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Übersicht: Freisetzung und Bioverfügbarkeit

 

Eine zentrale Frage hinsichtlich der Effektivität von Hautpflegemitteln ist die Freisetzung der darin enthaltenen Wirkstoffe. Dabei spielen nicht nur Konzentrationen sondern auch die Grundrezepturen von Cremes, Dispersionen und Lösungen eine wichtige Rolle. Die dann folgende Penetration in das Hornschicht-Depot, die Passage in tiefere Hautschichten und gegebenenfalls die Metabolisierung bestimmen die dermale Bioverfügbarkeit von Wirkstoffen für die Ihnen zugedachte Funktion.

 

In Kosmetik & Pflege 2012 (1), 25-27 berichteten wir über Trägersystemen wie Liposomen und Nanopartikel. Trägersysteme steigern die dermale Bioverfügbarkeit von Wirkstoffen durch:

  • Penetrationsverstärkung
  • Schutz durch Verkapselung gegen oxidative, hydrolytische oder andere äußere Einflüsse

Der Terminus Bioverfügbarkeit stammt ursprünglich aus der Pharmakologie und bezeichnet den Anteil eines Wirkstoffes, der im Vergleich zur applizierten Dosis systemisch dem Körper zur Verfügung steht. In der kosmetischen und dermatologischen Betrachtungsweise ist allein die dermale Bioverfügbarkeit von Interesse, d. h. der Anteil an Wirkstoff, der nach dermaler Applikation lokal der biologischen Verarbeitung in der Haut zur Verfügung steht. Sie ist allerdings eine schwierig zu messende Größe, da jeweils zu definieren wäre, in welcher Hautschicht der Wirkstoff ankommen muss, um die gewünschten Effekte auszulösen. Daher ist es einfacher, sich Dosis und Wirkung von verschiedenen kosmetischen Formulierungen im Vergleich anzusehen und eine relative Aussage zu treffen. Beispiel: Die Verfügbarkeit von Vitamin A und seinen Derivaten ist bei biologisch abbaubaren Nanopartikeln auf Phosphatidylcholin-Basis (PC) wesentlich höher als bei konventionellen emulgatorhaltigen Präparaten - erkennbar an der vergleichsweise sehr niedrigen Schwellendosis für Irritationen, die in diesem Fall auf die Umwandlung von Vitamin A in Vitamin-A-Säure zurückzuführen ist.

Dass es sich bei den Vitamin-A-Nanopartikeln um eine besonders hohe dermale Bioverfügbarkeit handeln muss, ist darüber hinaus der Tatsache geschuldet, dass sich emulgatorfreie, PC-haltige kosmetische und pharmazeutische Präparate durch eine flache Anflutung von Wirkstoffen auszeichnen. Sie penetrieren zwar schnell in das Stratum-Corneum-Depot, verlassen dieses aber auf sehr gleichmäßige Art und Weise. Die Freisetzung gleicht eher einem Plateau; d. h. es fehlen kurze ausgeprägte Konzentrationsspitzen. Vielfach lassen sich wie beim Vitamin A die Dosierungen von Wirkstoffen senken.

Freisetzung und dermale Bioverfügbarkeit werden noch durch viele andere Faktoren und Stoffe bestimmt, von denen einige in der folgenden Übersicht beispielhaft zusammengefasst sind. Man sollte zumindest einmal von ihnen gehört haben, da sie für die Ergebnisse kosmetischer Behandlungen von Bedeutung sind.

Amide (Säureamide) gehören zu einer Substanzgruppe, die einerseits das Penetrationsverhalten anderer Stoffe, andererseits dadurch auch die eigene Verfügbarkeit beeinflussen. Amide bestehen aus Säuren, die durch die chemische Bindung mit Aminen neutralisiert sind.

  • Eine sehr einfache Verbindung dieser Art ist der Harnstoff, dessen Ausgangskomponenten Kohlensäure und Ammoniak sind. Harnstoff ist ein physikalischer Türöffner. Er sprengt in höheren Konzentrationen die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Korneozyten, wirkt keratolytisch und bindet Wasser. Bereits in moderaten Konzentrationen bis zu 3 Prozent kann man ihn als Penetrationsverstärker einsetzen. Er wirkt auch juckreizhemmend.
  • Allantoin ist (5-Ureidohydantoin) ist strukturell mit dem Harnstoff verwandt und hat sehr ähnliche Eigenschaften, ist jedoch nur schlecht in Wasser löslich und kann daher nicht in höheren Konzentrationen verwendet werden.
  • Langkettige Fettsäureamide wirken umgekehrt, sie sind barriereaktiv. Beispiel: Palmitinsäuremonoethanolamid ist juckreizhemmend und wird bei atopischer Haut verwendet. Die hautaffinen Ceramide verhalten sich analog. Ihre Verfügbarkeit darf auch nur bis zum Stratum corneum reichen, da andernfalls die Apoptose der Hautzellen angeregt wird.
  • D-Panthenol ist die Vorstufe der Pantothensäure (Vitamin B5). Als Komponente von Gesichtstonics macht es die Haut durchlässiger und damit aufnahmebereit für die Wirkstoffe von Masken.
  • Tertiäre Amide werden aus einem sekundärem Amin und einer Fettsäure gebildet. Wie die Ester sind sie im Vergleich zu ihren Ausgangskomponenten sehr unpolar. Daher penetrieren sie recht gut. Das kann man leicht anhand von Schärfestoffen wie Capsaicin (Chili) und Spilanthol (Parakresse; faltenreduzierende Wirkung) erkennen.

Antioxidantien stabilisieren die Verfügbarkeit von sauerstoffempfindlichen Substanzen wie Vitamin A, indem der Abbau während der Hornschichtpassage verhindert wird. Verkapselungen mit schützender Außenhülle erfüllen bei längerer Lagerung den gleichen Zweck.

Barrieregestörte und trockene Haut erhöhen die unerwünschte Verfügbarkeit vieler Stoffe aus der Umwelt. Die Empfindlichkeit gegenüber Keimen, Konservierungs- und Duftstoffen ist signifikant erhöht.

Dermaroller: Beim Microneedling wird die Haut perforiert. Die Haut kann insbesondere bei Narben zu erneuter Regeneration angeregt werden. Hinsichtlich der Penetration von Wirkstoffen erreicht man bei Liposomen und Nanodispersionen so gut wie keine Verbesserung.

Duftstoffe: Viele der enthaltenen Terpene haben insbesondere durch Einwirkung von Luftsauerstoff und Ultraviolettlicht allergenen Charakter. Ihre dermale Bioverfügbarkeit ist aufgrund der hohen Fettlöslichkeit und der kleinen Molekülgröße sehr hoch. Verzicht und separate Applikation auf der Hautoberfläche nach der Hautpflege ist bei empfindlicher Haut die beste Lösung. Gleiches gilt auch für viele synthetische Riechstoffe

Emulgatoren stören durch ihre Oberflächenaktivität die Barriere und verstärken die Penetration. Außerdem wird die Verfügbarkeit der Fettstoffe von Cremes durch spätere Auswascheffekte zum Teil drastisch gesenkt. Natriumlaurylsulfat wird als Standard-Irritans bei Prüfungen von Kosmetika auf irritative Wirkung eingesetzt.

Ester sind die chemischen Trojaner für Säuren. Die polare Säurefunktion ist durch die chemische Bindung mit Alkoholen aufgehoben. Die Säuren werden dadurch fettlöslich und ihre Verfügbarkeit steigt an. Die Säuren werden in der Haut durch die Aktivität von Enzymen (Esterasen) wieder freigesetzt.

Enzymdefekte können die Verfügbarkeit von Wirkstoffen senken. So verhindert etwa die unzureichende Aktivität des Enzyms delta-6-Desaturase die Umwandlung von Linolsäure in gamma-Linolensäure. Viele Neurodermitiker leiden unter diesem Problem. Entlastung bringt die topische Anwendung von gamma-Linolensäure (Nachtkerzenöl).

Fettgewebe wie bei Cellulite behindert die Passage polarer Stoffe. Unpolare, fettlösliche Stoffe werden zwar gespeichert, verfügen aber in diesem Fall nur über eine geringe Freisetzungsrate. Bei Cellulite zeigen koffeinhaltige Präparate in Verbindung mit mechanischer Energie lipolytische (fettspaltende) Aktivität. Koffein ist besonders gut verfügbar in liposomalen Dispersionen und wird dort in Konzentrationen von bis zu 2% eingesetzt.

Infrarotstrahlung hat die gleiche Wirkung wie wärmende Packungen. Die Verfügbarkeit von Wirkstoffen steigt.

Iontophorese beschleunigt die Penetration geladener Teilchen in die Haut. Das Verfahren basiert auf einem schwachen Gleichstrom und ist hauptsächlich bei Säuren und Salzen anwendbar.

Konservierungsstoffe: Eine hohe Verfügbarkeit ist zwar in antimikrobiell zu stabilisierenden Präparaten erwünscht, jedoch nicht mehr auf der Haut. Lipophile Konservierungsstoffe wie Parabene und halogenierte Phenole sowie deren Derivate lassen sich im ganzen Körper nachweisen. Kombinationen mit Trägerstoffen wie Nanodispersionen und Liposomen sind besonders ungünstig; sie sollten daher konservierungsstofffrei hergestellt werden.

Massagen erhöhen die Verfügbarkeit von Ölen und gelösten Wirkstoffen durch mechanische Energie.

Metabolisierung: So wird beispielsweise die dermale Verfügbarkeit von essenziellen Fettsäuren bei oraler Aufnahme durch die Nahrung infolge der Metabolisierung während der Leberpassage stark reduziert. Bei der topischen Applikation führt umgekehrt erst die Metabolisierung zu einer antiinflammatorischen Wirksamkeit.


Mikrodermabrasion: Eine vorangegangene Dermabrasion führt bei Applikation von Wirkstoffen zu Konzentrationsspitzen, da das ausgleichende Depot des Stratum corneum fehlt. Die Folge ist eine hohe Nebenwirkungsquote etwa durch Säuren (pH), Vitamin A (Vitamin A-Säure) oder hypertone Lösungen (osmotischer Druck). Rötungen und Irritationen sind daher nicht selten.

Mikronisierung: Mikronisierte Wirkstoffe (Korngrößen im µm-Bereich) sind dann interessant, wenn es sich um unlösliche Feststoffe handelt. Sie lassen sich dann besser dispergieren und die Verfügbarkeit wird durch die große Oberfläche begünstigt. Topische Hormonzubereitungen der Apotheken basieren häufig auf diesem Prinzip.

Okklusivität: Wenn der TEWL bei der Applikation kosmetischer Mittel gegen Null geht, spricht man von Okklusion - ausgelöst z. B. durch Produkte mit hohem Petrolatum-Anteil (Vaseline). Dabei quillt die Haut auf und Wirkstoffe können leichter die Hautbarriere passieren. Vliesmasken und Modelagen funktionieren nach diesem Prinzip. Okklusive Cremes senken allerdings auch die Regenerationsfähigkeit der Haut.

Ölsäure: ist ein klassischer Penetrationsverstärker.

Pflanzenöle haben eine wesentlich bessere Verfügbarkeit, wenn Sie in feiner wässriger Nanodispersion zusammen mit Phosphatidylcholin vorliegen. Sie verbleiben dann nicht als Öl auf der Hautoberfläche, sondern ziehen sofort ein.

Phasenumwandlungstemperatur: Bei barriereaffinen Wirkstoffen spielt deren Umwandlungstemperatur vom kristallinen in den flüssig-kristallinen Zustand eine große Rolle. Der Umwandlungspunkt etwa von PC liegt bei < 0 ºC. Durch die Integration des PC in die Barriere wird deren Umwandlungspunkt gesenkt. Die Barriere wird fluidisiert und durchlässig. Durch Mischungen mit hydriertem PC (PC-H) lassen sich praktisch alle Zustände von durchlässig bis nicht durchlässig (100% PC-H; Hautschutz) einstellen.

Produktmatrix: Ob Wirkstoffe in einem wässrigen Gel, einer fetthaltigen Creme, eine niedrigviskosen Lotion, einer Dispersion, einer Lösung oder in Trägerkörpern eingebettet sind, hat einen sehr großen Einfluss auf die Freisetzungscharakteristik.

Provitamine sind häufig Stoffe, die weniger polar und damit leichter die Hornschicht passieren als die später durch Metabolisierung entstehenden Vitamine. Beispiele sind D-Panthenol und Beta-Carotin.

Radiowellen erzeugen Wärme in der Haut und wirken daher wie Infrarotstrahlen oder Wärmepackungen. Sie unterscheiden sich durch die Eindringtiefe.

Spreiter erhöhen die horizontale Verfügbarkeit von Wirkstoffen Typische Spreiter sind Isopropylmyristat, Adipinsäureester, flüchtige kurzkettige Silikone und Squalen, das von den Talgdrüsen ausgeschieden wird.

Ultraschall beschleunigt durch seine mechanische Energie die Penetration von Wirkstoffen.

Wachstumsfaktoren: Eine elegante Art der Freisetzung ist die Stimulierung von Wachstumsfaktoren durch äußerlich applizierte Substanzen. Hierzu gehören praktisch alle Stoffe, die in der Lage sind, die Regeneration anzuregen. Der Verstärkereffekt der Wachstumsfaktoren wird genutzt.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetik & Pflege
2013 (1), 36-37 und (2), 38-39

 
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