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Digitalisierung in der Kosmetik – was sie antreibt

 

Dass uns eine App der Armbanduhr daran erinnert, wann, wie, womit und in welcher Dosierung unsere Haut während des Tages zu behandeln ist, ist noch Zukunftsmusik. Aber die Sensoren dazu sowie viele andere digitalisierte Abläufe und durch KI gesteuerte Verknüpfungen sind bereits heute aus dem kosmetischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Welche sechs Kräfte die Digitalisierung vorantreiben, schauen wir uns genauer an.

 

Branchenübergreifend lassen sich die Triebkräfte der fortschreitenden Digitalisierung in Stichworten zusammenfassen:

  • Beschleunigung
  • Genauigkeit
  • Kontrolle
  • Informationsverarbeitung
  • Personalisierung
  • Entlastung

Diese Faktoren tragen maßgeblich zum Wirtschaftswachstum, zur Erhöhung des Lebensstandards, aber auch zum wachsenden Einsatz weltweiter Ressourcen bei. Welche Auswirkungen haben die Faktoren in der Kosmetik?

Beschleunigung

Typische Beschleunigungen bringen Warenwirtschaftssysteme, die bei Verkaufsartikeln mit Barcodes (Strichcode) arbeiten, oder QR-Codes, die in Werbeschriften auf Internet-Seiten linken. Die Hilfen werden im Handel und zunehmend von Kosmetikinstituten genutzt.
Seit der Covid-19-Pandemie bieten Hersteller Kosmetikartikel vermehrt digital und parallel den Endkunden online an – zum Nachteil der Kosmetikinstitute und deren fachkundiger Beratung. Der Trend hat sich nach der Pandemie weiter beschleunigt.
Werbung über das Internet und Soziale Medien ist einfach zu etablieren, tagesaktuell, kostengünstig und erreicht nicht nur die Leser kosmetischer Fachzeitschriften – mit dem Resultat, dass in jüngster Zeit einige Fachzeitschriften in Deutschland aufgeben mussten.

Genauigkeit

Die direkte Datenübertragung bei Werbung, Verkauf und Bezahlung reduziert außerdem Fehler. Dies gilt auch für Messungen in der Hautanalyse, die mittlerweile schon drahtlos auf dem PC verarbeitet werden. Sonden für Hautfeuchte, transepidermalen Wasserverlust, Hautoberflächenfett (Sebum) und Hautelastizität gehören zur Standardausrüstung in den Instituten.
Der erfahrene Blick auf die Hautkondition weicht heute immer mehr den präzisen Zahlenwerten der Geräte. Die Genauigkeit nimmt zu und die Messwerte lassen sich mit einer geeigneten Kamera kombinieren, die den Hautzustand vor und nach einer oder mehreren Behandlungen vergleicht.
Vor- und Nachher-Bilder sind häufiger Teil der Produktwerbung – einschließlich der Manipulation durch digitale Bildbearbeitung. Zuweilen gibt es gar keinen Unterschied, indem darauf spekuliert wird, dass allein die Existenz eines Vergleichs die gewünschte Aufmerksamkeit erzeugt und ein Haftungsfall nicht eintreten kann.
Die Messdaten der Hautanalyse lassen sich mittels hinterlegter Software mit Produkten, Empfehlungen und Preisangaben verbinden. Die Automation erleichtert Instituten die Akquisition von Neukunden, die mitunter mehr einem Gerät vertrauen als der Erfahrung des Verkaufspersonals.

Kontrolle

Die Echtzeit-Kontrolle des Geschäftsbetriebes ist ein Nebeneffekt der Warenwirtschaftssysteme und erlaubt Extrapolationen und Zielplanung in die Zukunft. Genauso ist die Kontrolle ein wichtiger Bestandteil der nachhaltigen kosmetischen Behandlung mit Geräten und Präparaten.
Speziell bei modularen Präparaten, bei denen durch den Zusatz von Wirkstoffen (Seren) zu einer Cremegrundlage verschiedene biochemische Mechanismen angeregt werden können, ist der hautanalytische Vergleich ausschlaggebend, um bei Problemhäuten eine im Einzelfall optimale Hautpflege zu ermitteln. Dabei werden entsprechende Messparameter digital über die Zeit verfolgt. Akne- und Rosazea-Kunden und -Patienten profitieren zum Beispiel von dieser Vorgehensweise. Fertigprodukte, die fast zwangsläufig auch ungeeignete Stoffe enthalten, werden weggelassen.
Vielfach ist ein Ausschleichen von Pharmaka einschließlich ihrer Nebenwirkungen möglich. Ein Beispiel ist das Ansprechen auf γ-Linolensäure-Zusätze bei atopischer Haut, das auf einen nicht selten vorkommenden Enzymdefekt im Stoffwechsel der essenziellen Fettsäuren hindeutet.

Informationsverarbeitung

Gute Behandlungsresultate setzen eine solide Ausbildung der Behandelnden und Rat-gebenden voraus, das Vermögen komplexe physiologische Zusammenhänge zu verstehen, sich notwendige Informationen und Daten aus dem Netz zu beschaffen und einzuordnen. Verlässliche Quellen helfen dabei.
Bereits die INCI-Codierung (International Nomenclature of Cosmetic Ingredients) gibt häufig Rätsel auf. Selbst gestandene Mediziner und Chemiker sind damit überfordert und Endverbraucher, für die das System konzipiert wurde, verstehen es am wenigsten.
Um herauszufinden, um welche Stoffe es sich wirklich handelt, kann man die Cosmetic Ingredient Database der EU, kurz: Cosing, zu Rate ziehen. Wer jedoch glaubt, dort umfassende Informationen über kosmetische Inhaltsstoffe zu erhalten, wird enttäuscht. Die angegebenen Stoffeigenschaften sind spartanisch, ungenau und bis auf eine deutsche (maschinell übersetzte) Übersichtsseite1 sind der Guide to Consulting CosIng2 und die eigentliche Datenbank3 nur auf Englisch zugänglich – eine Hürde für viele Recherchierende.
Entsprechend erscheint die Cosing-Datenbank bei Recherchen im Internet erst unter "ferner liefen". Stattdessen finden sich dort viele private, durch Werbung oder Hersteller finanzierte Plattformen, bei denen man zuerst einmal auf das Impressum schauen sollte. Entsprechend unterschiedlich fallen die Beschreibungen und die damit meist verbundenen Bewertungen der Inhaltsstoffe aus.
Eine einigermaßen verlässliche Quelle ist Wikipedia, um eine erste Übersicht zu bekommen. Dann sollte man aber zu Detailfragen auf einschlägige Themen-Datenbanken wechseln, deren Schwerpunkte stoffliche, gesundheitliche und toxikologische Aspekte kosmetischer Inhaltsstoffe sind:

  • BfR-Bundesinstitut für Risikobewertung: Gesundheitliche Bewertung von kosmetischen Mitteln4
  • Cosmetic Ingredient Review: Sicherheit von Kosmetik-Inhaltsstoffen5
  • Cosmetics Info – information about cosmetics and personal care products6
  • ECHA-European Chemicals Agency: Informationen über Chemikalien7
  • EU-Public Health – Gesundheit: Wissenschaftliche Ausschüsse zur Risikobewertung8
  • National Library of Medicine: Comprehensive Toxicology Information9
  • EFSA: Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit10
  • EWG's Skin Deep: Guide to safer personal care products11
  • FNR Themenportal Pflanzen: Pflanzliche Wirkstoffe12

Wissenschaftliche Literatur und Studien lassen sich auf der Google-Scholar-Plattform13 ohne Werbung recherchieren. Wenn bei der kosmetischen Datenerfassung (Parallele zur ärztlichen Anamnese), Beratung und Behandlung Fragen zu Problemhäuten und ärztlichen Indikationen auftreten, zum Beispiel zu Medikation und Nebenwirkungen, dann bieten die ärztlichen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. eine wertvolle Hilfestellung.14 
In diesem Zusammenhang können Rezepturen zur dermatologisch-pharmazeutischen Behandlung von Interesse sein, wenn adjuvant eine indikationsbegleitende Hautpflege geplant ist. Apotheken haben die zusätzliche Möglichkeit, dermatologische Individualrezepturen15 16 und Hautpflege in einer Grundlage zusammenzuführen. Hilfreich sind in diesem Fall Grundlagen, deren Inhaltstoffe im Arzneibuch und der Europäischen Pharmakopöe17 gelistet sind. Vorteil: Sie können nach der Therapie nahtlos zur reinen Hautpflege weiterverwendet werden.
Wissenschaftliche Publikationen zu Chemie und Wirkungsnachweisen sind unter PubChem18 und PubMed19 zu finden. Dort kann wie beim Deutschen Patent- und Markenamt20 und dem Europäischen Patentamt21 mit Stichworten nach Stoffen und deren Verwendung recherchiert werden. Zu Schadstoffen oder schädlichen Nebenwirkungen sind noch folgende Datenbanken erwähnenswert:

  • Rote Liste: Arzneimittelinformationen inkl. Nebenwirkungen22 – wichtig zu wissen bei manchen "unerklärlichen" Hautreaktionen
  • Schnellwarnsystem Rapex (Rapid Exchange of Information System) der EU über gefährliche Verbrauchsgüter (inklusive Kosmetika)23
  • Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: "Gefährliche Produkte in Deutschland" – Kosmetik24

Wer glaubt, sich bei Inhaltstoffen und Präparaten mühelos auf Preisverleihungen, Zertifizierungen und Siegel verlassen zu können, der irrt, da diese in der Regel käufliche Werbung sind.25

Personalisierung

Digitale Rezepturfinder für ganzheitliche Personalisierungen, speziell unter Einbeziehung der adjuvanten modularen Hautpflege bei Indikationen, sind von großem Interesse. Allerdings fehlen bisher die digitalen Daten von vielen Wirkstoffen. Außerdem gestaltet sich die Zusammenführung der Daten aufgrund vielfältiger Interaktionen der verwendeten Stoffe schwierig. Man ist daher auf Einschätzungen angewiesen, die aber Schritt für Schritt wie bei einer lernenden Software präzisiert werden.
Hinsichtlich der verwendeten Einsatzstoffe ist die Beachtung der Kosmetikverordnung26 mit ihren Anhängen zu reglementierten Stoffen inklusive des letztendlich geforderten Sicherheitsberichts mit Sicherheitsbewertung bei Rezepturen für den öffentlichen Verkauf von besonderer Bedeutung. Die Anmeldung dieser Rezepturen im europäischen Cosmetic Products Notification Portal (CPNP)27 ist verpflichtend.

In Ergänzung zu modularen, personalisierten Systemen sind neben der Sonden-basierten Hautanalyse seit einiger Zeit auch gentechnische Analysen im Gespräch. Ihre digitale Korrelation mit Behandlungskonzepten zeitigt jedoch gegenwärtig noch keine, substantiell verwertbaren Resultate.

Entlastung

Die oben genannten Einsätze der Digitalisierung zeigen nicht alle eine Entlastung im täglichen Ablauf, sondern initial manchmal eher das Gegenteil, auch was die eingesetzten finanziellen Mittel betrifft. In der Tat findet die Entlastung dann aber an anderer Stelle statt, nämlich bei der planerischen Zukunftssicherung von Instituten und bei Kooperationen mit dermatologischen Praxen.

Fußnoten

  1. https://ec.europa.eu/growth/sectors/cosmetics/cosing_de
  2. https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/cosing/assets/images/CosIng_FO.pdf
  3. https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/cosing
  4. https://www.bfr.bund.de/de/gesundheitliche_bewertung_von_kosmetischen_mitteln-242.html
  5. https://www.cir-safety.org/ingredients
  6. https://www.cosmeticsinfo.org
  7. https://echa.europa.eu/de/information-on-chemicals
  8. https://ec.europa.eu/health/scientific_committees/consumer_safety/opinions_en
  9. https://www.nlm.nih.gov/toxnet/index.html
  10. https://www.efsa.europa.eu/de
  11. https://www.ewg.org/skindeep
  12. https://pflanzen.fnr.de/industriepflanzen/arzneipflanzen
  13. https://scholar.google.de
  14. https://www.awmf.org/leitlinien
  15. https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de
  16. https://www.deutscher-apotheker-verlag.de/ZRB-Modul-Ziegler-Rezepturbibliothek/171013300.1NLA
  17. https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Zulassung/Zulassungsrelevante-Themen/Arzneibuch/_node.html
  18. https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov
  19. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  20. https://www.dpma.de/dpma/index.html
  21. https://www.epo.org/de/searching-for-patents/technical/espacenet
  22. https://www.rote-liste.de
  23. https://de.wikipedia.org/wiki/Rapid_Exchange_of_Information_System
  24. https://www.baua.de/DE/Themen/Monitoring-Evaluation/Marktueberwachung-Produktsicherheit/Datenbank/Produktsicherheit_form.html?prodkat=Kosmetik
  25. https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte-der-bundesregierung/nachhaltigkeitspolitik/guetesiegel-greenwashing-2269992
  26. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009R1223-20240424
  27. https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/03_Verbraucherprodukte/03_AntragstellerUnternehmen/02_Kosmetik/01_Notifizierung/bgs_fuerAntragsteller_kosmetik_Notifizierung_node.html


Dr. Hans Lautenschläger

 


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