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Spezielle Wirkstoffe und Grundlagen in der Korneotherapie

 

Der Begriff der Korneotherapie (engl. Corneotherapy) wurde Ende der 90iger Jahre von Prof. Albert M. Kligman geprägt (1). Wichtigster Inhalt der Korneotherapie ist die Erkenntnis, dass topisch applizierte Stoffe, wie z. B. Moisturizer und Fettstoffe, sowohl die Biochemie und Physik der Hornschicht als auch nachfolgende Prozesse in tieferen Hautschichten beeinflussen, welche wiederum auf die Konstitution der Hornschicht einwirken.

 

Kligman spricht diesbezüglich auch von einer "Outside-in therapy" im Gegensatz zur "Inside-out therapy" mit pharmazeutischen Aktivstoffen wie z. B. Corticosteroiden oder typischen Entzündungshemmern, für deren primäre Wirkung die Penetration durch die Hornschicht Voraussetzung ist. Da eine geeignete Korneotherapie ähnliche Wirkungen wie ein Arzneistoff erzielen kann, rücken "hautpflegende" Wirkstoffe immer mehr in das Interesse zur Behandlung von Barriere- und Verhornungsstörungen. Zu diesem physiologischen Konzept gehören unter anderem auch Naturstoffe wie Ceramide, Proteine und ihre synthetischen Analoga, die Peptide. Der folgende Beitrag erläutert Zusammenhänge zwischen diesen so unterschiedlichen Substanzklassen und gibt Hinweise über die in der Praxis zu erwartenden Wirkungen.

Ceramide - eine große und komplizierte Familie

Ceramide (CER) und Sphingomyeline (SM) gehören zu einer artenreichen Gruppe von barriereaktiven Stoffen mit sehr speziellen Funktionen. Sie spielen für den Zustand der menschlichen Haut eine herausragende Rolle, wobei sie je nach Hautschicht und Funktion unterschiedliche Strukturen und Mengenverhältnisse aufweisen. Zu ihnen sind unter anderem auch Botenstoffe wie das Sphingosin-1-phosphat (SPP) zu rechnen. An ihrer Biochemie und ihrem Transport sind Phospholipide, insbesondere Phosphatidylcholin (PC), beteiligt.

Haut im Gleichgewicht

In lebenden, gesunden Hautzellen sind Ceramide (CER), Phosphatidylcholin (PC), Diglyceride (DG), Sphingomyeline (SM), Sphingosin (SP), Sphingosin-1-phosphat (SPP) und Fettsäuren (FS) in einem Gleichgewichtszustand (Homöostase). Vereinfacht beschrieben werden durch den Anstieg von CER in der Zelle deren Differenzierung und nachfolgend ihr gesteuerter Tod eingeleitet (Apoptose). Daher finden sich auch die höchsten CER-Konzentrationen im Stratum corneum, wo sie nun gegenüber der Außenwelt eine ausgeprägte Schutzfunktion übernehmen. Die Abnahme der PC-Konzentration führt ebenfalls zum Zelltod, da nicht mehr genug CER durch Übertragung der Phosphocholingruppe des PC zu SM umgewandelt werden kann. Ein hoher Gehalt von SM in der Zelle ist gleichbedeutend mit einer Schutzfunktion gegenüber dem CER-gesteuerten Zelltod.

Ceramide in der topischen Anwendung

CER ist einer der direkten Schlüssel zu Hautalterung, Neurodermitis, Psoriasis, Ichthyosis sowie anderen mit CER zusammenhängenden Verhornungsstörungen. Kurzkettige CER und SP können aus dem Stratum corneum in das Stratum granulosum zurück diffundieren und dort unter Mitwirkung von Cytokinen den Zelltod von Keratinocyten induzieren. Langkettige, topisch applizierte Ceramide könnten theoretisch Lücken in den Barriereschichten schließen, eine weitere Penetration in tiefere Hautschichten ist dagegen aus oben genanntem Grund nicht wünschenswert. Wünschenswert wären jedoch spezifische Ceramide, die mit geeigneten Transportsystemen genau dorthin transportiert werden, wo sie benötigt werden. Die meisten Ceramide sind aber in Creme-Grundlagen mehr oder wenig unlöslich. Eine Alternative bietet die Applizierung von linolsäurereichem PC, das in Form von Liposomen oder Nanopartikeln sehr gut in die Haut eindringt. Die Linolsäure wird aus PC zum Teil schon im Stratum corneum durch esterspaltende Enzyme wie die Phospholipase A2 freigesetzt und dient dann als Substrat bei der körpereigenen Synthese des linolsäurehaltigen Ceramid I. Ein weiterer Vorteil des PC ist, dass die Phosphocholin-Gruppe in das CER/SM-Gleichgewicht eingeht und damit den Zellalterungsprozess nachhaltig beeinflussen kann. Die Wirksamkeit wird in der Praxis bei neurodermitischer Haut bestätigt, insbesondere bei Präparaten, die neben linolsäurehaltigem PC auch gesättigtes PC (PC-H) enthalten, da letzteres die mit PC verbundene Fluidisierung der Barriereschichten kompensieren kann. PC ist damit ein indirekter Schlüssel zur Beeinflussung des CER-Haushaltes. Entsprechende Präparate in Form von Liposomen, Nanopartikeln und Derma Membran Struktur (PC-H-haltige Basiscremes) (2) haben sich seit einiger Zeit innerhalb der dermatologischen Kosmetik etabliert.

Ceramid I

Ceramid I (ca. 8% der Gesamtceramide) bewirkt die Abnahme von Rauhig- und Sprödigkeit der Haut. Bei einer Diät ohne essentielle Fettsäuren - u. a. ohne Linolsäure - entsteht ein Mangel an Ceramid I, statt Linolsäure wird körpereigene Ölsäure in das Ceramid I eingebaut (3). Die Folge sind massive Barrierestörungen. Bei der Behandlung ist topisch applizierte Linolsäure besser verfügbar als oral aufgenommene, da letztere in der Leber zu einem großen Teil in andere mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie Arachidonsäure und deren Metabolite überführt wird. Niedrige Ceramid I-Gehalte in der Haut korrelieren mit einer erhöhten Prävalenz für neurodermitische Erscheinungen. Ceramid I ist daher ein wichtiger Schutzfaktor für die Haut.

Topisch applizierte Amide

An der Oberfläche der Haut haben topisch applizierte Ceramide wie z. B. das aus Hefe leicht zugängliche Ceramid III in der Regel eine gute Pflegewirkung, die allerdings weniger auf ihre natürliche Funktion zurückzuführen ist als auf eine Eigenheit ihrer chemischen Struktur. Wie der Name andeutet, enthalten Ceramide eine Amidgruppe (-CO-NH-). Amide haben die Eigenschaft, zu gleichartigen oder anderen Amiden Wasserstoffbrücken aufzubauen. Wasserstoffbrücken bewirken, dass die Moleküle aneinander haften. Diese Haftung findet naturgemäß auch an Proteinoberflächen wie dem Keratin der Hornschicht statt, dessen Aminosäurebausteine ebenfalls durch Amidgruppen verknüpft sind. Je nach Zusammensetzung können Ceramide und Amide allgemein zu einer spürbaren Hautstraffung und Hautglättung führen, in anderen Fällen wie bei der saccharidhaltigen Hyaluronsäure auch zu einer erhöhten Wasserbindung, ohne dass eine unangenehme Filmbildung verspürt wird. Zu den Amiden gehören auch die den Proteinen verwandten, synthetischen Peptide und deren Fettsäurekondensate, z. B. "Palmitoyl-Pentapeptid" [enthält Aminosäuren in der folgenden Reihenfolge: (Palmitoyl) Lysin, Threonin (2x), Lysin, Serin] oder "Acetyl-Hexapeptid" [enthält Aminosäuren in der folgenden Reihenfolge: (Acetyl) Glutaminsäure (2x), Methionin, Glutamin, Arginin (2x)]; sie stellen eine Weiterentwicklung der schon länger bekannten Proteinhydrolysatkondensate dar. Oberflächlich aufgetragenes Collagen wirkt durch die Proteinstruktur ähnlich, wird aber wegen der BSE-Problematik und der Diskussion um tierische Rohstoffe nicht mehr so häufig eingesetzt. Peptidkondensate werden mit bis zu 5% Trockensubstanz relativ hoch dosiert; inwieweit andere in vitro gemessene Effekte von praktischer Bedeutung sind, wird der weiteren Klärung bedürfen. Den Ceramiden strukturell ähnlich sind einfache Fettsäuremonoethanolamide wie z. B. das Palmitinsäuremonoethanolamid (INCI: Palmitamide MEA) und das Stearinsäuremonoethanolamid (INCI: Stearamide MEA). Diese Stoffe, die auch als Hautschutzstoffe (4) bezeichnet werden, können wie Harnstoff und Allantoin (Amide mit sehr niedrigem Molekulargewicht) entzündungshemmend und juckreizlindernd wirken. In der Epidermis kommt z. B. Palmitamide MEA als Metabolit des N-Palmitoyl-Kephalins (N-Palmitoyl-phosphatidylethanolamin) natürlich vor; letzteres gehört wiederum zur Gruppe der Phospholipide.

Eigenregeneration

Die Barriere-Lipide: CER, Cholesterin und FS haben in gesunder Hornschicht bekanntlich ein molekulares Verhältnis von 1:1:1. Änderungen des molekularen Verhältnisses führen zu Störungen der Barriere und krankhaften Erscheinungen; ein Hinweis, dass eine Schichtstruktur mit spezieller Geometrie vorliegt, die durch molekulare Kräfte wie z. B. Wasserstoffbrückenbindungen stabilisiert wird. Bei künstlichen Störungen der Barriere (Stripping) findet eine relativ schnelle Regeneration der Barriere-Lipide statt - erkennbar durch die rasche Absenkung der anfänglichen Erhöhung des transepidermalen Wasserverlustes (TEWL).

Emulgatorfreie Externa

Wenn korneotherapeutische Wirkstoffe in Kosmetika oder Dermatika verwendet werden, verbietet sich der Einsatz von Emulgatoren, da sie kontraproduktive Störungen innerhalb der Barriereschichten verursachen. Wenn darüber hinaus von der Penetration und Permeation der Präparat-Bestandteile in das Stratum granulosum und tiefere Hautschichten ausgegangen wird, sollte auch auf Konservierungsmittel des Anhangs der Kosmetikverordnung (KVO) sowie Duftstoffe verzichtet werden. Liposomen, Nanopartikel sowie Cremes auf Basis von Derma Membran Struktur lassen sich emulgatorfrei herstellen (5). Seit ungefähr 2 Jahren werden auch speziell zusammengesetzte Oleogele für diesen Zweck eingesetzt. Ihre Zusammensetzung erlaubt sogar den Einbau sehr polarer Amide wie Harnstoff.

Individuelle Anpassung

Abschließend sei bemerkt, dass Derma-Membran-Struktur-Grundlagen nicht nur mit Liposomen und Nanopartikeln, sondern auch mit hydrophilen und lipophilen Wirkstoffen rezepturmäßig bei Raumtemperatur an die individuelle Haut angepasst werden können (6). Daraus resultierende Baukastensysteme und entsprechende Fertigprodukte werden je nach Zusammensetzung in der Dermatologie zur Behandlung und in der Hautpflege zur unterstützenden Prävention von Barriere- und Verhornungsstörungen sowie für den Hautschutz eingesetzt (7,8,9). Hautanalysen mittels Corneometrie (Hautfeuchte), Sebumetrie (Hautlipide) und Tewametrie (TEWL) helfen bei der Wahl der Rezepturen und der Überprüfung ihrer Effektivität (10).

  1. Lübbe J.
    Evidence-Based Corneotherapy Dermatology 2000; 200: 285-286
  2. Lautenschläger H.
    Universelle Basiscremes mit Membran-Struktur für Hautpflege, Hautschutz und Dermatika Österr. Apothekerzeitung 2002; 56 (14): 679
  3. Proksch E.
    Linolsäurehaltige Externa Internist. Prax. 1998; 38: 877-883
  4. Lexikon der Hilfsstoffe für Pharmazie, Kosmetik und angrenzende Gebiete Hrsg. H. P. Fiedler
    Verlag Editio Cantor, Aulendorf 1996, S. 1457-1458
  5. Lautenschläger H.
    Liposomes Handbook of Cosmetic Science and Technology. Hrsg. A. O. Barel; M. Paye; H. I. Maibach Marcel Dekker, Inc. New York Basel 2001, S. 201-209
  6. Lautenschläger H.
    Kosmetik International 1999; 1: 104-106 dermaviduals – Dienstleistung der Zukunft
  7. Lautenschläger H.; Albrecht M.; Bohn. M.; Weisser M.
    Hautschutzpräparate zur Prävention von Hautschäden DE 198 57 490 (Anm. 14.12.1998)
  8. Lautenschläger H.; Albrecht M.; Bohn. M.; Weisser M.
    Wasserhaltige Hautschutzpräparate zur Prävention von Hautschäden DE 198 57 492 (Anm. 14.12.1998)
  9. Lautenschläger H.
    Base creams for the prevention and treatment of atopic dermatitis Acta Dermatovenerol Croat 2004; 2 (12): 132
  10. Lautenschläger H.
    Hautanalyse - moderne Geräte helfen Kosmetik International 2003; 3: 102-104

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetische Medizin
2004 (2), 72-74

 
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