dermaviduals® DMS
  MenuMenü Publikationen >> Hautschutz Impressum Sitemap English
 

Ist der Schutz vor Strahlung gewährleistet?

 

Angesichts alarmierender Zahlen zu Hautkrebs und Photosensibilisierungen ist die Debatte um den Schutz der Haut vor schädlicher Strahlung aktueller denn je. Es stellt sich die Frage: Sind unsere Schutzmaßnahmen ausreichend oder gibt es Lücken, die geschlossen werden müssen?

 

Zuerst einmal die schlechte Botschaft: Jede Strahlung erzeugt Radikale – mehr oder weniger. Die gute Botschaft: Alle Organismen haben sich im Laufe der Evolution darauf eingestellt – an der Spitze der moderne Mensch, der auch technisch in der Lage ist, den Schutz zu optimieren.
Es gibt zwei Möglichkeiten, den gefürchteten freien Radikalen zu entkommen. Die erste ist es, Maßnahmen zu ergreifen, sie nicht auf die Haut treffen zu lassen. Die zweite besteht darin, die Radikale zu vernichten. Eine dritte, weniger diskutierte Möglichkeit ist es, eine gewisse Menge an Radikalen zu tolerieren. Sie entspricht allerdings nicht dem verbreiteten Schwarz-Weiß-Blick unserer Zeit.
Außerdem sind wir darauf fixiert, mit einer einzigen Maßnahme alle Probleme zu lösen. In diesem Fall handelt es sich analog der Pille gegen die Krankheit um ein kosmetisches Produkt, das sich schnell auf der Haut verteilen lässt – sei es eine Creme, ein Gel oder eine Lotion.

Umwandlung in Wärme

Stoffe, die Strahlung aufnehmen und sie in Wärme umwandeln, bezeichnet man in der Kosmetik als Filter. Ein Kürzel davor kennzeichnet die Art der Strahlung, also z. B. UV-Filter, wenn sie ultraviolettes Licht absorbieren. Die entstehende Wärme wird an die Umgebung abgegeben. Wie das funktioniert, zeigt ein einfaches Beispiel aus der heimischen Küche: Wasser absorbiert effektiv die Strahlung aus der Mikrowelle und kommt dabei zum Kochen.
Ein UV-Filter ist komplizierter aufgebaut, da er die hochenergetische UV-Strahlung aufnehmen muss. Dazu bedarf es eines Moleküls, das über ein ausgedehntes π-Elektronensystem verfügt, um die Photonen (Lichtquanten) der Strahlung aufnehmen und sie in Wärme umwandeln zu können. Zu den ersten Vertretern dieser Art gehörten Verbindungen der Zimt- und Salicylsäure. Sie sind allerdings nicht so effektiv wie die heutigen modernen Filter. D. h. sie verhindern die Radikalbildung nur zum Teil und müssen in hohen Konzentrationen eingesetzt werden, um einen nennenswerten Sonnenschutzfaktor (SPF – Sun Protection Factor) zu erreichen. 
Man spricht hier auch von einer Lichtquantenausbeute, die im Falle des 4-Methoxyzimtsäure-2-ethylhexylesters (INCI: Octyl Methoxycinnamate) etwa 80% beträgt. Die verbleibenden 20 % der nicht erfassten Strahlung erzeugen immer noch freie Radikale, die man durch Antioxidantien auszuschalten versucht hat.

Moderne Filter

Moderne UV-Filter sind wesentlich effektiver und langlebiger. Sie funktionieren praktisch wie ein Katalysator, der eine Reaktion (Umwandlung von Strahlung in Wärme) ermöglicht, dabei aber nicht verbraucht wird, während ein Antioxidans nach der Reaktion mit einem einzigen Radikal wirkungslos geworden ist. So macht es wenig Sinn, beim Einsatz hocheffektiver Filter zusätzlich noch Antioxidantien zu verwenden, da sie höchstens mit den Filtern in Konkurrenz treten können, dabei aber in kürzester Zeit abgebaut werden.
Der wirksamste biochemische Filter ist im Übrigen das in der Haut gebildete natürliche Melanin mit einer Quantenausbeute von nahezu 100%.

Konzentration und Bandbreite

Aber auch das Melanin ist nur so gut wie hoch seine Konzentration in der Haut ist. Bei allen Überlegungen zum Sonnenschutz sollte daher immer daran gedacht werden, die Konzentration des hauteigenen Schutzes möglichst hoch zu halten. 
Dann ist da noch die Wellenlänge der Strahlung, auf die chemische Filter abgestimmt sein müssen. Wünschenswert ist die Abdeckung eines möglichst breiten Strahlungsspektrums, das meist nicht durch einen, sondern durch die Kombination mehrerer Filter erreicht wird. Die Höhe des Lichtschutzfaktors resultiert dann aus der Konzentration der Filter und der Matrix (Creme, Gel, Lotion), in die sie eingebettet sind.

Lücken in der Schutzwirkung

Erst im Laufe der Zeit, mit Verfeinerung der Messtechnik, stellte sich heraus, dass neben der Ultraviolettstrahlung auch Wellenlängen, z. B. im IR- und sichtbaren Bereich, Radikale erzeugen. Daraufhin wurden die Bandbreiten weiter ausgedehnt, jedoch bei der Perfektionierung zwei Punkte häufig außer Acht gelassen:

  • Auch für die Bildung des schützenden Melanins ist Strahlung notwendig.
  • In der Physik gilt wie in der Chemie: Die Dosierung macht, dass ein Stoff ein Gift ist (Paracelsus).

Einfach ausgedrückt: Die Haut benötigt ein Mindestmaß an Strahlung für die Synthese von Melanin und Vitamin D, und nicht jedes Radikal lässt die Haut altern. So ist z. B. der Einsatz von Lichtschutzfiltern in gewöhnlichen Tagescremes beim Aufenthalt in Innenräumen wenig zielführend. 

Randbedingungen

  • Jeder, der eine Photovoltaik-Anlage betreibt, stellt beim näheren Hinsehen fest, dass die Anlage bei hoher Bewölkung oder Hochnebel mit darüberstehender Sonne mehr Strahlung einfängt und daraus mehr Strom produziert als unter stahlblauem Himmel. Dieses Phänomen hängt mit der diffusen Lichtbrechung an Eiskristallen und kleinen Tröpfchen zusammen, die den limitierenden Einstrahlungswinkel der Sonne praktisch aufhebt. Umso wichtiger ist der Schutz der Haut.
  • An Meer und Sandstränden sind die Verhältnisse ähnlich, nur dass die diffuse Strahlung zusätzlich zum einfallenden Sonnenlicht von unten oder der Seite kommt. Strahlung intensiviert sich auch mit der Meereshöhe, sprich Gebirge, und mit dem Breitengrad1; der anzuwendende Lichtschutzfaktor muss entsprechend höher gewählt werden.
  • Apropos Meer und Wasser: Nicht jeder Sonnenschutz erfüllt die Kriterien für eine ausreichende Wasserfestigkeit.2 Dementsprechend nimmt der Schutz im Wasser rasch ab. Am Äquator kann es dann schon nach wenigen Minuten zu einer bösen Überraschung kommen.
  • Die Sensibilität gegenüber Strahlung kann sich durch Medikamente und Ernährung in die eine oder andere Richtung verändern. 
  • Gegen den schädlichen Einfluss der durch Infrarotstrahlung erzeugten intensiven Hitzeentwicklung auf der Haut gibt es keinen Schutz in Form eines Präparates. Auch mit bestem UV-Schutz altert die Haut schneller. Bei einer moderat strahlenden Infrarotlampe, die zur Therapie eingesetzt wird, muss man das nicht befürchten.

Natürlicher Schutz

Wenn man die übliche Werbung für den Sonnenschutz und die Bekämpfung von freien Radikalen liest, muss man den Eindruck gewinnen, dass ihnen die Haut schutzlos ausgeliefert ist, wenn sie nicht durch äußerlich applizierte Antioxidantien unschädlich gemacht werden. 
Das ist natürlich Unsinn und unterschätzt bei weitem die physiologischen Möglichkeiten unseres äußeren Schutzschildes. Wie andere Organismen schützt sich auch der Mensch neben Pigmenten wie dem natürlichen Breitbandfilter Melanin und der UV-B-Strahlung absorbierenden Urocaninsäure3 durch die stickstoffhaltigen Bestandteile des Natural Moisturizing Factor (NMF) gegen von außen eindringende und durch Strahlung entstehende freie Radikale – vorausgesetzt, Haut und Barriere sind in einem intakten Zustand. Ein Beispiel ist das Abfangen des aus radikalischen Stickoxiden resultierenden Nitrits durch Aminosäuren:

Abfang von Stickoxiden

Dabei entstehen Alpha-Hydroxysäuren (AHA) wie z. B. Milchsäure (aus der Aminosäure Alanin: R = CH3), die ebenfalls Bestandteile des NMF sind. Ähnlich reagieren Peptide. Diese Mechanismen kommen naturgemäß an ihre Grenzen, wenn die Haut mit ungewohnt starker Radikalbildung konfrontiert ist, wie sie ohne Sonnenschutz bei starker Strahlung eintritt. Hier bildet der Mensch allerdings eine Ausnahme, indem er sich mit Absicht der Strahlung aussetzt, während andere Organismen instinktiv den Schatten aufsuchen.
Kulturelle Errungenschaften wie die tägliche Dusche unter Verwendung hoch tensidhaltiger Präparate schädigen darüber hinaus mit ihrem Auswascheffekt sowohl die Barriere als auch den NMF. Dieser Schaden wird durch ein nachträglich aufgetragenes Präparat wie etwa eine Bodylotion nicht wettgemacht. 
Nach einem Peeling ist der Sonnenhut eine gute Alternative oder Ergänzung zum SPF von 50+, um die Sonnenterrassen des Gesichtes zu schützen. In beschränktem Umfang ist es möglich, die Pigmentierung der Haut oral z. B. durch Carotinoide oder die Melaninsynthese stimulierende Wirkstoffe zu verstärken.

Fußnoten

  1. https://www.bfs.de/DE/themen/opt/uv/uv-index/weltweit/weltweit_node.html
  2. https://www.cosmeticseurope.eu/files/7914/6407/7400/Guidelines_for_Evaluating_Sun_Product_Water_Resistance_-_2005.pdf
  3. Die Urocaninsäure: Urocaninsäureist der Zimtsäure strukturell ähnlich:

    Zimtsäure

Dr. Hans Lautenschläger

 


Nutzen Sie zum Lesen unserer Seiten auch die Reader-Ansicht für mobile Endgeräte.
Für Fragen stehen wir über koko@dermaviduals.de gern zur Verfügung.
Dies gilt auch für Druck- und sachliche Fehler.
© Copyright Kosmetik Konzept KOKO GmbH & Co. KG, Leichlingen, www.dermaviduals.de
Revision: 04.08.2025
 
  pdf
Download
 

veröffentlicht in
Beauty Forum
2025 (5), 90-92

 
Hautschutz - weitere Literatur
Ist der Schutz vor Strahlung gewährleistet?
Kooperation ist alles – Kosmetika und Hautmikrobiom
Genießen ohne Reue: Lichtschäden – Prävention & Regeneration
Die 10 größten Hautpflegefehler im Winter
Kann denn Duschen Sünde sein?
Eindringlinge eindämmen - Virale und bakterielle Infektionen über Haut und Schleimhäute
Anti-Pollution-Kosmetik
Acht Fragen zum Sonnenschutz
Nur kein Risiko - Hautschutz im Kosmetikinstitut
Sonnenschutz - was UV-Filter leisten
Entzündliche Hauterkrankungen durch oxidativen und nitrosativen Stress
Öle und Fette in kosmetischen Produkten - Natur contra Petrochemie?   (Langfassung)
Öle und Fette in kosmetischen Produkten - Natur contra Petrochemie?
Nitrosamine in Kosmetika - Haut in Gefahr?
Membranhaltige Barrierecremes - wie die Haut, so der Schutz
Radikalfänger - Wirkstoffe im Umbruch
Fortschritt im betrieblichem Hautschutz
Schützen auch Sie Ihre Haut
Hautschutz für die Kosmetikerin - Neue Entwicklungen in der Hautpflege
Hautschutz für Hände starker Männer