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Endokrine Disruptoren - Schaden fürs Hormonsystem

 

Es gibt viele Stoffe, die das hormonelle Gleichgewicht beeinflussen. Sie befinden sich z. B. in der Nahrung, Arzneimitteln oder Kosmetika. Manche haben einen störenden Effekt.

 

Die Körperfunktionen und die Körperentwicklung werden durch Hormone gesteuert. Folglich sind Hormone essenzielle Bestandteile unseres Körpers. Die Gruppe der Sexualhormone ist z. B. für die Entwicklung im Kindesalter, die Pubertät, die Fortpflanzung, die Wechseljahre und das Altern zuständig. Je nach Lebensphase sind die Hormonspiegel unterschiedlich hoch, und sie sind Schwankungen unterworfen - wie etwa bei der Periode der Frau. In diesen natürlichen Haushalt wird in vielerlei Hinsicht künstlich eingegriffen - mit Hormonpräparaten oder hormonanalogen synthetischen Arzneimitteln, z. B.:
  • der Antibabypille,
  • der Hormonersatztherapie (HRT) in den Wechseljahren und danach,
  • Haarwuchspräparaten und
  • Hormontherapie bei Krebserkrankungen (z. B. Brust, Prostata)
Neben den Sexualhormonen der Hoden und des Eierstocks gibt es andere glanduläre Hormone, die im Hypothalamus (Gehirn), in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse), im Thymus (Teil des Immunsystems), in Schilddrüse, Niere und Pankreas (Bauchspeicheldrüse) produziert werden. Darüber hinaus sind die zahlreichen, lokal gebildeten Gewebshormone zu nennen.

Positive und negative Effekte

Alltägliche Stoffe können den Hormonhaushalt beeinflussen. Darunter befinden sich unter anderem Nahrungsbestandteile wie die Phytohormone, die Auswirkungen des Altersprozesses mildern können. Andererseits werden Stoffe aufgenommen, die schädigend wirken. Man bezeichnet sie als endokrine Disruptoren.
"Disruption" ist ein Synonym für "Schädigung" und "endokrin" bedeutet in diesem Zusammenhang "auf das Hormonsystem bezogen". Entsprechend definiert die Weltgesundheits-Organisation (WHO) die Eigenschaften von endokrinen Disruptoren - auch als Endocrine Disrupting Chemicals (EDC) bezeichnet - folgendermaßen: Endokrine Disruptoren (EDC) sind exogene Stoffe oder Gemische, die Veränderungen im Hormonhaushalt bewirken - und zwar im einzelnen Organismus, seinem Nachwuchs oder in einer Population - und auf diese Weise die Gesundheit beeinträchtigen oder schädigen. Die allgemeine Formulierung zeigt, dass sich die Definition der EDC nicht nur auf Menschen beschränkt, sondern auch die Tierwelt mit einbezieht. Fakt ist, so stellt ein Bericht der WHO aus dem Jahre 2012 weiter fest, dass gegenwärtig hormonell gesteuerte Krankheiten und Fehlentwicklungen statistisch zunehmen. Dazu zählen z. B.:

  • Abnehmende Samenqualität bei Männern - mit einer hohen Signifikanz in einzelnen Ländern
  • Genitale Fehlbildungen
  • Frühgeburten und die Gewichtsabnahme bei Neugeborenen
  • Verhaltensstörungen bei Kindern aufgrund von Schädigungen der Schilddrüse
  • Weltweiter Anstieg von Brust-, Gebärmutter, Eierstock-, Prostata-, Hoden- und Schilddrüsenkrebs
  • Verfrühte Brustentwicklung bei Mädchen mit einem späteren höheren Risiko für Krebs
  • Fettleibigkeit und Diabetes Typ 2

An diesen Entwicklungen sind naturgemäß auch Veränderungen der Lebensweise und der Kultur beteiligt. Aber ein maßgeblicher Teil der Einflüsse kann auf Stoffe zurückgeführt werden, die über Luft, Wasser, Nahrung, Arzneimittel, Chemikalien am Arbeitsplatz oder im Freizeitbereich und nicht zuletzt über Kosmetika aufgenommen werden. Dabei muss es sich nicht unbedingt um Chemikalien aus der Industrie handeln. Auch Naturstoffe befinden sich darunter.

Erwiesen - und verboten

Bei manchen Stoffen vermutet man endokrine Wirkungen aufgrund von Einzelbeobachtungen. Zweifelsfrei erwiesen sind sie bei mittlerweile verbotenen oder mit niedrigen Grenzwerten versehenen Stoffen wie Diethylstilbestrol (Arzneistoff), polybromierten Diphenylethern (Flammschutzmittel), polychlorierten Diphenylen (Hydraulik- und Transformatorenflüssigkeiten), DDT (Insektizid), polychlorierten Dioxinen (aus Verbrennungsprozessen) und zahlreichen Pestiziden (Pflanzenschutzmittel).
Die Wirkungen der EDC sind vielfältig und unkalkulierbar, da sie meist in Kleinstmengen über längere Zeit in den Körper gelangen. Die Speicherung und die daraus resultierenden Akkumulationseffekte im Fettgewebe spielen eine große Rolle. Das gilt vor allem, wenn es sich um fettlösliche Stoffe handelt, die nur langsam oder gar nicht metabolisiert werden. Damit werden die Erkennung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen und die Festlegung verbindlicher Grenzwerte erschwert oder unmöglich gemacht.
Die Erkenntnisse aus Kurzzeituntersuchungen an Zellkulturen (in vitro) oder im Tierversuch (in vivo) können nur bedingt auf den Menschen übertragen werden. Denn die in Studien verwendeten, in der Regel vergleichsweise hohen Dosierungen unterscheiden sich grundlegend von den "low-dose"-Langzeitwirkungen, denen die Menschen in der Realität ausgesetzt sind.
Daher versucht man meist, Erkenntnisse und Konsequenzen aus Statistiken zu ziehen. Diese sind allerdings nicht immer zuverlässig, haben oft verfahrenstechnische Mängel oder sind nur wenig signifikant. Das heißt, es kann auch hier nur ein "Verdacht" geäußert werden. Inzwischen gibt es eine Liste von mehreren hundert nachweislich endokrin wirksamen oder "verdächtigen" Substanzen, die bei der WHO geführt wird. Auffallend sind darin häufig chemische Strukturen mit ringförmigen aromatischen Systemen und mit einer hohen Lipidlöslichkeit. Ihr Abbau im und ihre Elimination aus dem Körper geschehen extrem langsam, umso mehr, wenn es sich dabei um halogenierte Substanzen handelt, die Chlor oder Brom enthalten.

Die Hauptangriffspunkte endokriner Disruptoren sind:

  • Beeinflussung der körperlichen Hormonsynthesen
  • Systemische und/oder lokale Interaktion mit den Hormonrezeptoren
  • Veränderung des Abbaus von Hormonen und Einfluss auf deren Metaboliten

Umstrittene Substanzen

In der Kosmetik sind die folgenden Stoffe in der Diskussion:

  • Parabene: Bei den Estern der 4-Hydroxybenzoesäure handelt es sich um Konservierungsstoffe, die im Anhang der Kosmetikverordnung enthalten sind und in Kombination mit Phenoxyethanol häufig in Hautpflegepräparaten verwendet werden. Durchgeführte Studien, die ihre endokrine Potenz betreffen, widersprechen sich allerdings. Selbst wenn es ein Risiko geben sollte, ist es äußerst gering, da Parabene vergleichsweise schnell gespalten und über die Niere eliminiert werden. Die EU (Scientific Committee on Consumers Safety) hat 2011 die Dosierung von Propyl- und Butylparaben bis zu 0,19% für sicher erklärt.
  • Triclosan: Triclosan, chemisch betrachtet 5-Chlor-2-(2,4-dichlorphenoxy)-phenol, wird zur Konservierung wasserhaltiger kosmetischer Produkte verwendet. Einflüsse auf Fertilität, Muskelschwäche und kanzerogenes Potenzial sind in der Diskussion. Die Substanz wurde in der Muttermilch nachgewiesen. Mit der EU-Verordnung 2014/358 wurde Triclosan auf Produkte beschränkt, die nach der Anwendung abgespült werden ("Rinse-off") - in Körperlotionen und Pflegecremes ist Triclosan also nicht mehr erlaubt. Der No-Observed-Adverse-Effect-Level (NOAEL) für den Menschen konnte bisher nicht ermittelt werden. Dementsprechend gibt es noch keinen Grenzwert.
    Triclosan neigt in der Wärme und unter UV-Strahlung (Sonne) unter anderem zur Bildung halogenierter Dibenzodioxine. Wo diese Zersetzungen im Detail stattfinden, ist wegen der großen Verbreitung der Substanz in Alltagsgegenständen unvorhersehbar. Triclosan wird in Kläranlagen kaum abgebaut.
  • Phthalsäureester (Weichmacher): Diethylphthalat dient zur Vergällung von Alkohol, der in dieser Form unversteuert als Alcohol denat. (INCI) in Kosmetika eingesetzt wird. Das Umweltbundesamt (UBA) warnte 2007 in einer Stellungnahme allgemein vor dem Einsatz von Phthalaten, da sie unter anderem fortpflanzungsgefährdend seien. Das UBA empfiehlt, in Kosmetika Dimethylphthalat und Diethylphthalat (DEP) durch weniger bedenkliche Alternativen zu ersetzen.
    Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit berichtete in der Vergangenheit von DEP-Konzentrationen über 1% in Kosmetika. In einer Studie konnten im Urin von 163 Kleinkindern, die im Zeitraum 2000-2005 geboren wurden, Phthalat-Metabolite nachgewiesen werden, die mit der Anzahl der verwendeten Hautpflegeprodukte korrelierten. Phthalsäureester gelangen darüber hinaus über die Verpackung von Nahrungsmitteln sowie über Plastikgegenstände oral und topisch in den Körper. Bei Mäusen führen sie zur Vergrößerung der Fettzellen und überdurchschnittlicher Gewichtszunahme.

Ursprünglich ein Schutz

  • Sonnenschutzfilter: UV-Filter wie Ethylhexyl Methoxycinnamate, Butyl Methoxydibenzoylmethane, Octocrylene, 4-Methylbenzylidene Camphor und Benzophenone ließen sich in der humanen Muttermilch nachweisen, selbst wenn die Frauen gar keine Sonnenschutzmittel benutzt hatten. Die Aufnahme dürfte über Tagescremes und Lippenstifte erfolgt sein, die häufig mit UV-Filtern ausgerüstet sind. Die endokrine Wirksamkeit ist unter Fachleuten umstritten. Das vorliegende Datenmaterial stützt sich auf In-vitro-Testungen sowie artifizielle Tiermodelle.

Die Rolle von Phytohormonen

  • Isoflavone: Für die endokrin wirksamen Isoflavone - auch Phytohormone genannt - gibt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Entwarnung. Die Naturstoffe kommen in Soja, Hülsenfrüchten und rotem Klee vor und werden in Antiaging-Präparaten und Pflegeprodukten für die unreine Haut eingesetzt. Laut EFSA gibt es keine Hinweise, die eine schädigende Wirkung auf Brust, Gebärmutter und Schilddrüse postmenopausaler Frauen betreffen. Dabei wird von einer Aufnahme von 35 bis 150 mg täglich durch Nahrung und Nahrungsergänzungsmittel ausgegangen. Im Gegenteil: Die schwache Östrogenwirkung. dient möglicherweise der Prävention von Brustkrebs.
  • Haarwuchsmittel: Bei der ärztlichen Behandlung von Haarausfall bei Frauen kommen Östrogene oder Testosteronantagonisten zum Einsatz, bei Männern Steroid-5α-Reduktase-Hemmer.
    Bei der Behandlung des Glaukoms mit Prostaglandin F und seinen Analoga stellte man als Nebenwirkung ein verstärktes Wachstum der Wimpern fest. Mittlerweile sind Derivate der verwandten Prostansäure oder des Cloprostenols für diesen Zweck im Einsatz. Da schädliche Wirkungen auf das Ungeborene nicht auszuschließen sind, finden sich auf Produkten mit PGF-Analoga Warnhinweise für Frauen im gebärfähigen Alter. Die FDA (Food and Drug Administration der USA) hat 2011 auch vor dem Gebrauch von Isopropyl Cloprostenate gewarnt.


Dr. Hans Lautenschläger

 


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veröffentlicht in
Kosmetik International
2018 (1), 52-55

 
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