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Hautpflege und Mikrobiom

 

Die Gesamtheit aller Lebewesen auf unserer Haut wird als Hautmikrobiom bezeichnet und dient als natürliche Schutzbarriere vor äußeren Einflüssen. Aber wie genau beeinflussen Hautpflegeprodukte das Hautmikrobiom und vor allem, welchen Einfluss hat das Hautmikrobiom umgekehrt auf kosmetische Inhaltsstoffe? Diese Fragen sind eng verbunden mit der Effektivität und Verträglichkeit von Kosmetika. Eine genaue Betrachtung von Hautmikrobiom und Stoffwechselleistungen nach Substanzgruppen beantwortet diese Fragen.

 

Wirkstoffe sind zentrale Bestandteile in kosmetischen Produkten, wenn es etwa um Hautfeuchte, Hautglättung, Irritationen oder vorbeugend gegen die Hautalterung geht. Sie, aber auch die unvermeidlichen Hilfsstoffe, die für Stabilität, Lagerung und Konsistenz von Produkten zuständig sind, kommen, egal ob sie an der Hautoberfläche bleiben oder in die Epidermis eindringen, mit dem Hautmikrobiom, einer bunten Gesellschaft von Mikroorganismen, in Kontakt.

Es passiert etwas...

Man muss kein Wissenschaftler sein oder eine Studie durchführen, um zu erkennen, dass etwas im Verhältnis zwischen Epidermis und Mikrobiom passiert, wenn ein Stoff auf die Haut appliziert wird. Dazu ein einfaches Beispiel, bei dem es um die Fettung der Haut und den transepidermalen Wasserverlust (TEWL) geht. Paraffine alias Mineralöle, bestehend aus langkettigen Kohlenwasserstoffen, pur aufgetragen, senken den TEWL mehr oder weniger auf null und behalten diese Wirkung theoretisch solange bei, bis sie abgewischt werden, was natürlich in der Realität schnell durch Berührung von Gegenständen passiert. Paraffine verändern sich also nicht und haben eine permanente okklusive Wirkung.
Zum Vergleich werden pflanzliche Öle, zum Beispiel Avocado-Öl, ebenfalls pur aufgetragen. Die primäre Wirkung ist ziemlich genau dieselbe wie bei den Paraffinen. Der TEWL sinkt auf nahezu null. Doch nach einer gewissen Zeit stellt man fest, dass Pflanzenöle langsam in die Haut einziehen, also eine temporäre okklusive Wirkung besitzen.
Schaut man sich die Zusammensetzung des Avocado-Öls an, dann besteht es hauptsächlich aus Triglyceriden, das sind Verbindungen (Ester) langkettiger Fettsäuren mit Glycerin.
Paraffine mögen noch höhere Molekülmassen als Triglyceride haben, doch für beide Stoffe steht fest, dass ihre molekularen Teilchengrößen viel zu groß sind, um von der Epidermis aufgenommen zu werden. Was passiert hier wirklich?

Arbeiten im Team

Die Erklärung ist relativ einfach. Wenn man die Enzymausstattung der Mikrobiom-Populationen und der Epidermis anschaut, arbeiten beide gewissermaßen wie ein Team zusammen, wenn sie ihre Enzyme – in diesem Fall sind es Ester-spaltende Esterasen – auf die Triglyceride loslassen. Es entstehen Glycerin und freie Fettsäuren, deren molekulare Massen weniger als ein Drittel der ursprünglichen Verbindungen betragen. Sie können nun durch die Hautbarriere hindurch und von der Epidermis aufgenommen werden. Für die Spaltung bzw. Abbau von Paraffinen gibt es dagegen keine physiologischen Enzyme – übrigens auch der Grund für ihre Lagerung als Erdöl seit Jahrmillionen.

Aerobier und Anaerobier

Aber da ist noch etwas: Paraffine sind trotzdem nicht ohne Wirkung auf das Hautmikrobiom. Die Populationen verändern sich unter der permanenten Okklusivität. Denn diese verhindert nicht nur den Austritt von Wasser aus der Haut, sondern auch umgekehrt den Zutritt von Sauerstoff auf die Hautoberfläche.
Unter den Mikroorganismen gibt es Spezialisten, die unter Sauerstoffarmut besser arbeiten und sich vermehren können, und solche, die bei Sauerstoffzutritt besser gedeihen. Man nennt die einen Anaerobier und die anderen Aerobier. Durch die permanente (nicht physiologische) Okklusivität werden die Anaerobier begünstigt und das Verhältnis der Mikrobiom-Populationen ändert sich. Anaerobier führen bei Menschen, die unter Rosazea oder Akne leiden innerhalb von wenigen Tagen zu entzündlichen Erscheinungen (Irritationen, Hautrötungen, Komedonen), weshalb insbesondere bei ihnen nicht nur Paraffine, sondern auch die tägliche Verwendung stärker fetthaltiger Präparate kontraproduktiv sind.

Hygiene

Die Aerobier sind übrigens nicht nur, aber auch für den niedrigen pH auf der Hautoberfläche (Säuremantel) zuständig. Mithilfe von Oxidoreduktasen oxidieren und bauen sie die zum Beispiel in der Hautbarriere und in kosmetischen Präparaten befindlichen langkettigen zu kürzeren Fettsäuren ab.
Diese Art der Regeneration funktioniert allerdings nur dann reibungslos, wenn das Hautmikrobiom nicht pausenlos durch scharfe Hygiene-Maßnahmen in Form hoch konzentrierter Tenside (Reinigungsmittel) und Desinfektionsmittel dezimiert wird.
Insbesondere bei Menschen, die unter Barrierestörungen leiden, ist Sparsamkeit mit derartigen Mitteln anzuraten. Lauwarmes Wasser bei Erwachsenen und ein Pflanzenöl bei Kleinkindern, insbesondere beim Tragen von Windeln, lässt viele Probleme gar nicht erst aufkommen. Hygiene ist gut, aber übertriebene Reinlichkeit schadet.

Natürlicher Schutz

In diesem Zusammenhang sei die Bemerkung erlaubt, dass die heutige Jagd nach dem stärksten Antioxidans zwar mögliche freie Radikale in Schach hält, aber die Arbeit und Population der Aerobier zu einer Herausforderung werden lässt. Moderate physiologische Antioxidantien wie das Vitamin E in niedrigen Konzentrationen sind die bessere Wahl.
Im Übrigen arbeiten Epidermis und Hautflora auf diesem Gebiet zusammen. Durch ihre Proteasen, also Enzyme, die Proteine spalten können, bilden sie die Aminosäuren des NMF (Natural Moisturizing Factor), dem wichtigsten eigenen Schutzfaktor der Epidermis gegen radikalische Einflüsse der Umwelt, zum Beispiel gegen Stickstoffoxide. Bei der Reaktion mit ihnen entstehen Alpha-Hydroxysäuren (AHAs).

Physiologisches Gleichgewicht

Apropos Proteasen: Pathogene Bakterien und Pilze nutzen diese Enzyme, um Proteine abzubauen, die Metaboliten zu verdauen und auf diese Weise in epidermale Strukturen einzubrechen und den Körper gegebenenfalls zu infizieren. Unter normalen physiologischen Verhältnissen besteht zwischen der Epidermis und dem Mikrobiom eine Art Demarkationslinie, also ein Gleichgewicht, das auf Seiten der Epidermis unter anderem antimikrobielle Peptide (AMP) und auch Proteasen nutzt. Dieses physiologische, nach der Geburt gebildete Gleichgewicht gilt es bei der Hautpflege stabil zu halten.
Eine gute Arbeitshypothese besteht daher darin, kosmetische Zusammensetzungen zu wählen, die sowohl bei der Epidermis als auch der Hautflora gut ankommen, also möglichst physiologisch sind.

Störungen

Daraus kann man wiederum folgern, dass Stoffe, die biologisch nicht oder schwer abbaubar sind, nicht in kosmetische Präparate gehören. Zu ihnen gehören zum Beispiel Komplexbildner wie EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure und ihre Salze). Komplexbildner binden Spuren von Schwermetallen wie Eisen, die an Oxidationsprozessen beteiligt sind, welche die Haltbarkeit von Kosmetika verkürzen. Naturgemäß werden aber auch endogene Schwermetalle gebunden, die für Oxidoreduktasen der Epidermis und der Aerobier lebenswichtig sind.
Schädigend auf das Miteinander von Epidermis und Mikrobiom wirken sich in kurzen Zeitabständen immer wieder routinemäßig durchgeführte Peelings, mit Alpha-Hydroxysäuren etwa, sowie Dermabrasion aus. Auf empfindlicher, z. B. keltischer Haut, führen sie erfahrungsgemäß auf Dauer zu einer erhöhten Inzidenz von Rosazea und perioraler Dermatitis (POD). In akuten Fällen werden Fettstoffe überhaupt nicht mehr vertragen, ein Umstand, der für die darunter leidenden Personen besonders unangenehm ist.

Resistenzen

Schädlich für das Mikrobiom sind ebenso Konservierungsstoffe. Sie sind ja explizit gegen jegliche Art von Mikroorganismen gerichtet, um eine Destabilisierung von Präparaten während Lagerung und Anwendung und den damit verbundenen Abbau einzelner Komponenten zu unterbinden. Ähnlich wie Antibiotika sind sie unterschiedlich stark wirksam, was die einzelnen Populationen von Mikroorganismen betrifft.
In den Präparaten werden deshalb vielfach Gemische verwendet. Der Klassiker war über Jahrzehnte eine Mischung unterschiedlicher Parabene mit Phenoxyethanol – eine Kombination fett- und wasserlöslicher Konservierungsstoffe.
Die Keime der Hautflora reagieren unterschiedlich empfindlich. Manche sind mehr oder weniger resistent und nutzen die Gelegenheit, dass die Kollegen dezimiert werden, für die eigene Vermehrung, ähnlich wie man dies von den pharmazeutischen Antibiotika kennt. Das natürliche, physiologische Gleichgewicht unter den Populationen wird dadurch gestört. Wenn es sich dabei um die Zunahme pathogener Vertreter handelt, kann es zu unerwünschten Hautreaktionen kommen, was bei Konservierungsstoffen bekanntlich nicht unüblich ist.
Alle Konservierungsstoffe im Anhang der Kosmetikverordnung haben ohne Ausnahme ein allergenes Potenzial. Inwieweit bei den Allergien das Mikrobiom oder/und direkte Reaktionen der Epidermis beteiligt sind, kann man aufgrund der Komplexität der Materie nur erahnen.

Infektionen

Die Anwesenheit von Emulgatoren, insbesondere solchen, die nach Eintritt in die Epidermis nicht abgebaut werden, verstärkt einerseits die Penetration von Konservierungsstoffen, umgekehrt durch ihre Auswascheffekte bei der Hautreinigung auch die Gefahr von Infektionen durch Keime der Hautflora, vor allem aber durch externe pathogene Keime, da die Hautbarriere geschädigt ist. Beispiel sind Pilzinfektionen im Feuchtraumbereich von heimischen und kommunalen Bädern.
Diese Situation ist nicht auf die Füße beschränkt. Auch das Auftreten von Kopfschuppen korreliert mit der Frequenz des Haarewaschens mit tensidhaltigen Mitteln wie Shampoo & Co. Tensid ist die Bezeichnung für Emulgatoren in Reinigungspräparaten.

An der Oberfläche

Bei Konsistenzmitteln, die wie die Emulgatoren amphiphil (wasser- und fettliebend) aufgebaut sind und Emulsionen stabilisieren, ist die Situation eine andere, da es sich bei ihnen in der Regel um polymere Verbindungen natürlichen oder synthetischen Ursprungs handelt.
Sie bleiben auf der Haut liegen und können dort bestenfalls die Hautfeuchte positiv beeinflussen. Beispiele sind Carbomere (synthetisch) oder Xanthane, Hyaluronsäure, Cellulose- und Stärkederivate (natürlich). Sie sind einerseits relativ indifferent, andererseits nicht okklusiv und stören den TEWL zwischen Epidermis und Umwelt nur wenig.  
Generell sind Polymere schwerer abbaubar, da sie durch Mikroorganismen peu à peu nur von den Enden her verstoffwechselt werden können. Je kürzer, umso leichter erfolgt der Abbau. Das gilt auch für Polysaccharide wie die Hyaluronsäure. Nur so ist die Wirkung von kurzkettigen Hyaluronsäuren im Vergleich zu langkettigen Hyaluronsäuren zu erklären. Beide sind für die Penetration durch die Hautbarriere zu groß.
Aber mit abnehmender Kettenlänge werden durch die Glykosidasen des Mikrobioms vermehrt N-Acetylglucosamin und letztlich auch Glucosamin freigesetzt, die beide mit ihrer kleinen molekularen Masse leicht durch die Hautbarriere penetrieren können. Für lang- und kurzkettige Kollagene gilt das gleiche. Sie werden durch Proteasen bis zu den Aminosäuren abgebaut.

In der Summe liegt die Stärke…

Es ist schwer abzuschätzen, wie sich die Stoffwechselleistungen von Epidermis und Hautflora aufteilen. Das hängt, wie beschrieben, von den einzelnen Molekülen ab, die auf die Haut gelangen. Von daher werden sich die Resultate von Penetrations-, Verträglichkeits- und Wirksamkeitsstudien, die an Franz-Zellen etwa, künstlicher Haut oder in vivo durchgeführt werden, immer unterscheiden.
Fakt ist, dass in vivo-Messungen nie die Leistung der Epidermis alleine wiedergeben, sondern immer nur eine Summe zusammen mit dem Hautmikrobiom.

Paracelsus

Eine weitere wichtige Erkenntnis ist es, dass nicht nur der chemische Aufbau eines Stoffes relevant ist, wenn es um Reaktionen des Mikrobioms geht, sondern auch das physikalische Verhalten und die Konzentration. Ein typisches Beispiel dafür ist die Komedogenität von Stearinsäure, die sich auf die mikrobielle Tätigkeit in den Talgdrüsen auswirkt. Sie ist wie bei vielen anderen komedogenen Stoffen von Löslichkeit, Konzentration und Schmelzpunkt abhängig. Unter Berücksichtigung des bekannten Leitsatzes von Paracelsus lassen sich seitens der Kosmetika-Entwickler viele Probleme bei der späteren Anwendung von Präparaten durch Senkung der Konzentrationen vermeiden.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Medical
2024 (1), 14-18

 
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