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Mini-Kuppler - Von der Seife zum Hightech-Emulgator

 

Zwei Grundbedürfnisse sind fast so alt wie die Menschheit - die Körperreinigung und die Hautpflege. In beiden Fällen geht es darum, Fettstoffe zu transportieren. Um dies möglichst effektiv und hautschonend zu bewerkstelligen, werden in der modernen Kosmetik leistungsfähige Tenside und Emulgatoren eingesetzt - neuere Emulgatorsysteme orientieren sich sogar an biologischen Strukturen.

 

Bei der Reinigung will man mehr oder weniger fetthaltige Rückstände entfernen, bei der Pflege hingegen ist das Ziel, die Haut mit Fettstoffen zu versorgen. Was liegt also näher, als Fett und Wasser miteinander zu kombinieren? Aber wie soll man dies bewerkstelligen? Um so unterschiedliche Phasen wie Fett und Wasser zu vereinigen, ist ein Hilfsstoff notwendig, der im Wesentlichen die Oberflächenspannung des Wassers erniedrigt und sich sowohl mit der Oberfläche von Fetten als auch der von Wasser verbindet. Diese Eigenschaft wird "amphiphil" - "beides liebend" - genannt. Das bedeutet: Der Stoff ist gleichzeitig lipophil (fettliebend) und hydrophil (wasserliebend).

Saponine

Wie wurde dieses Problem in einer Zeit gelöst, als es noch keine chemische Industrie gab? Nun, man hat sich an der Natur orientiert. Zur Körperreinigung wurden beispielsweise geeignete Pflanzeninhaltsstoffe, die Saponine (Sapo = Seife), verwendet. Enthalten sind diese Substanzen beispielsweise in der Rinde des südamerikanischen Seifenrindenbaumes, in indischen Waschnüssen, in Hülsenfrüchten und in Rosskastanien. Die Wurzeln des Seifenkrauts (Saponaria officinalis) enthalten zwischen 2-5% Saponine. Sie bestehen aus einem lipophilen Steroid- oder Triterpengerüst und einem daran gebundenen hydrophilen Zucker - im Prinzip sind sie primitive Vorläufer der heutigen Zuckertenside.

Soda, Pottasche

Also experimentierte man mit vielen anderen Stoffen, unter anderem mit der aus Holzfeuern gewonnenen mineralischen Asche (Pottasche). Diese besteht hauptsächlich aus Kaliumcarbonat (Kaliumsalz der Kohlensäure). Pottasche hat einen hohen pH-Wert und reagiert mit Säuren, wobei Kohlendioxid freigesetzt wird. Auch die Fettsäuren der Hautoberfläche wie etwa Palmitinsäure reagieren auf gleiche Weise und bilden Fettsäuresalze - Kaliumpalmitat.

K2CO3 (Kaliumcarbonat) + 2 C16H33COOH (Palmitinsäure) ==>
2 C16H33COOK (Kaliumpalmitat) + H2O (Wasser) + CO2 (Kohlendioxid)

Kaliumpalmitat ist zusammengesetzt wie eine typische Schmierseife. Schmierseife ist amphiphil und kann Triglyceride (Fette) und Kohlenwasserstoffe wie das Squalen der Haut emulgieren. Soda, das Natriumsalz der Kohlensäure, das etwa in Salzseen natürlich vorkommt, hat vergleichbare Eigenschaften wie Pottasche. Die Reinigungswirkung der Kohlensäuresalze ist hoch; sie werden unter anderem heute in Bodenreinigungsmitteln eingesetzt. Da sie die Haut schnell auslaugen, sind sie jedoch äußerst hautunfreundlich.

Schmier- und Kernseifen

Später fand man heraus, dass beim Sieden wässriger Soda- oder Pottasche-Lösungen mit Pflanzenölen oder tierischen Fetten vergleichsweise milde Waschlaugen entstehen. Aus den stabilen, zähflüssigen Emulsionen lassen sich nach Zusatz von Kochsalz (Natriumchlorid) oder Kaliumchlorid Seifen abscheiden - man nennt diesen Prozess "Aussalzen". Solche Seifen begegnen uns heute noch in Form von Stückseifen. Mit Soda erhält man die eher harten "Kernseifen", mit Pottasche die oben erwähnten weichen Schmierseifen. Aus diesen Verfahren resultiert der Ausdruck "Verseifung", der zum technischen Begriff für Esterspaltungen wurde. Denn die Triglyceride der Pflanzenöle und tierischen Fette sind die Fettsäure-Ester des Glycerins, die unter Aufnahme von Wasser in Glycerin und 3 Fettsäuren gespalten werden. Dabei wandeln sich die Fettsäuren - wie oben beschrieben - in die entsprechenden Natrium- oder Kaliumseifen um. Seifen sind universell für die Textilien- und Körperreinigung einsetzbar. Besonders mild sind sie, wenn sie einen beträchtlichen Rest unverseifter Öle und Fette oder sogar freie Fettsäuren enthalten ("überfettete Seifen").
Die Seifensieder bildeten im Mittelalter einen wichtigen Berufsstand. Sobald Natron- und Kalilauge jedoch industriell verfügbar wurden, ersetzten diese Soda und Pottasche. Damit ließen sich Verseifungen schneller und kostengünstiger durchführen. Überfettete Stückseifen aus Pflanzenölen erfreuen sich heute wieder zunehmender Beliebtheit.

O/W-Emulsionen

Wird der Seifenanteil in Seifen-Öl-Mischungen weiter reduziert, so dass er allenfalls noch einige Prozente beträgt, tritt die Reinigungswirkung in den Hintergrund. Es ergeben sich nun stabile O/W-Creme-Emulsionen mit pflegendem Charakter. Sie eignen sich vom physiologischen Standpunkt aus gut für die Hautpflege, da in der Haut aus den vergleichsweise geringen Seifenmengen die Fettsäuren wieder freigesetzt werden. Die Seifen existieren sozusagen nicht mehr, d. h der Auswascheffekt hinsichtlich der Pflegeöle ist bei einer späteren Hautreinigung gering, im Gegensatz zu vielen modernen synthetischen Emulgatoren. Diese verändern sich in der Haut nicht und werden bei Wassereinwirkung von außen erneut aktiviert, so dass Pflege- und Barrierefette aus der Haut heraus transportiert werden.
Es stellte sich weiter heraus, dass teilverseifte Triglyceride, also Diglyceride (Glycerin mit 2 Fettsäureresten) und Monoglyceride (Glycerin mit einem Fettsäurerest) ebenfalls emulgierende Eigenschaften haben. Enthalten sie Spuren von Seifen, werden sie als "selbstemulgierend" bezeichnet. Esterspaltende Hautenzyme vollenden letztlich die Umwandlung dieser Glyceride in Glycerin und freie Fettsäuren.

Emulgatoren & Tenside

Ein Nachteil der Seifen ist ihre Empfindlichkeit gegenüber der Wasserqualität. So bilden sie in Verbindung mit hartem Wasser unschöne, graue Flocken. Diese unlöslichen Kalzium- und Magnesiumsalze erzeugen auf Textilfasern graue, gelbliche bis bräunliche Verfärbungen. Lange Zeit hat man diese mit farblich komplementären blauen Zusätzen ("Wäscheblau") ausgeglichen.
Heute sind Waschmittel kompliziert zusammengesetzt; als waschaktive Substanzen enthalten sie unter anderem Alkylpolyglycoside (Zuckertenside) und Sulfonate, für die hartes Wasser kein Problem mehr ist. In einfachen Flüssigseifen kommen häufig Schwefelsäureester von Alkoholen und ethoxilierten Alkoholen (Sodium Lauryl Sulfate, Sodium Laureth Sulfate) zum Einsatz. Zur Reinigung und Hautpflege werden überdies Emulgatoren mit unterschiedlichsten Strukturen verwendet.
Die häufig anzutreffende Unterscheidung zwischen Emulgatoren und Tensiden (Detergentien) bezieht sich weniger auf die chemische Struktur als auf das Einsatzgebiet. Bei beiden handelt es sich um die gleichen oberflächenaktiven Verbindungen. Emulgatoren heißen sie in fetthaltigen Systemen wie Hautpflegecremes (Leave-on-Präparate), Lebensmitteln und Kühlschmierstoffen; von Tensiden spricht man bei waschaktiven, fettfreien oder fettarmen Reinigungsmitteln (Hautpflege: Rinse-off-Produkte). Bei anionischen Emulgatoren wie den Seifen und Schwefelsäureestern ist der lipophile Teil negativ geladen, bei den selteneren kationischen Emulgatoren (quartäre Ammoniumsalze) trägt der lipophile Molekülbereich eine positive Ladung. Amphotere Emulgatoren (Amphotenside, Betaine) besitzen eine positive und eine negative Ladung, d. h. sie erscheinen nach außen neutral. Neutral sind auch die nichtionischen Tenside (Niotenside, Nonionics), zu denen die oben genannten Zuckertenside, die weitverbreiteten Polyethylenglykole (PEG), Polypropylenglykole (PPG), Polyglycerine und viele ihrer Derivate gehören.
Mikroemulsionen im engeren Sinne sind in Wirklichkeit keine Emulsionen mehr, sondern hochkonzentrierte tensidische Systeme. Bei diesen sind Wasser- und Ölphase auch unter einem Elektronenmikroskop nicht mehr zu unterschieden. Sie haben aufgrund der Tensid- bzw. Emulgatornebenwirkungen keine größere Bedeutung in Kosmetika - Reinigungspräparate wie etwa Shampoos ausgenommen.
Neben den O/W-Emulsionen, in denen Öltröpfchen stabil in Wasser emulgiert sind, finden W/O-Emulsionen (Wassertröpfchen in einer Ölmatrix) und sogenannte multiple W/O/W- und O/W/O-Emulsionen Verwendung. Bei multiplen Emulsionen befinden sich in den emulgierten Tröpfchen jeweils wieder Tröpfchen der entgegengesetzten Phase. Sie sind besonders feindispers und sehr stabil.
O/W-Emulgatoren tragen ihre hydrophile Gruppe meist am Ende eines linearen Moleküls, W/O-Emulgatoren dagegen häufig im mittleren Bereich eines gegebenenfalls auch verzweigten Moleküls. Beim Erwärmen wandeln sich O/W-Emulsionen vielfach in W/O-Emulsionen um. Umgekehrt geschieht das gleiche. Man nutzt diesen Vorgang der Phaseninversion, um von höheren Temperaturen kommend durch Abkühlung feindisperse O/W-Emulsionen herzustellen.
Neben der Tröpfchenstruktur gibt es bei Emulsionen auch lamellare Bereiche, die unter einem Mikroskop mit geringer Vergrößerung schlierenförmig sichtbar werden. Sie sind charakteristisch für einige stearathaltige Zusammensetzungen und nicht zu verwechseln mit lamellar aufgebauten, emulgatorfreien Liposomen (Bilayer) oder Derma-Membran-Strukturen (planare Multilayer). Letztere sind erst unter dem Elektronenmikroskop sichtbar.

Emulgatorfreie Systeme

Ein Problem lässt sich auch mit modernen Emulgatoren (Tensiden) nicht beseitigen. Emulgatoren dispergieren aufgrund ihrer oberflächenaktiven Wirkung nicht nur Cremebestandteile, sondern auch die Lipidkomponenten der Hautbarriere. Dies führt vor allem bei Emulgatoren, die sich nicht wie die Glyceride (siehe oben) in das Hautgleichgewicht integrieren, zu Barrierestörungen. Nicht selten wird versucht, durch den Einsatz filmbildender Paraffine und langkettiger Silikone den Emulgator-Einfluss auf den transepidermalen Wasserverlust (TEWL) zu kompensieren.
Für die empfindliche Haut gibt es deshalb immer noch emulgatorfreie Schüttelmixturen - insbesondere als pharmazeutische Rezepturen. Wie der Name schon andeutet, sind hier Wasser- und Ölphase separiert, weshalb man die Mixtur vor Gebrauch schütteln muss. Physiologisch gesehen ist dies zwar eine vernünftige Lösung, anwendungstechnisch aber umständlich. Systeme wie Derma-Membran-Struktur oder Liposomen orientieren sich an biologischen Strukturen wie der Hautbarriere selbst oder dem Aufbau von Hautzellen. Sie sind lamellar aufgebaut und emulgatorfrei. Die Ingredienzien sind der Natur abgeschaut und bestehen etwa aus Phosphatidylcholin (Hauptbestandteil von Zellmembranen), Ceramiden und Sterinen (Bestandteile der Hautbarriere). Alle Rohstoffe lassen sich aus pflanzlichen Quellen gewinnen. Unilamellare, biologisch abbaubare Nanodispersionen auf Phosphatidylcholin-Basis sind ebenfalls aus diesen Bestandteilen herzustellen. Bei Pflegepräparaten auf dieser Basis sind die Auswascheffekte minimal.

Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Beauty Forum
2010 (11), 20-22

 
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