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Ohne Träger wenig Wirkung - was können Trägerkörper in Kosmetikprodukten?

 

Wenn von Trägern in Kosmetikprodukten die Rede ist, muss man zwischen einzelnen chemisch definierten Substanzen und physikalischen Trägerkörpern unterscheiden. Beide Alternativen bewirken letztlich das gleiche - nämlich die Erhöhung der Bioverfügbarkeit in der Kombination mit Wirkstoffen. Eine hohe Bioverfügbarkeit setzt allerdings das Wissen um die physiologischen Vorgänge in der Haut voraus und steht im krassen Gegensatz zu "viel hilft viel".

 

Vitamin C (Ascorbinsäure) zum Beispiel und seine in Literatur sowie Werbung beschriebenen Wirkungen sind jeder Kosmetikerin bekannt. Hohe Konzentrationen haben einen fruchtsäureähnlichen, keratolytischen Effekt auf der Haut; Hornschichtzellen werden abgelöst. Will man den Einfluss auf die Bildung neuen Kollagens nutzen, kann man mit dieser äußerlichen Wirkung nichts erreichen. Man muss stattdessen mit niedrigen Konzentrationen und mit Derivaten, sei es Phosphat-, Stearin- oder Palmitinsäure-Estern arbeiten. Die Derivate sind wesentlich stabiler als das ursprüngliche Vitamin C und können in Liposomen - wenn sie wasserlöslich sind - oder in Nanopartikeln - wenn sie fettlöslich sind - verkapselt werden. Der Ausdruck "Verkapselung" deutet schon darauf hin, dass es sich hier um Trägerkörper handelt, die meist etwa 50 bis 200 nm (Nanometer) groß sind. Menschliche und pflanzliche Zellen sind ähnlich aufgebaut. Das betreffende Derivat wird mit Hilfe des Trägers (neudeutsch: Carrier) in die Haut transportiert und an geeigneter Stelle enzymatisch in körperidentische Substanzen gespalten. Das freigesetzte Vitamin C kann nun seine Wirkung entfalten.

Trägermaterial mit und ohne Wirkung

So paradox es klingt: Der Trägerkörper penetriert nicht in die Haut. Stattdessen läuft ein komplizierter Vorgang ab, der damit beginnt, dass das Trägermaterial aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung - in der Regel handelt es sich um physiologisches Phosphatidylcholin (PC) - und aufgrund seiner physikalischen Struktur mit den Hautbarriereschichten fusioniert und sie fluidisiert. Die Hautbarriere wird durch die Fluidisierung auf Durchlass geschaltet. Man muss sich also keine Gedanken darüber machen, ob gegebenenfalls intakte Trägerkörper durch die Haut wandern. Mit Nanopartikeln auf PC-Basis geschieht das gleiche. Der Trägerkörper verschmilzt mit der Hautbarriere und entlässt dabei seine Einzelbestandteile in tiefere Hautschichten. Der Vorgang der Fusion läuft sehr schnell ab und kann bei Liposomen leicht verfolgt werden. Denn es kommt zu einem messbaren, zeitlich begrenzten erhöhten transepidermalen Wasserverlust (TEWL). Die Durchlassschaltung ist eben keine Einbahnstraße; es kann umgekehrt Wasserdampf leichter aus der Haut entweichen. Bei Nanodispersionen wird der erhöhte TEWL durch den Fettanteil im Trägermaterial kompensiert. Bei trockener Haut kann man diesen temporären Effekt gegebenenfalls durch die nachfolgende Applikation einer Creme ausgleichen. Auf längere Sicht entsteht kein Nachteil, da der Linolsäureanteil des Phosphatidylcholins in das barriereschützende Ceramid I eingebaut wird und die Barriere auf Dauer stärkt.
Anders als die biologisch abbaubaren Nanopartikel auf PC-Basis verhalten sich biologisch nicht abbaubare Nanodispersionen, die in der Regel Wachse und Kohlenwasserstoffe als Trägermaterial enthalten und feste Kügelchen (SLN = Solid Lipid Nanoparticles) bilden. Sie legen sich wie ein Film auf die Haut und entlassen die eingekapselten Wirkstoffe von der Hautoberfläche in das Hautinnere. Damit verbunden ist ein okklusiver Effekt, der die Penetration fördert. SLN verhalten sich daher nicht viel anders als W/O-Emulsionen, wobei das Trägermaterial selbst keine Eigenwirkung zeigt und von der Haut nicht verwertet werden kann.

Versorgung durch Wirkstoffe

Bei den PC-haltigen Trägern spricht man von lamellaren Systemen, die physikalisch dem doppelschichtigen Aufbau der Zellmembranen und der Hautbarriere entsprechen. Die erhöhte Durchlässigkeit der Hautbarriere kann vorteilhaft bei Masken mit vielen Wirkstoffen genutzt werden. Will man die Barriere wieder schließen, empfehlen sich Cremes, die statt des in Liposomen und Nanodispersionen eingesetzten linolsäurehaltigen (ungesättigten) Phosphatidylcholins die gesättigte PC-Variante enthalten. Auch dieses PC kommt in allen lebenden Organismen vor. Es enthält jedoch chemisch gebunden Palmitin- und Stearinsäure und bildet keine zellförmigen, sondern planare Membranen (Doppelschichten) aus. Ihre Zusammensetzung und Struktur macht eine vorangegangene Fluidisierung der Hautbarriere rückgängig und senkt den TEWL im Falle der Liposomen wieder auf das normale Maß. Die auch als Derma Membran Struktur (DMS) bezeichneten Cremegrundlagen sind wiederum Träger für barriereaktive, hautschützende Pflegestoffe wie Phytosterine, Triglyceride und Ceramide. Mit anderen Worten: Die Hautbarriere lässt sich künstlich öffnen; die darunter liegenden Hautschichten werden mit den für die individuelle Haut geeigneten Wirkstoffen versorgt. Am Schluss wird die Hautbarriere mit DMS wieder in den Normalzustand versetzt. Der beschriebene Behandlungsablauf entspricht dem Vorgehen in der erweiterten Korneotherapie. Zur Erinnerung: Die ursprüngliche Korneotherapie von Prof. Dr. A. Kligman zielt darauf ab, eine gestörte Hornschicht (Stratum corneum) so zu sanieren, dass die Auslöser tiefer liegender Hautprobleme daran gehindert werden, von außen einzudringen. Selbst entzündliche Vorgänge können so beeinflusst werden.

Der Einsatz von Einzelsubstanzen

Wie anfangs erwähnt, gibt es aber auch Einzelsubstanzen, in deren Anwesenheit Wirkstoffe leichter durch die Hautbarriere gelangen. Zu ihnen gehört die Substanzklasse der Amide. Amide bestehen aus Säuren, die chemisch mit Aminen verknüpft sind. Eine sehr einfache Verbindung dieser Art ist der Harnstoff. Beim Harnstoff resultieren die Säurekomponente aus Kohlensäure und die Aminkomponente aus Ammoniak. Harnstoff kann Wasser binden, aber auch die Wasserstoffbrücken der Hautbarriere aufbrechen. In hohen Konzentrationen wirkt er daher ausgesprochen keratolytisch, so dass man mit ihm sogar Fingernägel ablösen kann. In moderaten Konzentrationen bis zu 3 Prozent kann man ihn bedenkenlos als Penetrationsverstärker einsetzen. Er hemmt dann auch den Juckreiz - ähnlich wie das chemisch verwandte Allantoin und das Niacinamid (Vitamin B3). Fettsäureamide aus Palmitinsäure und Aminoethanol sind ebenfalls barriereaktiv, juckreizhemmend und werden vielfach bei atopischer Haut verwendet. Eine Substanz, der man diese Eigenschaften nicht sofort ansieht, ist das D-Panthenol, die Vorstufe der Pantothensäure (Vitamin B5). D-Panthenol ist daher eine beliebte Komponente von Gesichtstonics, die zweckmäßig vor einer Maske eingesetzt werden.

Es gibt noch viele weitere Substanzen und Trägermaterialien, die aber fast ausschließlich Bestandteile dermatologischer Rezepturen sind.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetik & Pflege
2012 (1), 25-27

 
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