagen ohne Wirkungsverlust mit bis zu 1 Prozent auskommt.
  • Eine andere Minimalisierung erreicht man bei fetthaltigen Produkten durch Eliminierung der Wasserphase, deren Anteil in Cremes je nach W/O oder O/W-Emulsion einen Anteil von bis zu zwei Drittel eines Produktes ausmacht. Entsprechend minimalisiert sich der Verbrauch beim Auftrag einer vergleichbaren Fettmenge, das heißt, der Inhalt eines 50 ml Spenders reicht für mehr als die doppelte Zeit aus. Der Verpackungsaufwand, der meist aufwendiger hinsichtlich der Ressourcen ist als der Inhalt, reduziert sich global ebenfalls um mindestens 50%.
    Gleichzeitig geht der Hilfsstoffanteil, der aus Emulgatoren, Konservierungsstoffen, Konsistenzgebern etc. besteht und für die Stabilisierung der Wasserphase notwendig ist, drastisch zurück. Zugegeben, Oleogele sind gewöhnungsbedürftig in der Anwendung, jedoch mit weniger Allergien und Unverträglichkeiten durch Hilfsstoffe behaftet, was sowohl die Epidermis und als auch das Mikrobiom betrifft.
  • Ähnlich zu bewerten sind pulverförmige Präparate, die sich allerdings mit Ausnahme von Pudern für das Make-up wesentlich seltener realisieren lassen.

Verpackung

Doch nun vom Inhalt zur Verpackung. Sie lässt sich durch das Weglassen von unnötigen, der Werbung dienenden Umverpackungen weitgehend reduzieren – bis auf Ausnahmen, wo die von der KVO geforderten Informationen oder der für das Warenwirtschaftssystem notwendige maschinenlesbare Code nicht mehr auf das Etikett passen. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass beim Versand von Glasflaschen etwa, der Umkarton die Funktion eines Schutzes übernimmt, der ansonsten beispielsweise Luftpolsterfolie notwendig machen würde.

Marketing5

Eine ganz andere Möglichkeit der Minimalisierung ist die Reduzierung der wortreichen und mit Übertreibungen nicht sparenden Claims im Bereich der Produktwerbung. Hier wäre eine versachlichende Präsentation mehr als wünschenswert. Denn sie verleitet die mehr oder weniger ahnungslosen Verbraucher, etwas zu kaufen, was sie eigentlich gar nicht brauchen.
Da dies vermutlich nie geschehen wird, können die Verbraucher aber umgekehrt lernen, sich mit der Materie so weit vertraut zu machen, dass sie letztendlich ihre Hautpflege nicht an den Unsinn des Marketings delegieren. Nebenbei bemerkt haben wir eine vergleichbare Situation im Gesundheitssystem, wo Überlegungen zur eigenen Gesundheit an den Arzt delegiert werden und das Unterbewusstsein verbreitet ist, nicht mehr mitdenken zu müssen, da ja schließlich genug Geld an die Krankenkasse überwiesen wird.

Sport

Ein Bereich, der außerhalb der Präparate und Behandlungen liegt, ist der Sport.6 Maximierung von Bewegung bedeutet, nicht nur die körperliche Kondition im Allgemeinen, sondern auch die Hautkondition im Besonderen auszubauen. Darin liegt ein hohes Substitutionspotenzial, was die kosmetischen Anti-Aging-Aktivitäten betrifft.
Straffung der Haut und des Bindegewebes, erhöhte Mikrozirkulation und verbesserter Zellstoffwechsel sind nur einige Effekte, die in ihrer Größenordnung durch kosmetische Präparate nicht zu erreichen sind. Eine zusätzliche Synergie mit gesunder Ernährung findet fast automatisch statt.

Referenzen

  1. H. Lautenschläger, Wissenschaft Hautreinigung, Beauty Forum 2022 (11), 62-64
  2. H. Lautenschläger, Trend zu physiologischen Inhaltsstoffen – Phosphatidylserin in der Hautpflege, Chemie in unserer Zeit 2024, 58 (5), 93-97
  3. H. Lautenschläger, Handbook of Cosmetic Science and Technology p. 155-163, CRC Press Taylor & Francis Group, Boca Raton 2006
  4. Rote Liste, Arzneimittelinformationen für Deutschland, https://www.rote-liste.de
  5. Der mit blauer Schrift gekennzeichnete Abschnitt betr. Marketing wurde später hinzugefügt und ist nicht Teil der Publikation.
  6. H. Lautenschläger, Sport & Bewegung – Einflüsse auf die Haut, Medical 2024 (4), 56-60

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Beauty Forum
2025 (3), 116-118

 
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