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Allgegenwärtig und multifunktional - Alles über Aminosäuren in der Hautpflege

 

Für das Pflanzen- und Tierreich einschließlich der Menschen bis hin zu Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen und Viren sind Aminosäuren unverzichtbar. Ohne diese Grundbausteine gibt es kein irdisches Leben. Warum und welche Aminosäuren gerade für die menschliche Haut von eminenter Bedeutung sind, erfahren Sie hier.

 

Aminosäuren (AS) gehörten zu den ersten Molekülen, die in der "Ursuppe" der Erde durch das Zusammenspiel von Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff inmitten elektrischer Entladungen und hochenergetischer Strahlung entstanden sind. Wie der Name schon andeutet, handelt es sich um Moleküle, die Amin und Säure zugleich sind. Amine leiten sich von der chemischen Verbindung Ammoniak ab und sind basische Verbindungen, die mit Säuren Salze bilden können. Genau dies passiert bei Aminosäuren, bei denen sich - und dies ist für die Substanzklasse charakteristisch - eine Aminogruppe (-NH2) und eine Säuregruppe (-COOH) im gleichen Molekül befinden. Man bezeichnet solche Verbindungen auch als innere Salze oder Betaine, gezeigt am Beispiel Glycin:

Glycin (Aminoessigsäure): H2N-CH2-COOH <=> H3N+-CH2-COO- (Betain-Form)

Von größter Bedeutung sind die L-α-Aminosäuren. Alpha (α) bedeutet, dass sich die Aminogruppe an dem C-Atom der Kohlenstoffkette befindet, das der COOH-Gruppe benachbart ist; so Beispiel Valin:

Valin

Valin

Physiologische Aminosäuren

Wenn sich am α-Kohlenstoffatom vier unterschiedliche Reste befinden, im Fall des Valins sind es -NH2, -CH(CH3)2, -COOH und H, dann sind immer 2 spiegelbildlich unterschiedliche, räumliche Anordnungen der Reste möglich, die nicht zur Deckung gebracht werden können und die man durch die Großbuchstaben D und L unterscheidet. Daher die Bezeichnung L-α-Aminosäuren.
Viele der Aminosäuren, wie das oben genannte Glycin, kann der menschliche Organismus aufbauen, einige jedoch nicht. Letztere werden als essenziell bezeichnet und über die Nahrung aufgenommen. Essenziell für den Menschen sind die L-α-Aminosäuren: Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Valin, Histidin (für Kinder). Mit der Nahrung werden Aminosäuren größtenteils in Form von Proteinen (Eiweiße) aufgenommen. In Proteinen sind die Aminosäuren über die Amino- und Säuregruppen kettenförmig miteinander verknüpft. Diese Bindung nennt man auch Amid- oder Peptidbindung:

Peptid-Bindung

 Peptid-Bindung

Die Bindung wird bei der Nahrungsaufnahme von Proteinen durch Enzyme (Peptidasen) gespalten. Die freigesetzten Aminosäuren werden später wieder zur körpereigenen Synthese von Peptiden und Proteinen genutzt. Dazu werden auch die Nukleinsäuren benötigt, die Träger der genetischen Information und Schlüsselsubstanzen der Proteinbiosynthese sind.

Natural Moisturizing Factor (NMF)

Die Haut enthält sowohl Proteine, wie beispielsweise das Keratin der Hornschicht, als auch freie Aminosäuren. AS und Harnstoff (Urea) des NMF können Wasser sehr effektiv speichern. Daher sind sie für die Hautfeuchte von größter Bedeutung. Darüber hinaus stellen sie den natürlichen Schutz der Haut gegen Radikale dar. Eine Haut, deren NMF gestört ist, trocknet daher nicht nur aus, sie ist auch den Radikalverbindungen der Umwelt ungeschützt ausgesetzt. Daher sollten Präparate, die explizit für die Erhöhung der Hautfeuchte bei trockener Haut vorgesehen sind, nicht irgendwelche wasserbindenden Substanzen enthalten, sondern Aminosäuren. Das Schutz-Prinzip wird anhand der chemischen Reaktion der AS Glycin und Nitrit, das aus allgegenwärtigen Stickoxid-Radikalen entsteht, deutlich:

H2N-CH2-COOH + NO2- → HO-CH2-COO- + N2 + H2O

Bei der Reaktion entsteht also aus Glycin und Nitrit eine Alpha-Hydroxysäure (AHA), in diesem Fall Glykolsäure, sowie harmloser Stickstoff und Wasser. Das Nitrit wird vernichtet. Da Radikale entzündliche Prozesse unterhalten können, ist die Wiederherstellung des intakten NMF die wichtigste Voraussetzung, um entzündliche Barrierestörungen langfristig in den Griff zu bekommen. Diese Tatsache wird bei dermatologischen Therapien häufig übersehen, mit der Folge, dass topische Pharmaka angewendet werden.

Signalstoffe und Hormone

Aminosäuren sind teilweise selbst biologisch aktiv oder bilden Vorstufen für Signalstoffe oder hormonartig wirkende Stoffe. Beispiele:

  • L-Glutaminsäure ist ein Neurotransmitter. Aus ihr wird u.a. L-Thyroxin, eine hormonartig wirkende Aminosäure der Schilddrüse, und GABA (Gamma-Aminobuttersäure) gebildet - ebenfalls ein Neurotransmitter.
  • L-Histidin ist der Ausgangsstoff für das biogene Histamin, das bei allergischen Reaktionen eine zentrale Rolle spielt. Histamin ist unter anderem verantwortlich für Juckreiz und Brennen der Haut.
  • L-Lysin und L-Methionin bilden zusammen L-Carnitin, das für die Energiegewinnung in den Mitochondrien essenziell ist.
  • L-Tryptophan ist der Ausgangsstoff für das biogene Amin Serotonin, das eine vielfältige Wirkung im Zentralnervensystem und auf die Blutgefäße hat, und das Melatonin (Epiphyse-Hormon), das den Tag- und Nachtrhythmus des Körpers steuert.
  • L-Tyrosin bildet über die Aminosäure L-DOPA die biogenen Amine Dopamin (Glückshormon), Noradrenalin (Neurotransmitter; blutdrucksteigernd), Adrenalin (Stresshormon).
  • L-Cystein ist unter anderem die Vorstufe des Taurins (2-Aminoethansulfonsäure), das für unser Immunsystem wichtig ist.

Kurzkettige Peptide

Peptidketten aus wenigen Aminosäuren, sogenannte Oligopeptide, sind in Kosmetika seit einigen Jahren vielfältig vertreten. Sie zeichnen sich durch ein breites Wirkstoffspektrum aus und können aus einer penetrationsfördernden Cremegrundlage heraus die Hautbarriere passieren. Je nach Aminosäure-Sequenz stimulieren sie den Kollagenaufbau, wirken neuromuskulär im Sinne einer Faltenreduktion oder regen das Immunsystem an. Andere wiederum beeinflussen den Wasserhaushalt der Haut oder sind wie das Glutathion (gamma-L-Glutamyl-L-Cysteinyl-Glycin) an Redoxreaktionen beteiligt - um nur einige der wichtigsten Effekte zu nennen. Glutathion wird zuweilen als Radikalfänger in der Kosmetik eingesetzt.
Hautglättend und feuchtigkeitsspeichernd wirken auch Proteinhydrolysate, die aus kurzkettigen Peptiden oder auch aus freien Aminosäuren bestehen. Sie werden durch hydrolytische Spaltung von Proteinen, früher in der Hauptsache Kollagen, heute in der Regel Pflanzenproteinen oder Seidenprotein hergestellt. Interessant sind auch ihre Kondensate mit längerkettigen Fettsäuren (Proteinhydrolysat-Kondensate). Sie haben eine exzellente hautpflegende Wirkung.

Enzyme

Aminosäuren bilden auch das Peptidgerüst der Enzyme. Coenzym A setzt sich beispielsweise aus der schwefelhaltigen Aminosäure L-Cystein, Pantothensäure und Adenosindiphosphat (ADP) zusammen. Es spielt eine große Rolle im Fettsäurestoffwechsel. L-Cystein in Peptidketten ist der Angriffspunkt von Cystein-Endopeptidasen. Typische Vertreter dieser eiweißspaltenden Enzyme sind Papain, das aus der Papaya-Frucht gewonnen wird, und Bromelain, das in der Ananas vorkommt. Beide Enzyme werden in der Kosmetik für Peelings eingesetzt. Enzym-Peelings sind sehr schonend und lassen sich vor allem bei unreiner und zu Akne neigender Haut in Form von Masken verwenden. Das Enzympulver wird direkt vor Gebrauch mit Wasser angerührt. 

Dauerwelle & Co 

Die Aminosäure L-Cystein kann sich mittels einer sogenannten Disulfid-Brücke mit einem anderen L-Cystein-Molekül verbinden:

Bildung einer Disulfid-Brücke

Bildung einer Disulfid-Brücke

Diese Reaktion ist in der Natur von weit reichender Bedeutung, da damit eine Vernetzung von Peptidketten über L-Cystein-Einheiten möglich ist. Dadurch erhält das L-Cystein-reiche Faserprotein Keratin der Haare und Nägel eine hohe mechanische Festigkeit.
Die Disulfid-Brücke kann auch wieder gelöst werden - das Keratin bzw. das Haar wird weich. Dies geschieht beispielsweise bei der Herstellung einer Dauerwelle, und zwar während der ersten Phase, der Reduktion, bei der das Haar auf Lockenwickler gewickelt wird. Die ursprüngliche Festigkeit wird danach wieder hergestellt, durch einen Oxidationsvorgang etwa mit Wasserstoffperoxid oder Luft.

Selbstbräuner

Dihydroxyaceton (DHA) ist der am häufigsten eingesetzte Selbstbräuner. Die Braunfärbung beruht auf der Reaktion von freien Aminogruppen der in der Hornschicht befindlichen Aminosäuren und Proteine mit DHA. Dabei läuft eine Kondensationsreaktion ab, wie sie ähnlich beim Braten oder Backen zwischen zuckerähnlichen Stoffen und Aminosäuren oder Proteinen stattfindet. Sie ist unter dem Begriff Maillard-Reaktion bekannt geworden. In der Küche entstehen dabei appetitanregende Düfte, die flüchtige Reaktions- und Abbauprodukte von Aminosäuren enthalten.

Es gibt viele seltene in der Natur vorkommende AS mit den unterschiedlichsten Funktionen, die hier im Einzelnen nicht beschrieben werden können. Im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Cystein ist vielleicht nur noch auf das analoge Selenocystein hinzuweisen, bei dem das Schwefelatom durch ein Selenatom ersetzt ist. Diese Aminosäure ist unter anderem Bestandteil von Glutathion-Peroxidasen, d. h. von Enzymen, die bei oxidativem Stress in den Zellen aktiviert werden.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetische Praxis
2009 (3), 15-17

 
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